Kahlschlag im ORF

ORF-Geschäftsführung will 1.000 Stellen abbauen

Österreich
28.11.2008 14:25
ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz setzt in seinem Unternehmen massiv den Sparstift an: Bis 2012 sollen 1.000 Mitarbeiter gehen. Der ORF-Belegschaft droht außerdem eine Nulllohnrunde, der Entfall des Überstundenzuschlages im Zeitraum von 20.00 bis 22.00 Uhr sowie von Wochenend- und Nachtdienstzulagen und Jubiläumsgeld. Die umstrittene Onlinedirektion wird aufgelöst und das desolate ORF-Zentrum am Küniglberg verkauft. Von der Opposition kam heftige Kritik an den Sparplänen. Sowohl FPÖ als auch BZÖ und Grüne warnten vor einer Zerschlagung des ORF.

Die ORF-Geschäftsführung will die Kernbelegschaft des Unternehmens bis 2012 von mehr als 3.400 Mitarbeitern auf weniger als 2.500 reduzieren. Das war die Hauptbotschaft, die  Alexander Wrabetz seiner Belegschaft am Donnerstagnachmittag mitzuteilen hatte. Die Personalreduktion soll unter anderem durch die Ausgliederung der Technik, des Radio-Symphonieorchesters, des Facility Managements, der Grafik sowie der ORF-Ausstattung zustande kommen. Zusätzlich wird es auch zu Kündigungen kommen.

Der ORF will in Zukunft verstärkt auf Freie Mitarbeiter setzen, die im Rahmen eines neuen Kollektivvertrags beschäftigt werden. Weiters soll ein verstärkter Altersabbau stattfinden.

Pensionsgrenze wird eingehalten
Ab Mitte 2010 soll im ORF niemand mehr über der Pensionsgrenze arbeiten. Um den betroffenen Mitarbeitern den Abschied zu erleichtern, will Wrabetz finanzielle Anreize geben, von einem durchgängigen "Golden-Handshake-Prinzip" wollte er aber nicht sprechen.

Nulllohnrunde und Gehaltskürzungen
Wrabetz machte den versammelten Mitarbeitern deutlich, dass der Sparstift auch an ihnen nicht vorübergehen wird. Demnach sollen die Pro-Kopf-Kosten bei der ORF-Belegschaft reduziert werden. Möglich werden soll dies durch eine Nulllohnrunde, den Entfall des Überstundenzuschlages im Zeitraum von 20.00 bis 22.00 Uhr sowie von Wochenend- und Nachtdienstzulagen und Jubiläumsgeld. Darüber hinaus sollen die Dienstzeitregelung sowie Dienstreise- und Feiertagsregelung geändert werden.

Deutliche Einschnitte soll es auch bei den sogenannten alten Dienstverträgen geben, wo die Gehälter deutlich über dem Marktschnitt liegen. Hier will Wrabetz mit Kündigungen und Gehaltskürzungen gegensteuern. Die Zahl der Führungskräfte soll von derzeit rund 100 auf 75 reduziert werden. "Das bringt zwar nur einen Teil des Sanierungsgeldes, ist aber von der Optik her wichtig", so Wrabetz.

Onlinedirektion vor Auflösung
Die Onlinedirektion, die seit längerem in Diskussion steht, soll de facto aufgelöst werden. Die Tochterfirma ORF Online und Teletext GesmbH (ORF On) bleibt in ihrer Grundstruktur erhalten. Onlinedirektor Thomas Prantner bekommt zusätzlich bei TW1 ein neues Betätigungsfeld, wo er sich um die Umwandlung des Spartensenders in einen Info- und Kulturkanal "kümmern soll", so Wrabetz. Der dort tätige TW1-Geschäftsführer Werner Mück wird "in absehbarer Zeit in Pension gehen", sagte der Generaldirektor.

Die Onlinevermarktung wandert in die neu strukturierte Werbegesellschaft ORF-Enterprise, die Content-Vermarktung wird von der neuen Content-Verwertungsgesellschaft übernommen, erläuterte der ORF-Chef.

Kürzungen bei Kosten für Sportrechte
Auch wenn er betonte, man könne "nicht noch mehr Geld aus dem Programm herausziehen", dürfte auch hier gespart werden. Die ORF-Magazine sollen "massiv in den Kosten reduziert werden", Informationsdirektor Elmar Oberhauser werde zu entscheiden haben, welche Formate erhalten bleiben. Dem Vernehmen soll es auch bei den teuren Rechtekosten für große Sportveranstaltungen Kürzungen geben.

