Alle Angeklagten machten „Hände hoch“ zum Amtsmissbrauchs-Vorwurf und so wurde der Mega-Prozess gegen VP-Klubobmann und zwei ranghohe VP-nahe Finanzbeamte zum kurzen Prozess. Denn nach der schriftlichen Verantwortungsübernahme der beiden Beamten überraschte „der schwarze Gust“ mit einem inhaltlichen Geständnis: „Es tut mir leid, was ich damals ausgelöst habe.“ Eine Diversion wurde akzeptiert, Wöginger muss 44.000 Euro zahlen.
„Ein unabhängiges Gericht wird urteilen“, sagte Wöginger vor dem Schwurgerichtssaal, ehe um 10.01 Uhr die Vorsitzende Richterin des Schöffensenats, Melanie Halbig, das Verfahren aufrief. Etwas mehr als eine Stunde später folgte der Antrag der Wirtschafts- und Korruptions-Staatsanwaltschaft auf Unterbrechung.
Da die Richterin nach der Verantwortungsübernahme eine Diversion in Aussicht stellte, berieten die Ankläger, da es „ein Grenzfall“ sei. Der Privatbeteiligtenvertreter, Wolfgang Mayrhofer, war klar gegen eine Diversion: „Eine Diversion bei einem Amtsmissbrauch in Verbindung mit einer Falschaussage ist eigentlich undenkbar.“ Aber er hat kein Antragsrecht, meinte im Prozess: „Dann sag’ ich nix mehr.“
„Damals anderes Politikverständnis“
Während die beiden Hauptangeklagten auf ihre schriftlichen Eingaben verwiesen, übernahm Wöginger zuvor mündlich die Verantwortung: Es tue ihm „sehr leid“, was er ausgelöst habe und würde „es heute nicht wieder so tun“. Doch damals sei das Politikverständnis ein anderes gewesen – „das ist keine Entschuldigung, sondern eine Erklärung“. Bedeutet übersetzt, es sei üblich gewesen, sich für Parteifreunde einzusetzen. Die Bestellung des Bürgermeisters zum neuen Finanzamtschef sei ihm aber „kein wichtiges Anliegen gewesen“. „Hätte ich gewusst, was das nach sich zieht, hätte ich anders gehandelt“, meinte der VP-Klubobmann, der dann von „schweren Belastungen im beruflichen und familiären Umfeld“ durch die dreijährigen Ermittlungstätigkeiten berichtet.
Ich bin froh, dass das damit für mich erledigt ist.

ÖVP-Klubobmann August Wöginger in einem Statement nach dem Prozess
Bild: APA/FOTOKERSCHI.AT
„Postenschacher wird verharmlost“
Im Eingangsplädoyer hatten die Ankläger Oberstaatsanwalt Georg Kasinger und Roland Koch noch gemeint: „Postenschacher wird verharmlost und wird als Freunderlwirtschaft verniedlicht“ und: „So viel belastendes Material gab es noch nie.“ Es wurde vorgetragen, dass Wöginger (50) als Bestimmungstäter zwei VP-Parteimitlieder – einen Gewerkschafter und den damaligen Finanzamtschef Österreichs – gedrängt haben soll, einen befreundeten VP-Bürgermeister zum Chef des Braunauer Finanzamts zu machen. Kurz zuvor war dieser in einer Bewerbung fürs Finanzamt Freistadt abgeblitzt und jenes Kommissions-Mitglied, das dafür gesorgt hatte, wurde beim Bestellungsverfahren im Innviertel ausgetauscht. Und damit unterlag jene Finanzbeamtin, die das Finanzamt seit 2016 interimistisch geleitet hatte, im Hearing. Obwohl sie objektiv die bessere Wahl gewesen wäre. Das hatte 2021 eine Klage des Bundesverwaltungsgerichts festgestellt.
