Am Freitag tagen die Agrarspitzen der EU in Brüssel, um ein neues EU-Saatgutrecht zu beschließen – mit verheerenden Folgen für die heimische Landwirtschaft.
Europa steht vor einer entscheidenden Weiche: Schon morgen will die dänische Ratspräsidentschaft bei einem Treffen der Landwirtschafts-Attachés testen, ob der Vorschlag für ein neues EU-Saatgutrecht ausreichend Rückhalt hat. Für Landwirte, Züchter und Konsumenten könnte das massive Folgen haben. Die Zeit drängt: Wenn in den kommenden Tagen keine Kurskorrektur erfolgt, droht ein System, das die Vielfalt unserer Kulturpflanzen ernsthaft gefährdet.
Vielfalt droht verboten zu werden
Der aktuelle Entwurf der Landwirtschaftsminister sieht (wohl auch auf Druck der Milliarden schweren, multinationalen Agrokonzerne vor, die Vermarktung neu entwickelter, regional angepasster Sorten massiv einzuschränken. Besonders betroffen wären Getreide, Erdäpfel und Ölpflanzen. Während Obst und Gemüse noch Ausnahmen genießen könnten, stünden andere Kulturen auf der Abschussliste.
Heimische Saatgutfirmen und Landwirte könnten ihre Arbeit nicht mehr wie gewohnt fortsetzen. Regionale Züchtungen würden aus den Feldern verschwinden, Konsumenten müssten auf lokale Spezialitäten verzichten. Ein Rückschlag, der die Ernährungssouveränität Europas bedroht und Anpassung an den Klimawandel massiv erschwert.
200 Organisationen schlagen Alarm
Über 200 Organisationen – darunter ARCHE NOAH, IFOAM Organics Europe, Via Campesina, die deutsche Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft und führende Zuchtverbände – warnen eindringlich vor den Folgen des aktuellen Ratsentwurfs.
Wenn die Landwirtschaftsminister ihren Kurs nicht korrigieren, riskieren wir ein Saatgutsystem, das Innovationen blockiert, und regionale Sorten verdrängt.
Magdalena Prieler, Arche-Noah Expertin
Die Organisationen fordern, dass die Weitergabe von Saatgut zum Erhalt der Vielfalt aus dem neuen Gesetz ausgenommen wird, wie es in Österreich bereits der Fall ist. Auch müsse die Freiheit der Landwirte, Saatgut untereinander weiterzugeben, gesichert bleiben, und der administrative Aufwand dürfe kleine Betriebe nicht überfordern.
Schicksalsfrage naht – Weichenstellung für die Zukunft
Bereits in wenigen Stunden sollen die Agrar-Attachés in Brüssel – auf Drängen der dänischen Ratspräsidentschaft den Weg für eine endgültige Ministerposition ebnen. Danach wird Mitte Dezember auf Botschafterebene abgestimmt.
Sollte die aktuelle Position des Rates bestehen bleiben, würde dies bedeuten: Die Züchtung regional angepasster Sorten von Getreide, Erdäpfeln oder Ölpflanzen wäre faktisch verboten. Prieler warnt: „Das ist ein Arbeits- und Innovationsverbot. Heimische Saatgutfirmen, Landwirte und Konsumenten würden gleichermaßen im Regen stehen. Den einen verbietet man die Arbeit, den anderen fehlen Sorten, um sich an den Klimawandel anzupassen, und die dritten müssen auf regionale Spezialitäten verzichten.“
Alarmstufe Rot
Österreichs Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig hält sich bisher bedeckt. Trotz mehr als 200.000 Unterschriften für die Petition „Hoch die Gabeln – für die Vielfalt“ wurde die Übergabe bisher auf Beamtenebene verschoben. Prieler appelliert umso eindringlicher: „Der Torschluss naht. Minister Totschnig muss Verantwortung übernehmen – für Vielfalt, Resilienz und die Zukunft der Landwirtschaft.“
Kritiker sehen in der aktuellen Ratsposition den Einfluss der marktbeherrschenden Agrochemie-Konzerne. Die Politik scheine entweder die Tragweite eines neuen Saatgutrechts nicht zu verstehen oder folgt den Vorgaben der Industrie blind.
Drohende Folgen für Landwirtschaft und Konsumenten
Die Konsequenzen eines zu strikten Saatgutrechts wären dramatisch: Innovationen in der Pflanzenzüchtung würden blockiert, regionale Sorten könnten verschwinden, die Versorgung mit klimaangepassten Pflanzen wäre gefährdet. Landwirte müssten auf teures Industrie-Saatgut zurückgreifen, heimische Züchtungen könnten nicht mehr weitergegeben werden.
Für Konsumenten bedeutet das weniger Auswahl, höhere Preise und eine stärkere Abhängigkeit von globalen Konzernen. Ein klarer Rückschritt für die Ernährungssouveränität Europas – und ein Signal, dass wirtschaftliche Interessen über den Schutz der biologischen Vielfalt gestellt werden.
Alarm für Europas Saatgutvielfalt
Europa steht an der Schwelle zu einem System, das Vielfalt, Innovation und Resilienz bedroht. Wenn die Minister ihren Kurs nicht sofort ändern, droht ein faktisches Verbot regional angepasster Sorten, die Landwirtschaft wird geschwächt, heimische Betriebe und Konsumenten verlieren. Die kommenden Tage entscheiden über die Zukunft der Saatgutvielfalt – und es ist noch Zeit, das Ruder herumzureißen.
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