Seit Jahren ermittelte die Polizei in der Steiermark und machte nun einem riesengroßen, international agierenden Drogenring den Garaus. Erschreckend für die Ermittler: die großen Mengen an Suchtgift, sowie die Verwendung von Waffen aller Art, Demütigungen und sogar Folter!
Erst kürzlich wurde am Straflandesgericht Leoben ein Tschetschene (58) zu 6,5 Jahren Haft verurteilt, weil er seine 17-jährige Tochter viele Jahre misshandelte – Schläge mit dem Gürtel, der Hand, Stöße gegen Kommoden waren an der Tagesordnung. Nicht nur der Vater sitzt nun im Gefängnis. Auch seine beiden Söhne haben die Freiheit schon länger nicht mehr gesehen. Der 30-Jährige verbüßt seit 2019 eine Strafe wegen Raubes, sein Bruder (23) befindet sich in Untersuchungshaft.
Denn der Jüngere arbeitete fleißig dem Älteren zu, der von seiner Zelle aus gemeinsam mit einem Jugendfreund (26) einen riesengroßen Drogenclan lenkte – und seine Schwester mit Morddrohungen versuchte zu nötigen, sich von ihrem steirischen Freund zu trennen!
Massive Gewaltbereitschaft, Folter und Erniedrigungen
Ermittlern der steirischen Polizei gelang es in jahrelanger, akribischer Kleinstarbeit in den Operationen „HOST“ (für „Hochsteiermark“= und „Kaukasus“ die vielen Puzzleteile zusammenzubauen und ein rundes Bild zu gestalten. Und dieses ist verheerend, wie die federführende Ermittlerin, Ruth Toniutti und Erich Schnedl, Bereichsleiter der Suchtgift-Gruppe des Landeskriminalamts Steiermark (LKA), informierten.
2022 bemerkten die Kriminalbeamten in den Bezirken Bruck-Mürzzuschlag und im Murtal einen massiven Anstieg an Drogengeschäften mit Kokain- und THC-haltigem Cannabis in ungeahnten Mengen binnen kürzester Zeit, in Verbindung mit teils massiven Gewalteinwirkungen, Drohungen und Demütigungen. Drei Männer wurden festgenommen, dazu ein Lieferant, der sein Schweigen brach – wodurch das eigentliche Ausmaß der Geschäfte ans Tageslicht kam.
Durch straff organisierte Strukturen, wie in einer Firma, inklusive Geschäftsführung, Sekretariat und Logistik, wurden die Drogen in speziell präparierten Koffer per Reisebus zum Beispiel aus Spanien oder Slowenien nach Österreich geliefert. Diese bis zu 80 Kilogramm schweren Lieferungen wurden von den Clan-Mitgliedern abgeholt, welche diese in Luxus-Hotels oder Airbnb-Unterkünfte karrten, dort ausleerten, bebilderten und über Messenger-Dienste die Abnehmer informierten.
So gut wie alle Verdächtigen waren bei ihrer Festnahme bewaffnet. Als Polizist muss man zu jeder Zeit mit allem rechnen.
Ruth Toniutti und Erich Schnedl
Bis Juni dieses Jahres wurden insgesamt 42 Verdächtige festgenommen. Extrem auffällig: „So gut wie alle von ihnen waren bei ihrer Festnahme bewaffnet“, sagen Ruth Toniutti und Erich Schnedl – mit Pistolen, Langwaffen, Macheten, Äxten. Doch wofür? „Das hat mehrere Gründe – um Macht zu beweisen, zum Einschüchtern, und natürlich, um sie bei Bedrohung auch einzusetzen.“ Einer der Haupttäter etwa hatte seine entsicherte, geladene Faustfeuerwaffe in seinem Briefkasten gebunkert, ein anderer trug die entsicherte und ebenso schussbereite Pistole in der Hosentasche mit sich herum.
Zum Teil wurden die Suchtgifte in Reisebussen in Tranchen von bis zu 80 Kilogramm aus dem Kosovo und mit Reisebussen, aber auch Lkw-Transporten von Spanien nach Österreich geschmuggelt.
Bei der Staatsanwaltschaft Graz sind in diesem Zusammenhang mehrere verschiedene Verfahren anhängig.
Sicherstellungen:
Auch von Folteropfern weiß die Polizei. Denn es gibt sowohl Fotos als auch Videos der nur schwer zu ertragenden Szenen. Ein Clan-Mitglied wurde von seinem „Boss“ mit einer Nagelfeile Dutzende Male in den Oberschenkel und danach mit einem Messer in den Oberarm gestochen. Ein anderer wurde stundenlang in einem Hotel festgehalten und malträtiert, ein Mann musste sich auf einem öffentlichen WC entblößen und Grässliches, das nicht in Worte gefasst werden kann, über sich ergehen lassen. Sogar die Mutter eines drogenabhängigen Mädchens wurde mit der Faustfeuerwaffe bedroht, weil das Kind seine 2000 Euro Drogen-Schulden nicht berappen konnte.
Der Weg vom Balkan ist nicht sehr weit. Und dort ist es normal, bewaffnet zu sein. Diese massive Bewaffnung, die wir jetzt bemerken, hat es vor fünf Jahren noch nicht gegeben.
Besorgte Ermittler
Erneuter Ruf nach Einblick in Messenger-Dienste
Was die Ermittler besonders schockiert: „Die Gewaltbereitschaft ist massiv, als Polizist muss man daher ständig mit dem Schlimmsten rechnen.“ Sie betonen, wie wichtig es für die Polizeiarbeit wäre, endlich vorab Einblicke in Messenger-Dienste zu erhalten und nicht erst dann, wenn man endlich einen Verdächtigen festnehmen konnte. Denn: „Da kann schon so viel passiert sein!“
Dieser Fall steht stellvertretend für eine traurige Entwicklung. „Der jüngste Kokain-Abhängige ist erst 13 Jahre alt“, gibt ein Drogen-Ermittler aus dem Murtal Einblick in seine Arbeit. Vor allem Kokain sei mittlerweile keine Nobel-Droge mehr, sondern ein Lifestyle-Produkt. „Die Jungen gehen viel mehr Risiko ein als früher, suchen den Kick. Im schlimmsten Fall endet dieser aber letal!“, warnen die Profis. Gleichzeitig spitze sich die Waffensituation in Österreich immer mehr zu: „Der Weg vom Balkan ist nicht sehr weit. Und dort ist es normal, bewaffnet zu sein. Diese massive Bewaffnung, die wir jetzt bemerken, hat es vor fünf Jahren noch nicht gegeben.“
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