Projekt „Tango“: Der Vorstandsvorsitzende der börsennotierten Hugo Boss AG wollte mit dem Tiroler Finanzjongleur im ersten Halbjahr 2023 im Verborgenen eine „Fashion Investment Group“ aufbauen.
Daniel Grieder, Vorstandschef der Hugo Boss AG, und Signa-Gründer René Benko verbindet nicht nur eine geschäftliche Zusammenarbeit, sondern auch eine langjährige private Beziehung. Beide teilen eine Vorliebe für exklusive Rückzugsorte – sei es in den Bergen oder am Gardasee.
Immer wieder traf man sich im Chalet N, das nach wie vor zum Besitz einer Benko-Stiftung zählt. Auch am Gardasee ließen sich die engen Bande vertiefen: Als Grieder 2022 dort seine Traumhochzeit feiert, ist Benko mehr als nur ein Gast.
Der Immobilienspekulant involviert sich intensiv in organisatorische Details. Gäste werden in der Villa Eden Gardone untergebracht. Sogar Ausgaben der „SIGNA Times“, einer Unternehmenspublikation der mittlerweile finanzmaroden Signa Holding, liegen in den Villen auf. In zweisprachiger Form. Selbst die Abrechnung der Hochzeit läuft über Benkos Schreibtisch.
Gewagter 3-Stufen-Plan
Diese persönliche Nähe bildet die Basis für ein ambitioniertes Geheimprojekt, das Grieder und Benko laut Recherchen von „Krone“ und „News“ im Jahr 2023 gemeinsam verfolgten: den Aufbau einer „Fashion Investment Group“. Unter dem Codenamen „Tango“ sollte der börsennotierte Milliardenkonzern Hugo Boss durch gezielte Investitionen und strategische Maßnahmen transformiert werden – ein gewagtes Vorhaben, das nicht nur die Grundsätze einer guten Unternehmensführung bei Hugo Boss, sondern auch mögliche Interessenskonflikte ins Rampenlicht rückt.
Grieder gilt als Star im Mode-Management, bis 2020 war er Chef bei Tommy Hilfiger, seit 2021 ist er der Boss bei Hugo Boss. Erst vor einem Monat wurde der 63-Jährige als „CMO of the Year“, Deutschlands höchste Auszeichnung für die Funktion des „Chief Marketing Officer“, ausgezeichnet.
Mit welcher Verwegenheit die Geheimpläne mit Benko vorangetrieben wurden, zeigt sich in einer streng vertraulichen Präsentation, die Boss-Chef Daniel Grieder am 26. März 2023 von seiner privaten E-Mail-Adresse an den Tiroler Finanzjongleur verschickt. Darin enthalten: Grafiken zur Gesellschafts-Struktur sowie ein Drei-Stufen-Plan.
Sogar Adidas war im Visier
Phase 1: Die Gruppe um Grieder sollte ein sogenannter Anker-Investor werden. Geplant war der schrittweise Kauf von Hugo Boss-Aktienpaketen. Organisiert und abgewickelt werden sollte die „Fashion Investment Group“ von den Grieder-Vertrauten Christoph Zeiss und Martin Weckwerth. Der Headhunter Zeiss hatte Grieder als Vorstandschef zu Hugo Boss vermittelt, der Manager Weckwerth war bereits Mitglied im Boss-Vorstand und sollte laut Grieder erneut ins Führungsgremium einziehen. Grieders Begründung in der Mail an Benko: „Damit ich Beschlüsse schneller durchziehen kann“.
Phase 2 sah Beteiligungen außerhalb von Hugo Boss vor. Etwa an der Weltmarke Adidas oder potenziellen Übernahmezielen wie Bally oder Bogner.
In Phase 3 sollte dann die endgültige Etablierung einer unabhängigen „Fashion Investment Group“ gelingen. Erst dann sollte Grieder, nach seinem Abschied bei Hugo Boss, offiziell als Big Boss auftreten.
„Wird den Aktienkurs extrem hochtreiben“
Brisanz besitzt Grieders Mail an den „lieben Rene“ aus mehreren Gründen: Zum einen wollte der Boss-Vorstandsvorsitzende auch seine beiden Vorstandskollegen an der „Fashion Investment Group“ beteiligen. In der Nachricht an Benko schreibt er dazu, er würde sie „gerne minimal in den Deal einschließen, da sie ja auch für das Resultat und die Verdoppelung vom Aktienkurs bei HB (Hugo Boss, Anm.) wichtig sind und ich auch im Boot haben möchte. Auch hier können wir wieder diskutieren, ob ich sie mit meinem Teil übernehme oder wir uns die teilen.“
Zum anderen schließt Grieder seine Mail an Benko vom 26. März 2023 mit folgenden Worten:
„Wie erwähnt müssen wir schnell umsetzen, da ich am 12. Juni, am Investor Day, die erweiterte Strategie verkünden werde. D.h. statt 4 Mia 5 Mia Umsatz sowie 12% EBIT bis 2025. Dies wird den Aktienkurs extrem hochtreiben, denke ich. Passt dies? Lieber Gruss, Daniel.“
Teile dieser Strategie stellte Hugo-Boss-Chef Grieder schließlich tatsächlich am Investorentag vor.
Warum verrät der Vorstandschef eines börsennotierten Konzerns dem Finanzjongleur Benko Monate vorher Teile seiner Strategie? Das ist nur eine der vielen Fragen, die das Geheimprojekt „Tango“ aufwirft. Weitere wären: War der Aufsichtsrat von Hugo Boss über die detaillierten Pläne informiert? Wurden alle aktienrechtlichen Bestimmungen eingehalten? Und welche Konsequenzen ergeben sich aus dem engen zeitlichen Zusammenhang zwischen den Planungen und Aktienkäufen durch Grieder und seine Ehefrau, die im Februar 2023 Boss-Aktien im Wert von knapp 1,5 Millionen Euro erwarb?
Hugo Boss und Vorstandschef Daniel Grieder ließen sämtliche Anfragen zu diesem Sachverhalt seit Mittwoch unbeantwortet. Auch Benkos Anwalt gab keine Stellungnahme ab.
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