Auswirkung des Ibizia-Skandals
Durch die Chat-Protokolle des Ibiza-Skandals kamen die mutmaßlichen Mauscheleien ans Tageslicht, nachdem die unterlegene Kandidatin bereits Anzeige gegen ihre beiden Vorgesetzten erstattet hatte. Wöginger habe nach der Bitte des Bürgermeisters, „ein gutes Wort einzulegen“ beim damaligen Generalsekretär im Finanzministerium, Thomas Schmid, interveniert. Und zwar mehrmals zwischen Dezember 2016 und Februar 2017. Laut Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft gab es „keine sachliche Begründung für seine Unterstützung“.
Ehemaliger Generalsekretär als Kronzeuge
Thomas Schmid, der als Kronzeuge im elftägigen Prozess hätte aussagen sollen, soll daraufhin auch mit dem obersten Finanzamtschef über die Zusammensetzung der Kommission gesprochen und auch Einfluss genommen haben, dass „der Richtige“ den Top-Job bekommt. Und der Gewerkschafter habe das Vorgehen abgesegnet und ist deshalb auch angeklagt.
Als die Begutachtungskommission im Februar 2017 tagte, schrieb der 60-jährige Finanzbeamte dem damaligen Generalsekretär Schmid: „Hi! mit bauchweh- aber:“, dazu gab's ein Daumen-hoch-Emoji. Antwort von Thomas Schmid: „Mein Held!“
Schriftliche Belege im Chat
Dann schrieb Schmid an Wöginger nur 53 Sekunden später: „Wir haben es geschafft :-)). Der Bürgermeister schuldet dir was!“ Wöginger war daraufhin laut Anklage „total happy“. Der damalige Finanz-Generalsekretär informierte auch seinen Vorgesetzten, den damaligen ÖVP-Finanzminister Hans Jörg Schelling, dass die „Intervention von Wöginger“ erfolgreich war.
„Spürbare Sanktionen“
Bis kurz vor Prozessbeginn bekannten sich alle drei Angeklagten als nicht schuldig. Für das Verfahren waren elf Verhandlungstage mit 31 Zeugen geplant. Durch die „Verantwortungsübernahme“ aller Angeklagten konnte das Verfahren dank eines Diversionsangebots der Richterin deutlich verkürzt werden. Die Staatsanwaltschaft stimmte zu, forderte jedoch „spürbare Sanktionen“, da es sich um einen „absoluten Grenzfall“ handle. Zwar habe es „auf den ersten Blick eine nicht unerhebliche Rechtsschädigung“ gegeben, doch spreche einiges zugunsten der Angeklagten: Sie hätten sich „seither wohl verhalten“, das Opfer habe „keine wesentlichen Gehaltseinbußen erlitten“, und es sei „ein nur weniger geeigneter, nicht völlig ungeeigneter Kandidat ernannt worden“. Zudem hätten der Erst- und der Zweitangeklagte bereits disziplinäre Konsequenzen gespürt oder müssten diese noch erwarten.
Diversion jedenfalls noch nicht fix
Bei Wöginger sei durch seine Aussage „eine ehrliche innere Umkehr“ bemerkt worden. Doch der Entschluss der Staatsanwälte, einer Diversion zuzustimmen, ist keine rechtliche Bindung. Man müsse darüber Bericht erstatten und es könne noch dagegen Einspruch erhoben werden. Dann geht der Fall zum Oberlandesgericht.
Jetzt müssen der Erstangeklagte 17.000 Euro, der Zweitangeklagte 22.000 Euro und Wöginger 44.000 Euro zahlen. In diesen Summen sind auch die Verfahrenskosten enthalten. Zusätzlich muss jeder Angeklagte 500 Euro als symbolischen Betrag an die übergangene Kandidatin für die Leitung des Finanzamts zahlen. Alle drei nahmen nickend das Angebot an. Der Vertreter der Doch-Nicht-Finanzamtschefin nahm den Spruch zur Kenntnis, behält sich aber noch eine Zivilklage vor, wenn dies seine Mandantin wünsche.
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