Das Paket bedarf freilich erst der Zustimmung der ORF-Stiftungsräte. Über die angepeilten Kündigungen wird die Geschäftsführung demnächst mit dem Betriebsrat sprechen müssen.

Wrabetz will Küniglberg aufgeben
Weitere Maßnahmen sehen den Verkauf des ORF-Zentrums am Küniglberg sowie die Bereinigung weiterer Standorte in Wien vor. "Ich halte das Projekt eines neuen Standortes für wichtig", so Wrabeth. Eine Entscheidung darüber soll der ORF-Stiftungsrat im ersten Halbjahr 2009 treffen. Außerdem will Wrabetz wie erwartet das Rosenhügelgelände und sonstige nicht betriebsnotwendige Liegenschaften veräußern. Auch die Anteile an der Sendetechniktochter ORS, an der der ORF derzeit 60 Prozent hält, sollen reduziert werden.

Wrabetz erklärte die drastischen Maßnahmen mit den zu erwartenden finanziellen Einbußen bei den Finanzerträgen in Folge der Wirtschaftskrise sowie den sinkenden Werbeerlösen in Folge der wachsenden Reichweite der Privatsender. "Das frisst ohne Maßnahmen unser Eigenkapital weg", zeigte Wrabetz ein mögliches Szenario auf. Ohne Maßnahmen würde das Konzern-EGT im Jahr 2012 auf ein Minus von 93,2 Millionen Euro und im Jahr 2013 auf minus 101,5 Millionen anwachsen. Dem will er entgegensteuern, sagte der ORF-Chef. Es gehe darum, den ORF auch für die Zukunft in seiner Gesamtheit zu erhalten. Das Leistungsangebot von ORF 1, ORF 2, Ö1, Ö3, FM4 und orf.at sowie der Landesstudios soll in vollem Umfang erhalten bleiben.

Heftige Kritik der Opposition
Angesichts der angekündigten Sparmaßnahmen beim ORF hat die Opposition am Donnerstag nicht nur Kritik an der Führung des Senders, sondern auch an der Regierung geübt. Sowohl FPÖ als auch BZÖ und Grüne warnten vor einer Zerschlagung des ORF. SPÖ-Mediensprecher Josef Cap meinte hingegen, dass sich die Politik hier heraushalten sollte.

Cap erklärte, das sei Sache des Unternehmens. Die Geschäftsführung des ORF müsse mit der Belegschaft, dem Betriebsrat und dem Stiftungsrat über die notwendigen Maßnahmen diskutieren und dann eine Entscheidung treffen. Die Politik sollte sich dabei heraushalten, sagte der SPÖ-Klubobmann. Gleichzeitig sprach er sich aber dafür aus, dem ORF die rund 55 Millionen Euro zu refundieren, die dem Unternehmen durch die Gebührenbefreiungen entgehen. Das sei Geld, das dem ORF per Gesetz entzogen worden sei, und die SPÖ sei bereit, das zu refundieren.

FPÖ, BZÖ und Grüne gegen Zerschlagung
Als Ungeheuerlichkeit der Sonderklasse bezeichnete FPÖ-Generalsekretär Harald Vilimsky den geplanten Personalabbau beim ORF. „Das ist die endgültige Bankrotterklärung eines herabgewirtschafteten öffentlich-rechtlichen Rundfunks", sagte Vilimsky und verlangte einen kompletten Neustart im ORF.

BZÖ-Generalsekretär Martin Strutz sprach sich massiv gegen einen Kahlschlag beim ORF aus und forderte die ORF-Führung auf, zuerst bei sich zu sparen und nicht bei Redakteuren, Kameraleuten, Technikern etc. Er warnte vor einer Übernahme von Teilen des ORF durch den Raiffeisen-Konzern und trat dafür ein, den ORF in seiner Existenz langfristig zu sichern.

Der ORF-Sprecher der Grünen, Dieter Brosz, machte die "Schönrederei der Geschäftsführung" und die "Ignoranz der Regierung" für die wirtschaftliche Misere des ORF verantwortlich. Das zentrale Ziel der Grünen sei es, die Zerschlagung des ORF zu verhindern und die Unabhängigkeit zu sichern. Ebenso wie Cap sprach auch er sich dafür aus, dem ORF die Kosten für die Gebührenbefreiungen zu ersetzen.

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