Zum 70. Jahrestag ihrer Wiedereröffnung stellt sich die Wiener Staatsoper mit Ausstellung, Publikation und neuer Gedenktafel ihrer durchaus zwiespältigen Nachkriegsvergangenheit.
„O Gott! Welch ein Augenblick! O unaussprechlich süsses Glück! Gerecht, o Gott, ist dein Gericht! Du prüfest, du verlässt uns nicht.“ So flehten innig erfüllt Martha Mödl als Leonore, Anton Dermota als Florestan, Irmgard Seefried als Marcelline, Waldemar Kmentt als Jaquino und natürlich der Staatsopernchor unter der Leitung von Karl Böhm am Abend des 5. November 1955 als Beethovens „Fidelio“ vorm Jubelfinale stand.
Ein Datum, das nach der Unterzeichnung des Staatsvertrags im Mai, vielen als jener Tag gilt, an dem symbolhaft tatsächlich die freie Nachkriegszeit in Österreich tatsächlich begann: An jenem Samstag vor 70 Jahren wurde die wiederaufgebaute Wiener Staatsoper feierlich eröffnet.
Gedenktafel für die NS-Opfer an der Staatsoper
Ein Festakt mit Bundespräsident Alexander Van der Bellen an der Spitze erinnerte nun an diesen denkwürdigen Tag. Dabei sprach der aktuelle Direktor Bogdan Roščić auch die ausgebliebene Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit zum vermeintlichen Neustart 1955 an, mit dem Neuengagement belasteter Künstler gepaart mit der ausbleibenden Einladung an Vertriebene: „Der Akkord aus Wahrheit und Lebenslüge“ sei nicht nur in Österreich allgemein, sondern auch an der Staatsoper dominant gewesen, bevor sich die Direktionen ab den 1980ern der Geschichte stellten, so Roščić.
Dementsprechend war der Jahrestag auch Anlass, um im Arkadengang am Ring eine Gedenktafel zu enthüllen, die an die im Nationalsozialismus ermordeten und vertriebenen Mitglieder der Staatsoper erinnert. So mussten mehr als 100 Mitarbeitende nach dem „Anschluss“ aufgrund ihrer jüdischen Herkunft die Oper verlassen. Oberhalb des Schriftzuges ist das Relief einer Trauernden von Käthe Kollwitz angebracht.
Ausstellung und Publikation
Für Bundespräsident Alexander Van der Bellen stellte sich die Frage, warum ein Dirigent wie Karl Böhm die Wiedereröffnung mit Beethovens „Fidelio“ musikalisch leiten konnte – und damit erneut als Direktor des Hauses antrat. Immerhin war Böhm 1945 aus seiner ersten Amtszeit von den alliierten Besatzungsbehörden wegen zu großer Nähe zum NS-Regime aus dem Amt entfernt worden. Dazu wurde er, so wie auch Herbert von Karajan, mit einem Auftrittsverbot belegt. „Ich habe nie recht verstanden, wie die Hochkultur und die Gräueltaten Hand in Hand gehen können“, gestand Van der Bellen dazu.
Eine Ausstellung im Balkonumgang des Hauses widmet sich noch bis Ende Jänner 2026 mit Fotografien und einigen Exponaten der Zerstörung und dem Wiederaufbau der Staatsoper.
Begleitet wird die Schau mit der von Bogdan Roščić herausgegebenen Publikation „Im Palast der Selbsterfindung“, die sich mit den Ereignissen von der Zerstörung 1945 bis zur Inauguration des Aufbauwerks in Essays und mit historischen Fotos auseinandersetzt.
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