Massenspeicheltest

Drohbrief an DJ Ötzi könnte Mörder entlarven

Adabei
06.11.2008 15:06
Vielleicht züchtet er Rosen. Vielleicht spielt er Bingo im Seniorenheim. Sicher ist nur, dass der Mann, der 1962 ein Mädchen und 1970 eine Prostituierte ermordete, inzwischen das Pensionsalter erreicht hat. Statt aber einfach zu hoffen, dass ihm die Ermittler auch in den letzten Lebensjahren nicht mehr auf die Schliche kommen, spielt der Mann mit der Polizei Katz und Maus. Seit 2005 schickt er Dienststellen in ganz Deutschland Briefe und gesteht darin die beiden Morde. Durch einen Brief, in dem er DJ Ötzi mit Mord bedrohte, könnte der Unbekannte jetzt endlich entlarvt werden. Denn erstmals konnten die Fahnder das Gebiet, in dem der Mörder leben soll, eingrenzen. Ein Massenspeicheltest unter 5.000 Senioren soll Gewissheit bringen.

Für Donnerstag wurden die ersten der 5.000 über 65-jährigen Herren aus dem Raum Weiskirchen im Saarland vorgeladen und um Speichelprobe und Fingerabdruck gebeten. "Wir gehen davon aus, dass sich die meisten älteren Männer dem freiwilligen Test unterziehen werden", sagt Willibald Groß von der Landespolizeidirektion Saarbrücken. Wer nicht beim größten Massengentest in der saarländischen Geschichte erscheint, muss mit Nachforschungen rechnen. Zusätzlich haben die Ermittler Handzettel mit Schriftproben des mutmaßlichen Mörders an Altenheime und Pflegedienste der Region verteilt.

Auf brutale Weise umgebracht
Auf diese Weise wollen die Fahnder endlich klären, wer die 13-jährige Schülerin Lydia Schürmann aus Wiedenbrück in Nordrhein-Westfalen auf dem Gewissen hat. Das Mädchen war 1962 nach einem Streit mit den Eltern ausgerissen und verschwunden. Pilzsammler entdeckten später in einem Wald seine Leiche. Auch das Verbrechen an der Nürnberger Prostituierten Heiderose Berchner hoffen die Fahnder, bald zu den Akten legen zu können. Der mit Messerstichen und Schlägen traktierte und halb verbrannte Körper der 29-Jährigen war 1970 bei Ulm gefunden worden.

„Ich will mein Gewissen erleichtern“
Fünf Briefe hat der inzwischen "Mörder-Opa" genannte Unbekannte seit November 2005 an deutsche Polizeidienststellen verschickt. Mit krakeliger Handschrift legt er Geständnisse ab und offenbart Täterwissen. "Ich will mein Gewissen erleichtern", schreibt der Verfasser zu seiner Motivation. Aus Angst vor dem Gefängnis habe er sich nie gestellt.

Profiler des Landeskriminalamts Nordrhein-Westfalen gehen davon aus, dass es sich in allen Fällen um den gleichen Absender und tatsächlich um den Mörder handelt. Doch dass den Mann wirklich Gewissensbisse plagen, nehmen sie ihm nicht ab. Weder legt er in seinen Schreiben Reue an den Tag noch entschuldigt er sich bei den Angehörigen der Opfer. Die oberflächliche Darstellung der Taten lässt die Fahnder zweier Sonderkommissionen außerdem vermuten, dass er sich nicht ernsthaft mit seiner Schuld auseinandergesetzt hat. Einen egoistischen Charakter unterstellen ihm die Ermittler aus Nordrhein-Westfalen, dem Saarland und Bayern. "Ansonsten gehen wir davon aus, dass er ein unauffälliger Bürger ist."

DNA-Spur auf dem Brief an DJ Ötzi
Besonders vorsichtig ist der mutmaßliche Täter allerdings nicht. So hinterlässt er regelmäßig DNA-Spuren auf seinen Briefen. Dass der Mörder einen engen Bezug zur Region Weiskirchen hat, schlossen die Fahnder aus einem weiteren Brief aus dem Jahr 2007, den der Unbekannte an die Gemeinde Weiskirchen adressierte. Darin drohte er dem österreichischen Sänger DJ Ötzi, der in der Nähe ein Konzert plante, mit Mord. "Wenn der auf die Bühne geht, wird er abgeknallt", heißt es in dem Drohbrief, dessen Merkmale mit den anderen Schreiben übereinstimmen. Beigelegt war die Konzertankündigung einer Gratis-Zeitung aus der Region. Trotzdem glaubt Polizeisprecher Groß nicht, dass der Täter erwischt werden möchte. "Dann hätte er sich doch gestellt."

Der jüngste Brief des Phantoms ging am 23. Oktober beim saarländischen Landeskriminalamt ein. Darin bestreitet der Mann den von der Polizei öffentlich geäußerten Verdacht, er habe in den 1960er-Jahren vier weitere Prostituiertenmorde in Süddeutschland begangen. Ganz offensichtlich verfolgt der Unbekannte die Fahndung nach ihm mit großem Interesse.

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(Bild: kmm)



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