„Krone“-Salzburg-Chefredakteur Claus Pándi kommentiert den Abschied von Wilfried Haslauer aus der Politik.
An einem langen Abend Ende Juli 2023 konnte ich Wilfried Haslauer unter besonderen Bedingungen beobachten: bei der Festspielaufführung von Lessings „Nathan der Weise“ auf der Pernerinsel. Es war grauenvoll heiß. Das Publikum wetzte auf den ungemütlichen Bänken hin und her, alle versuchten sich irgendwie Luft zu verschaffen. Bloß Haslauer saß kerzengerade, nahezu regungslos da, den Krawattenknopf nicht gelockert, folgte er mit unbewegter Miene der vierstündigen, monotonen Wanderung der Schauspieler auf der Drehbühne. Ein Teil des Publikums war in der Pause geflohen. Haslauer harrte aus. Soweit das von meinem Platz aus möglich war, konnte ich keinen Anflug von Erschöpfung, kein Glitzern einer Schweißperle auf Haslauers Gesicht sehen. Auch hätte ich keinen Hinweis entdecken können, ob ihm das Stück gefallen hat oder nicht. Zwischen Wilfried Haslauer und der Außenwelt liegt eine unsichtbare Isolierschicht, die ihn vor weit mehr als nur den Temperaturen schützt.
Disziplin, Form und Manieren zählen zu Haslauers bestimmendsten oder sichtbarsten Eigenschaften. Es geht um Pflichtgefühl und Selbstkontrolle und um den unablässigen Versuch, einem inneren Ideal zu entsprechen, Würde zu bewahren, wenn der innere Halt der Welt brüchig ist.
Leidenschaft nahm ich bei Haslauer wahr, wenn es um seine Reden zur Eröffnung der Festspiele ging. Da erzählte er von Ideen, die er abwog und wieder verwarf, da zitierte er mit Lust Gelesenes und Gedachtes. Er zeigte Freude an Formulierungen, eigenen und fremden, einen Hang zur Ironie, oft gefährlich weit ausgedehnt über den schmalen Grat des Zynismus. Die Reden selbst kleine Kunstwerke der Perfektion in Metrik und Ton. Zuletzt mehr und mehr ins Metaphysische gleitend, die den sonst so beherrscht und kaltblütig wirkenden Wilfried Haslauer von seiner verletzlichen Seite zeigen.
Soll er doch Präsident der Salzburger Festspiele werden!, denk ich mir. Auch wenn er wieder und wieder gesagt hat, das Kapitel sei erledigt. Sei’s drum. Da sind in der Politik schon weitaus größere in die Zukunft reichende Versprechen widerrufen worden.
Den Festspielen gelten Haslauers Aufmerksamkeit und Zuneigung. Wenn einer von den Empfindungen der Anhänglichkeit an die Kultur und den Status des Landes und der Stadt seines Lebens derart durchdrungen ist, wenn einer mehr im Gestern als im Morgen zuhause ist, wenn einer die sprachlichen Finessen der versunkenen Zeiten pflegt, wenn einem die Klänge von Harfen und Posaunen näher sind, als der unablässige und oft vulgäre Krawall aus den polit-medialen Maschinenräumen, dann soll einer wie er die Gelegenheit nützen, der süchtig und selten glücklich machenden Politik mit ihrer Illusion der Macht entkommen zu können. An wenigen Übergängen des Lebens kann man sich von den Schatten der Vergangenheit und den Erwartungen an sich selbst lösen und fragen: Was ist wichtig? Was bleibt? Das Gewicht besteht im Unsichtbaren, nicht im Denkmal; in der Hoffnung, nicht in der Dankbarkeit. Und der Traum weiß es ohnehin besser als die Wirklichkeit.
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