Hochwasserschutz Rhesi

„Im Grunde haben wir hier Wüste, Einöde“

Vorarlberg
01.09.2025 06:15

Der Zustand des Rheins ist derzeit laut Experten ökologisch „unbefriedigend“. Auch das soll sich durch das Hochwasser-Schutzprojekt Rhesi ändern. Im Februar 2026 könnte das Projekt zur Genehmigung eingereicht werden, der Baustart könnte „noch in diesem Jahrzehnt“ erfolgen. 

Der Alpenrhein zwischen Österreich und der Schweiz fließt seit seiner Regulierung als begradigter Kanal in den Bodensee. In einigen Jahrzehnten wird sich dort ein verflochtener Fluss durch Kiesbänke und Auwald schlängeln. Denn im Zuge des „Rhesi“-Projekts („Rhein Erholung Sicherheit“) wird nicht nur der Hochwasserschutz verbessert, der Fluss wird auch möglichst naturnah gestaltet. Baustart soll „noch in diesem Jahrzehnt“ sein, geht es nach Gesamtprojektleiter Markus Mähr.

Erst die Rheinregulierung beendete die jahrhundertelang wiederkehrende „Rheinnot“. Die mit der Schweiz ab 1892 umgesetzten Flussbauwerke an dem Grenzfluss halten derzeit einer Abflussmenge von 3100 Kubikmeter pro Sekunde stand und damit einem 100-jährlichen Hochwasser. Die Vorländer, Flächen zwischen Innen- und Außendämmen, dienen als Überflutungsraum. Die Hochwasserdämme sind teilweise über 100 Jahre alt und müssen erneuert oder saniert werden. Bis 2040 sollen die Dämme von der Ill- bis zur Bodenseemündung zudem auf 4300 Kubikmeter pro Sekunde Ablaufkapazität ausgebaut werden, damit wäre man für ein 300-jährliches Hochwasser gerüstet. Das Mittelgerinne wird mit Abbau der Innendämme breiter, dazu kommen stabilere, dichtere Außendämme mit bis zu fünf Meter breiten Kronen.

Einreichung im Februar 2026 geplant
Der vierte Staatsvertrag mit der Schweiz, der Finanzierung und Neuorganisation der Internationalen Rheinregulierung (IRR) regelt, trat mit 1. Juli 2025 in Kraft. IRR-Geschäftsführer Markus Mähr und sein Team arbeiten derzeit mit Hochdruck an der Fertigstellung des Rhesi-Einreichprojekts. „Geplant ist, das Projekt den Behörden im Februar 2026 zur Genehmigung vorzulegen“, erkärte Mähr. Über 500 Unterlagen müssen dafür vorbereitet werden. Bis zu fünf Jahre könnte es dann bei Einsprüchen bis zum Baustart noch dauern. Die Bauzeit beträgt 20 Jahre, die Kosten belaufen sich auf 2,1 Milliarden Euro.

Der Rhein soll durch den Umbau im Zuge von Rhesi für ein dreihundertjähriges Hochwasser gerüstet ...
Der Rhein soll durch den Umbau im Zuge von Rhesi für ein dreihundertjähriges Hochwasser gerüstet sein.(Bild: Rheinregulierungsporjekt Rhesi)

Der Klimawandel macht Sorgen
„Wir wollen das Projekt endlich umsetzen“, so Mähr. Eile tut auch not: Rein statistisch wäre ein 300-jährliches Hochwasser bald fällig, heute würde ein solches 300.000 Menschen gefährden und bis zu 13 Milliarden Euro Schaden verursachen. Zudem werden durch den Klimawandel Extremwetterereignisse häufiger. So zeigte sich Mähr wegen der Erwärmung des Mittelmeers besorgt, durch solche Tiefs können große Regenmengen im Einzugsgebiet des Rheins niedergehen. Zwei Staaten stünden voll hinter dem Projekt, Einsprüche könnten die Errichtung des besseren Hochwasserschutzes darum wohl kaum aufhalten, aber durchaus verzögern, gab Mähr zu bedenken. Er rechnete „noch in diesem Jahrzehnt“ mit dem Baustart. Begonnen wird bei Fußach.

Zugleich muss die Ökologie des Flusses verbessert werden, das sehen Schweizer und EU-Gesetze bei Gewässereingriffen vor. Aufgrund der Siedlungsdichte ist eine Renaturierung nicht auf den gesamten 26 Flusskilometern möglich. So müssen Trinkwasserversorgung, Verlauf von Autobahnen und Starkstromleitungen berücksichtigt werden, dazu spielt Finanzierbarkeit eine Rolle. „Es ist ein Hintasten an die optimale Lösung“, so Mähr über die seit 14 Jahren andauernden, komplexen zweistaatlichen Planungen, die möglichst viele Interessen ernst nehmen wollen.

