Migranten suchen weniger häufig ein Krankenhaus auf, als Menschen mit österreichischer Staatsbürgerschaft. Sie nutzen das Gesundheitssystem weniger, werden aber eher wieder aufgenommen, berichteten Wiener Forscher im „Journal of Migration and Health“.
Rund 20 Prozent der heimischen Bevölkerung haben keine österreichische Staatsbürgerschaft. Diese Personengruppe stellt allerdings nur 9,4 Prozent der Krankenhauspatientinnen und -patienten.
Deutsche bilden die Ausnahme
Um herauszufinden, wie das heimische Gesundheitssystem genutzt wird, analysierte das Team des Complexity Science Hub (CSH) Vienna und der Medizinischen Universität (MedUni) Wien rund 13 Millionen Krankenhausaufenthalte von vier Millionen Personen zwischen 2015 und 2019 in Österreich. Migrantinnen und Migranten, die hierzulande ohne österreichische Staatsbürgerschaft leben, weisen demnach deutlich geringere Hospitalisierungsraten auf – mit einer Ausnahme: Auf Deutsche entfallen pro Kopf die meisten Krankenhausaufenthalte.
Nordmazedonier, Kroaten und Serben kaum im Spital
Bei den Männern liegen die Österreicher vor Slowaken und Italienern, am seltensten im Spital sind laut der Analyse Nordmazedonier, Kroaten und Serben. Bei den Frauen führen, wenn man Schwangerschaftsaufenthalte nicht berücksichtigt, Deutsche vor Syrerinnen und Österreicherinnen, am geringsten ist die Hospitalisierungsrate bei Russinnen, Nordmazedonierinnen und Serbinnen. Diese Rate gibt an, mit welcher Wahrscheinlichkeit eine Person einer bestimmten Staatsangehörigkeit innerhalb eines Jahres im Spital landet.
Im Gegensatz dazu ist die Wiederaufnahmerate, also wie häufig Menschen innerhalb eines Jahres erneut ins Krankenhaus aufgenommen werden, bei Migrantinnen und Migranten höher als bei Personen mit österreichischer Staatsbürgerschaft. Das könnte ein möglicher Hinweis darauf sein, dass ihre ersten Krankenhausbesuche schon in fortgeschritteneren Krankheitsstadien erfolgen, so Erstautorin Elma Dervic vom CSH in einer Aussendung.
Wiederaufnahmerate bei Syrern am höchsten
Bei Männern liegen hier Syrer vor Russen und Afghanen. Nur bei Ungarn ist die Wiederaufnahmerate deutlich niedriger als bei Österreichern. Bei den Frauen betrifft das vor allem Afghaninnen, Serbinnen und Deutsche, das Schlusslicht bilden Nordmazedonierinnen. Aber auch bei Türkinnen, Italienerinnen und weiteren Nationen liegt die Wiederaufnahmerate unter jener der Österreicherinnen.
Um zu verstehen, wieso Migrantinnen und Migranten seltener ins Krankenhaus kommen, wurde ein Blick auf den sogenannten „Healthy-Migrant“-Effekt und mögliche Zugangshürden geworfen. Von ersterem spricht man, wenn Menschen, die in ein anderes Land ziehen, relativ jung und gesünder als die dortige Durchschnittsbevölkerung sind. Wäre dies für geringere Hospitalisierungsraten verantwortlich, dürften allerdings auch die Wiederaufnahmeraten nicht erhöht sein.
Zugangshürden oder überdurchschnittlich gesund?
Zugangshürden wie sprachliche oder kulturelle Barrieren könnten ebenfalls zu geringeren Raten beim Krankenhausaufenthalt führen. Das würde erhöhte Wiederaufnahmeraten erklären, weil Erkrankungen bereits weiter fortgeschritten sind. Mit dem „Healthy Migrant“-Effekt im Einklang sei, dass beispielsweise Personen aus Ungarn, Rumänien und – im Fall von Frauen – der Türkei geringere Wiederaufnahmeraten haben. Eher auf Zugangshürden deuten erhöhte Raten bei Patientinnen und Patienten aus Russland, Serbien sowie – bei Männern – der Türkei hin.
„Unsere Studie zeigt, dass die unterschiedliche Nutzung des österreichischen Gesundheitssystems durch Menschen verschiedener Nationalitäten nicht allein durch den ‘Healthy Migrant‘-Effekt oder kulturelle Barrieren erklärbar ist“, so Peter Klimek vom CSH und der MedUni Wien. Vielmehr müsse nach Nationalität differenziert werden. Künftige Maßnahmen sollten den Zugang – vor allem zur ambulanten Versorgung – erleichtern. Als Beispiele nannte Klimek Übersetzungsangebote oder Orientierungshilfen im Gesundheitssystem.
Psychische Erkrankungen seltener diagnostiziert
Einen Hinweis darauf, dass migrantische Bevölkerungsgruppen häufiger an chronischen oder schweren Erkrankungen leiden, liefert der Studie zufolge der Vergleich der Erstaufnahmen: So landeten sie seltener in der Allgemein- und Gefäßchirurgie, dafür häufiger in Abteilungen der Inneren Medizin, Hämatologie, Onkologie und Radiologie. Außerdem gebe es Hinweise, dass bei Nicht-Österreicherinnen und -Österreichern psychische Erkrankungen unterdiagnostiziert sind. Bei Personen mit deutscher Staatsbürgerschaft fallen diese Unterschiede deutlich geringer aus.
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