Der Krieger

Wie Viktor Orban der Umbau Ungarns gelang

Ausland
08.10.2016 08:11

Ungarns verhaltensauffälliger Problem-Regierungschef Viktor Orban war einst als demokratischer, linksliberaler (!) Hoffnungsträger angetreten. Seine Wandlung zu einem nationalreaktionären Populisten, seine Herrschaftstechnik und seine Umwandlung Ungarns in eine neuartige "autoritäre Führerdemokratie" beschreibt Paul Lendvai in einem neuen Bestseller messerscharf wie keiner vor ihm. Das Buch gilt bereits jetzt als ein Standardwerk über Orbans Ungarn.

Tenor in dieser Biografie mit vielen Belegen: Orban ist ein Kriegertyp. Er funktioniert wie eine Kriegsmaschine, die alles niederwälzt.

Absoluter Wille zur Macht schon als Student
Lendvai schreibt: "Der absolute Wille zur Macht hat das Charakterbild schon als Studentenführer und während seiner ganzen politischen Karriere geprägt. Wie ein bitterer Gegner einmal formulierte, wollte Orban (in seiner Fußballleidenschaft) immer gleichzeitig Schiedsrichter und Linienrichter, Mittelstürmer und Torhüter sein."

Lendvai zitiert Orban mit dessen eigenen Worten über seinen Lieblingsfilm "Spiel mir das Lied vom Tod": "Eine heroische Geschichte. Am Anfang scheint die Geschichte hoffnungslos zu sein. Tag und Nacht nur Hindernisse, nichts gelingt. Um zu bestehen und zu siegen, genügt es nicht, dass er schießen und mit seiner Faust ordentlich zuschlagen kann. Er muss auch sein Gehirn benützen, und auch die Großherzigkeit darf ihm nicht fremd sein. Das ist sehr wichtig. Du musst deine Feinde begreifen, du musst herausfinden, was sie in Wirklichkeit bewegt, und dann, wenn sich die Dinge zuspitzen, darfst du vor dem Kampf nicht zurückschrecken, greif an und siege!"

Nicht Teamspieler sondern Anführer
"Orban ist mutig und unbarmherzig. Er bittet nicht um Gnade und gewährt sie auch nicht", zitiert Lendvai einen Autor-Kollegen und ergänzt: "Obwohl seine Regierungspraxis zweifellos die Machtkonzentration anstrebt und obwohl manche autoritäre Merkmale unleugbar sind, entspringen diese grundsätzlich den Persönlichkeitsmerkmalen des Regierungschefs, seiner Ungeduld, seiner Einsamkeit, seiner keinesfalls grundlosen Kränkung und seinem hochgradigen Misstrauen. Diese Eigenschaften ergänzen das vielleicht wichtigste Merkmal des geborenen politischen Führers, nämlich seine Durchsetzungskraft, ohne die alles nichts ist. Er ist nicht Teamspieler, sondern der Anführer, der nur seinen eigenen Kräften vertraut und von seinen Freunden und Mitarbeitern absolute Loyalität verlangt."

Und weiter: "Dass er auch an der Macht eine Kämpfernatur geblieben ist, zeigen seine Worte in einem nicht für die Öffentlichkeit bestimmten Gespräch mit Studenten seines alten Bibo-Kollegs: 'Die Politik ist eine Schlacht. Die wichtigste Eigenschaft muss die Fähigkeit sein, Verleumdungen ertragen zu können. Man muss sie ertragen oder abwehren oder noch härter zurückschlagen. Wenn ich auf einer Wiese stehe mit einem großen Schwert und drei mich angreifen, dann kann ich nicht moralisieren oder argumentieren; dann gibt es nur eine Aufgabe, die drei niederzumetzeln.'"

"Jetzt werden starke Führer gebraucht"
Orban 2013: "Menschen wie meinesgleichen möchten etwas Bedeutendes, etwas Außergewöhnliches vollziehen. Die Geschichte gewährt mir diese Chance. In der Führungsposition war ich immer mit historischen Herausforderungen konfrontiert. In der Krise braucht man nicht Lenkung durch Institutionen. Es werden solche Menschen gebraucht, die aussprechen, dass riskante Entscheidungen fallen müssen, und die den Menschen sagen, folgt mir. Jetzt werden starke Führer gebraucht."

Logischerweise ist daher Orbans verschworenes Team aus Studententagen ein Männerbund, seine Fidesz eine Männerpartei und sein Kabinett eine Männerregierung. Aus dem Team ist unterdessen ein korrupter Hofstaat neuer Oligarchen geworden, ein Regieren nach Gutsherrenart. Wäre Ungarn noch nicht EU-Mitglied, würde es heute die Beitrittskriterien nicht erfüllen.

Geschickt verhülltes autoritäres System
Doch Lendvai erinnert: "Der fast mühelose und ohne nennenswerten Widerstand gelungene Aufbau eines geschickt verhüllten autoritären Systems wäre ohne den moralischen Bankrott eines im Sumpf der Korruption und durch politische und wirtschaftliche Inkompetenz immer mehr diskreditierten Systems der Vorgängerregierungen nicht möglich gewesen."

Paul Lendvais Schlussfolgerung zu Orbans Charakterprofil: "Auch nach 30 Jahren bedeutet Politik für ihn Konflikt statt Konsens, Kampf statt Kompromisse. In dieser Hinsicht ist die Biografie Mussolinis sehr lehrreich."

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