"Nicht verstecken"

Missbrauch: Hebelt Kirchenopfer die Verjährung aus?

Vorarlberg
26.01.2012 09:17
"Das Kloster sollte sich in diesem Fall nicht hinter der Verjährung verstecken" - das sagt nicht nur der Rechtsbeistand eines ehemaligen Internatsschülers, der als Bub über Jahre hinweg von einem Pater und Lehrer an einer Vorarlberger Klosterschule vergewaltigt worden sein soll. Der Fall scheint auf den ersten Blick einer von vielen zu sein. Allerdings wandte sich der Kläger hier nicht an die kirchliche Opferschutzkommission, sondern klagt auf zivilgerichtlichem Weg Schmerzensgeld ein - offenbar eine Premiere.

Laut der Plattform Betroffener kirchlicher Gewalt handelt es um "die erste Klage wegen sexuellen Missbrauchs gegen die römisch-katholische Kirche": Im Bregenzer Zisterzienser-Kloster Mehrerau sei in den 1960er-Jahren das spätere Leben eines Mannes zerstört worden. Wie auch Rechtsanwalt Sanjay Doshi am Donnerstag im Ö1-"Morgenjournal" berichtete, schildere der ehemalige Internatsschüler in der Klageschrift, von 1968 an - er war damals um die 14 Jahre alt - über drei Jahre hinweg "unzählige Male" in seinem Zimmer vergewaltigt und "seelisch kaputt gemacht" worden zu sein.

Verdächtiger kein unbeschriebenes Blatt
Dringend tatverdächtig ist ein heute rund 75-jähriger und mittlerweile suspendierter Priester, der auch in anderen Fällen sexueller Übergriffe beschuldigt und offenbar im Jahr 1967 auch wegen Missbrauchs eines 13-Jährigen rechtskräftig verurteilt wurde. Wie die "Vorarlberger Nachrichten" aufdeckten, sei der Geistliche später trotz des Schuldspruches nach Mehrerau versetzt und dort im Schulbetrieb eingesetzt worden, offensichtlich mit fatalen Folgen.

Der heute 57-jährige Kläger habe mit 16 Jahren die Schule abbrechen müssen, sei mittellos und blicke auf mehrere gescheiterte Ehen und Beziehungen zurück, erklärte sein Rechtsbeistand. Die Schmerzensgeld-Klage gegen das Kloster als damaligen Arbeitgeber des mutmaßlichen Vergewaltigers soll nun zumindest geringfügig Wiedergutmachung bringen. 200.000 Euro verlangt der 57-Jährige, der eigenen Angaben zufolge ein "Vagabundendasein" führt, vom Stift Mehrerau und im weiteren Sinne von der Kirche.

"Was dem Opfer getan wurde, wurde getan"
Der Pressesprecher des Stifts, Harald Schiffl, gab sich bezüglich der Vorwürfe offen: "Das, was dem Opfer getan wurde, das wurde getan. Das war nie eine Diskussion." Schiffl bezweifelte allerdings gegenüber Ö1, dass das Kloster als Organisation für die Handlung eines Einzelnen haften würde. Man bedauere, dass sich der Betroffene nicht an die Klasnic-Kommission gewandt habe. Diese sei schließlich extra für solche Fälle eingerichtet worden.

Zur Kommission haben der Kläger und sein Verfahrenshelfer allerdings ein klare Meinung. Man verzichte auf "kirchliche Almosen" und entscheide sich deshalb für den steinigeren Weg. Sollte der 57-Jährige den Prozess verlieren, dürfte ihn das rund 15.000 Euro kosten - doch er hat ja ohnehin nichts. Außerdem habe sich der Kläger immer wieder an das Kloster selbst gewandt, sei aber vertröstet oder hingehalten worden. Nun fühle er sich regelrecht zur Klage genötigt.

Verjährung als Knackpunkt
Das Schlüsselwort in dem Fall lautet "Verjährung". Laut Doshi sei seinem Mandanten erst in den letzten Jahren bewusst geworden, was eigentlich passiert sei und welche Tragweite die Vorfälle hatten bzw. noch haben könnten. Allein durch diese Tatsache könnte die Verjährung umgangen werden, meint der Jurist.

"Im Kloster sollten Hausdurchsuchungen abgehalten werden, um Vertuschung und Unterdrückung von Beweismitteln zu unterbinden", fordert die Plattform Betroffener kirchlicher Gewalt. "So könnten auch geltende Verjährungsfristen aufgehoben werden. Denn in den meisten Fällen hat ein Täter viele Opfer, die nichts voneinander wissen. Kann man dem Täter Straftaten in der jüngeren Vergangenheit nachweisen, gelten auch ältere Fälle nicht mehr als verjährt."

"Hausdurchsuchungen unumgänglich"
Plattform-Sprecher Sepp Rothwangl: "Solange Kirche, Ombudsstellen und Klasnic-Kommission alle Unterlagen unter Verschluss halten, können Verjährungsfristen nicht aufgebrochen werden. Hausdurchsuchungen sind unumgänglich. Nur wenn die Kirche generell auf Verjährung verzichtet, kann es zu einem gerechten Verfahren kommen. Delikte verjähren, Opfer aber leiden lebenslänglich."

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