"Zeit ist gekommen"

Ukraine: “Schoko-König” will baldigen EU-Beitritt

Ausland
07.06.2014 13:47
Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko will sein Land rasch in die Europäische Union führen. "Es ist die Zeit gekommen, eine neue und moderne Ukraine zu errichten", sagte er am Samstag bei seiner Antrittsrede in Kiew. Bei Bundespräsident Heinz Fischer, der an der Zeremonie teilnahm, bedankte sich Poroschenko für die Unterstützung Österreichs. Dem "Schoko-König" Poroschenko, der sein Vermögen mit Süßwaren machte, wird durchaus zugetraut, das Land zu einen - auch wenn er bei er für Zündstoff sorgt.

Poroschenko sagte, die Ukraine werde "sehr bald" den wirtschaftlichen Teil des EU-Assoziierungsabkommens unterzeichnen. Dieses Abkommen sei "ein erster Schritt zur Vollmitgliedschaft in der EU". Die Gäste in der Obersten Rada erhoben sich von ihren Sitzen und applaudierten dem 48-Jährigen bei seinem Bekenntnis zu Europa.

Niemand habe das Recht, die Ukraine auf ihrem Weg in die EU zu stören, sagte der Milliardär angesichts von Versuchen Russlands, den Westkurs der Ex-Sowjetrepublik zu bremsen. Poroschenkos Vorgänger Viktor Janukowitsch hatte Ende November auf Druck Russlands vom bereits fertig ausverhandelten EU-Assoziierungsabkommen Abstand genommen. Daraufhin brach ein Volksaufstand aus, der Janukowitsch aus dem Amt fegte und das Land an den Rand eines Bürgerkriegs brachte.

"Krim bleibt ukrainisch"
Nach seinem Amtseid kündigte der Oligarch an, alles für die Einheit des Landes zu tun und bekräftigte den Anspruch auf die im März von Russland annektierte Schwarzmeer-Halbinsel Krim. In dieser Frage könne es keinen "Kompromiss" mit Russland geben, betonte Poroschenko. "Die Krim war, ist und bleibt ukrainisch." Den mehrheitlich russischsprachigen Regionen des Landes stellte er mehr Selbstverwaltungsrechte in Aussicht, lehnte die von den Separatisten geforderte Föderalisierung des Landes aber ab.

Er wolle nun in die von blutigen Kämpfen erschütterte Ostukraine reisen, um im Raum Donezk einen Friedensplan vorzustellen, sagte der Staatschef. Dort kämpfen von Kiew eingesetzte Truppen gegen prorussische Separatisten, die Poroschenko nicht anerkennen. "Ich will keinen Krieg, und ich will keine Rache. Ich möchte Frieden, und ich möchte, dass es zum Frieden kommt", betonte der Politiker, der von Moskau wiederholt wegen des gewaltsamen Vorgehens gegen den Separatisten kritisiert worden war.

Poroschenko will baldige Neuwahlen
Poroschenko sprach sich zudem für baldige Neuwahlen eines Parlaments aus. Nach dem Sturz von Präsident Janukowitsch im Februar sollen mit der Wahl auch in der Obersten Rada die Kräfteverhältnisse geklärt werden. Janukowitsch war nach blutigen Unruhen im Februar vom Parlament in Kiew abgesetzt worden, in einem von Experten als verfassungsrechtlich zweifelhaft kritisierten Schritt. Die Absetzung erfolgte, nachdem Anhänger des umstrittenen Präsidenten unter dem Druck der Straße ins Lager der prowestlichen Opposition übergelaufen waren.

Unter den 50 Staatsgästen waren auch US-Vizepräsident Joe Biden, der deutsche Bundespräsident Joachim Gauck sowie der weißrussische Präsident Alexander Lukaschenko. Bundespräsident Fischer betonte im Vorfeld der Amtseinführung, Österreich gehöre für den neuen ukrainischen Präsidenten zu jenen Ländern, "auf die er die meisten Hoffnungen setzt, was die Fähigkeit betrifft, Positionen näher aneinander heranzurücken".

Poroschenko bedankte sich für Österreichs Unterstützung
Poroschenko bedankte sich in einem persönlichen Gespräch mit Fischer für die Unterstützung Österreichs. Der Neo-Präsident habe zudem seine Hoffnung auf eine weitere gute Zusammenarbeit zum Ausdruck gebracht, teilte der Sprecher Fischers, Bruno Aigner, nach der Angelobungszeremonie mit. Fischer sprach im Anschluss von einer "eindrucksvollen Zeremonie". Der Bundespräsident unterstrich nach Angaben Aigners, dass Poroschenko seine Rede zum Teil auf Russisch gehalten und weitgehend der Zukunft einer friedlichen, stabilen und geeinten Ukraine gewidmet habe.

Putin nicht bei Zeremonie
Russland war bei der Zeremonie nur durch seinen Botschafter vertreten. Moskau sprach bisher nur von Respekt für die Wahl des ukrainischen Volkes und nicht - wie vom Westen gefordert - von einer Anerkennung des Ergebnisses. Allerdings kam es am gestrigen Freitag am Rande der Feiern zum 70. Jahrestag der Landung der Aliierten in der Normandie zu einer ersten kurzen Begegnung Poroschenkos mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin.

"Schoko-König" als Spitzenpolitiker
Unter dem Markennamen "Bombonetti" exportiert Petro Poroschenko seine Schokolade auch in die Europäische Union. Dorthin will er als neuer ukrainischer Staatspräsident auch sein tief zerrissenes Heimatland führen. Poroschenko, der Teile seiner Antrittsrede am Samstag demonstrativ auf Russisch hielt, wird von vielen Ukrainern zugetraut, das Land zu einen.

Zugute könnte dem 48-jährigen milliardenschweren Schokoladenfabrikanten dabei eine Eigenschaft kommen, die man auch als Opportunismus kritisieren könnte. Poroschenko mischt nämlich schon seit Jahren in der ukrainischen Politik mit und hat dabei große Wendigkeit bewiesen. Er war unter anderem mehrere Monate Außenminister unter der prowestlichen Führung der Galionsfiguren der Orangen Revolution, Präsident Viktor Juschtschenko und Ministerpräsidentin Julia Timoschenko. Während der Amtszeit des gestürzten Präsidenten Viktor Janukowitschs hatte er ein knappes Jahr das Wirtschaftsressort inne. Weitere Spitzenämter waren Chef des Nationalen Sicherheitsrats sowie Ratsvorsitzender der Nationalbank.

Proteste finanziell unterstützt
Nach Einschätzung von Experten gilt er als vergleichsweise "sauberer" Oligarch. Hoch angerechnet wurde ihm auch, dass er sich nach Beginn des Volksaufstandes gegen Janukowitsch schon früh auf die Seite der proeuropäischen Demonstranten am Kiewer Maidan stellte. Sein Fernsehsender Kanal 5 gab der Opposition ein Forum, und er unterstützte die Proteste auch finanziell.

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