Der steirische Diözesanbischof Wilhelm Krautwaschl hat am Donnerstag im Wiener Stephansdom um die Opfer des furchtbaren Amoklaufs von Graz getrauert. Im Gespräch mit der „Krone“ lässt er in sein Gefühlsleben blicken: „Ich konnte es zuerst gar nicht glauben.“
„Krone“: Herr Bischof, wie haben Sie den schwarzen Dienstag erlebt?
Wilhelm Krautwaschl: Wir haben eine päpstliche Auszeichnung für einen verdienten Mitarbeiter gefeiert, als die ersten Meldungen eintrafen. Ich konnte das im ersten Moment nicht glauben. So eine Tat bei uns, im beschaulichen Graz! Ich war fassungslos. Wir haben sofort gesagt: Hier müssen wir uns engagieren – mit dem, was uns eigen ist. In den abendlichen Messfeiern wurde des Schrecklichen gedacht, vor Ort waren Menschen der Notfallseelsorge, und zusammen mit dem Leiter der steirischen Krisenintervention war ich beim Radio: In der Hoffnung, auf diese Weise den Menschen helfen zu können.
Schon zum zweiten Mal ist Graz betroffen – vor zehn Jahren trauerte Graz wegen der Amokfahrt.
Da war ich gerade zum Bischof geweiht worden und ganz frisch im Amt. Auch das war eine unfassbare Tragödie. Die Frage nach dem Warum wird bleiben, so wie hier auch. Da fehlen die Worte.
Was sagt man jemandem, der angesichts dieses Leids mit Gott hadert?
Zu hadern ist voll in Ordnung. Sogar Jesus hat mit Gott gehadert. Wir sind Menschen mit freiem Willen, und der freie Wille ermöglicht viel Schönes, aber auch viel Grausames. Bei uns, in der Ukraine, im Nahen Osten und an -zig anderen Orten unserer Welt. Gott aber will das Leben – und daher sind wir eingeladen, mit unseren Mitteln, mit dem, was jetzt möglich und sinnvoll ist, zu helfen.
Wir werden an unseren Worten und Taten gemessen werden. Wer sich um ein gutes Leben bemüht hat, wird bei Gott Aufnahme finden.
Diözesanbischof Wilhelm Krautwaschl
Wie kann die Kirche Betroffenen Trost spenden?
Die Kirchen und Religionsgesellschaften sind bei der Krisenintervention beteiligt. Dazu kommen unsere Angebote in der Seelsorge, in den Pfarren, bei Gedenkmessen und Andachten. Wir sind für die Menschen da.
Was passiert im Glauben mit Opfern und Tätern?
Wir werden an unseren Worten und Taten gemessen werden. Wer sich um ein gutes Leben bemüht hat, wird bei Gott Aufnahme finden. Wer zutiefst bereut, und sei es im letzten Moment wie der Schächer neben Jesus am Kreuz, wird Barmherzigkeit erfahren.
Wie kann man wieder zur Normalität zurückkehren?
So, wie es war, wird es nicht mehr. Es bleiben Lücken, Verluste, Bruchstellen. Wichtig ist, mit der Trauer nicht allein zu bleiben. Wichtig ist auch, sich eine liebevolle Erinnerung zu bewahren. Am wichtigsten ist die Gewissheit, dass die Opfer nicht verloren sind. Wir haben ja in diesen Wochen Ostern und Pfingsten gefeiert, die Auferstehung, das Kommen des Heiligen Geistes. Und das dürfen wir erhoffen!
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