Ökologischer Zustand des Alpenrheins derzeit „unbefriedigend“
Derzeit gibt es an den Innen- und Außendämmen Magerwiesen mit bis zu 150 Arten an Wildbienen und Laufkäfern, auch seltene Orchideen wie die Bienen- und die Hummelragwurz. Nur wenig Artenvielfalt findet sich dagegen im und am Fluss sowie in den Vorländern. Der ökologische Gesamtzustand des Alpenrheins erhielt von Fachleuten daher das Prädikat „unbefriedigend“. „Und das ist noch beschönigend: Im Grunde haben wir hier Wüste, Einöde – nicht nur aquatisch, auch terrestrisch“, hielt Rhesi-Gewässerökologe Fredy Elber zum Ist-Zustand fest.

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Wir tun nun aber eben das Möglichste, um den Fluss wieder naturnah zu gestalten

Fredy Elber

„Es gibt zum Beispiel kaum Fische im Rhein“, erklärte Elber. Die Fließgeschwindigkeit des Flusses ist für deren Aufenthalt oder gar Reproduktion zu hoch, das gilt auch für viele andere Wasserlebewesen. Dazu kommt die Belastung durch Schwall-Sunk, also durch Kraftwerksbetrieb erzeugte Wasserschwankungen, etwa an der Ill, dem größten Nebenfluss des Alpenrheins. Letzteres Problem werde auch nach RHESI bleiben. „Wir tun nun aber eben das Möglichste, um den Fluss wieder naturnah zu gestalten“, betonte Elber.

Kernlebensräume sollen Natur des Alpenrheins zurückbringen
Aufweitungen, sogenannte Kernlebensräume, kompensieren weniger renaturierbare Engstellen. An der Einmündung der Frutz in den Rhein ist der größte „Kernlebensraum“ geplant, der Fluss soll hier bis zu 400 Meter breit werden dürfen. Verästelungen, Kiesbänke, Auwald und Stillwasserzonen sollen sich bilden. Verschwundene Arten wie Flussregenpfeifer und andere Kiesbankbrüter, Eidechsen, Schmetterlinge, Libellen, Muscheln und Krebse sollen sich über die Vernetzung zum Land und zum Bodensee wieder ansiedeln. Laut Mähr braucht es die große Aufweitung, weil Auwald erst auf über Jahre stabilen Bereichen ab etwa 280 Metern Breite entstehen kann. „Je breiter ein Fluss ist, desto mehr verschiedene Lebensräume bietet er. Früher war der Rhein bis zu einem Kilometer breit“, so Mähr mit Verweis auf alte Karten und geologische Untersuchungen.

Von naturnah kann beim Rhein derzeit keine Rede sein.
Von naturnah kann beim Rhein derzeit keine Rede sein.(Bild: Raumplanung/Land Vorarlberg)

Weitere Kernlebensräume sind bei Mäder-Kriessern (Bez. Feldkirch/Kanton St. Gallen) und Lustenau-Widnau  vorgesehen, zudem ist eine Aufweitungsstrecke vor der Bodenseemündung geplant. Über diese können Arten wie auf Trittsteinen Fuß fassen und zwischen den Refugien wandern. Eine Herausforderung ist die Bauzeit, die vor allem seltene Arten gut überstehen sollen. So werden vor Baubeginn Pflanzen mitsamt Soden vorsichtig entnommen und an geeigneter Stelle „geparkt“, um später wieder angesiedelt zu werden, wie Elber erläuterte.

Weitgehend wieder naturnaher Rhein in 80 Jahren
Im und am Wasser des Rheins wird sich die Biodiversität laut dem Gewässerökologen bereits zehn Jahre nach Rhesi deutlich verbessert haben, Auwald werde einige Jahrzehnte länger brauchen. Spätestens in 80 Jahren sollte der Fluss wieder weitgehend naturnah sein. Ein Naturschutzgebiet ist laut den Rhesi-Verantwortlichen nicht geplant, vorgesehen ist vielmehr eine „sanfte Besucherlenkung“, die die Kernlebensräume über Aussichtsplattformen schont, so Mähr. Für Menschen wird es an anderer Stelle neue Räume zur Naherholung mit Wasserzugang geben.

Hochwasserschutz bleibt Hauptziel
Frei von menschlichem Zutun wird der Rhein auch zukünftig nicht sein. „Gerade in den ersten Jahren nach dem Bau wird er sogar noch stärker überwacht als bisher“, versicherte Mähr. So erfordert etwa die Auwald-Bildung weiter Management, ebenso die jährlich bis zu 90.000 Kubikmeter Kies und Sand, die der dann langsamere Fluss nicht mehr mit in den Bodensee nehmen sondern entlang des Laufs anlanden wird. Bei gleichbleibender Entnahmemenge wird über weitere Entnahmestellen die Höhe der Flusssohle und damit der Hochwasserschutz stabil gehalten. „Der Hochwasserschutz bleibt immer das Hauptziel“, betonte Mähr. Die Menschen im Rheintal und alle Gemeinden stünden heute hinter Rhesi. Das Bewusstsein dafür sei hoch, schließlich gehe es um das Wohl aller im Rheintal.

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