"Könnt nicht gehen!"

Tusk “rettete” Gipfel und verhinderte “Grexit”

Ausland
13.07.2015 17:27
"Wir haben ein Agreekment", verkündete EU-Ratspräsident Donald Tusk Montagfrüh nach einem 17-stündigen Verhandlungsmarathon der Staats- und Regierungschefs der Euro-Länder. Wie nervenaufreibend die Gespräche über das Schicksal Griechenlands waren, lässt sich nur schwer erahnen. Doch mittlerweile sind einige Details nach außen gedrungen, die zeigen, dass ein endgültiges Scheitern der Gespräche - und damit der viel zitierte "Grexit" - zum Greifen nahe war. So wollten Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel und ihr griechischer Amtskollege Alexis Tsipras bereits die Verhandlungen verlassen, doch Tusk ließ die beiden laut einem Medienbericht nicht gehen und "rettete" damit wohl den Sondergipfel.

"Sorry, aber es ist ausgeschlossen, dass Sie diesen Raum verlassen", soll der polnische EU-Ratspräsident und Gipfelchef laut der "Financial Times" gesagt und die beiden Regierungschefs wieder zum Verhandlungstisch gebeten haben. Die griechische Regierung hatte zu diesem Zeitpunkt im Morgengrauen des Montags nahezu allen harten Forderungen der Gläubiger zugestimmt. Lediglich die Idee, einen außerhalb Griechenlands angesiedelten Privatisierungsfonds zu gründen, in den Staatsvermögen im Volumen von rund 50 Milliarden Euro eingebracht würden, stieß bei den Griechen auf heftige Kritik.

Mehrere Gipfelteilnehmer rechneten schon mit "Grexit"
Dieses Vorhaben wurde als "Eingriff in die Souveränität des Landes" gewertet. Zahlreiche Regierungschefs sahen nunmehr die Zeit gekommen, sich mit dem Austritt eines Mitglieds der Eurozone aus der Währungsunion abzufinden, wenn auch dieser Fall in den EU-Verträgen gar nicht vorgesehen ist und eigentlich einem Rechtsbruch gleichkäme. Angesichts dieses düsteren Szenarios soll sich der ganze Frust auf die griechische Delegation entladen haben. Ein Teilnehmer des Sondergipfels meinte gegenüber der "Financial Times", dass sich Tsipras von mehreren Amtskollegen anhören habe müssen, was für chaotische Zustände in seinem Land herrschten und wie enttäuscht man über das bisherige Verhalten Athens sei.

Doch durch das nochmalige Beharren Tusks auf weitere Verhandlungen und das Engagement des französischen Präsidenten Francois Hollande, der auch gegen einen temporären Euro-Austritt Griechenlands war - diesen hatte Deutschlands Finanzminister Wolfgang Schäuble beim Euro-Finanzministerrat tags zuvor vorgeschlagen -, konnte in den nächsten Stunden tatsächlich eine Einigung erreicht werden. Deutschland willigte letztlich ein, den Privatisierungsfonds in Griechenland zu errichten. Außerdem sollen auch griechische Behörden mitverwalten dürfen. Damit war der Weg frei für ein drittes Hilfsprogramm und den Verbleib Griechenlands in der Eurozone.

Tsipras als Verlierer: "Sie haben ihn gekreuzigt"
EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker sah nach dem Sondergipfel weder Gewinner noch Verlierer. "Es ist ein Kompromiss. Ich denke nicht, dass das griechische Volk gedemütigt wurde, und ich denke nicht, dass die anderen Europäer ihr Gesicht verloren haben", erklärte Juncker. Ganz so salomonisch sahen es einige Gipfelteilnehmer nach den Strapazen des Wochenendes nicht. Für sie gab es eindeutig eine Person, die am meisten gelitten hatte: "Sie haben Tsipras gekreuzigt. Gekreuzigt", befand ein Diplomat gegenüber der "Financial Times".

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