Verlässt Josefstadt

„Akute Psychose“ führte zur Tötung des Sohnes (4)

Gericht
02.06.2025 10:13

Eine akut psychisch kranke Frau tötete am 17. November 2024 in ihrer Wohnung in Wien-Favoriten ihren vierjährigen Sohn. Der Ehemann der 29-Jährigen hatte kurz vor der Tat mit seiner Frau ein Wiener Spital aufgesucht, weil ihm ihr psychischer Zustand Sorgen machte. Doch sie wurden heimgeschickt. Nachdem die Psychiaterin ihre Ursprungs-Prognose abgeändert hat, muss die zukünftige Gefährlichkeit nochmals durch einen Gutachter überprüft werden. Bis dahin verlässt die Frau die Josefstadt, wird in einer Wohngemeinschaft untergebracht.

Mit Tränen in den Augen beobachteten die Hausbewohner in Favoriten, wie der kleine Sarg mit dem vierjährigen Buben vom Bestattungsdienst abgeholt wurde. „Der Bub war immer ihr Ein und Alles“, erinnerte sich damals eine Nachbarin beim Lokalaugenschein der „Krone“. In der Nacht hatte eine junge Kindergartenhelferin ihren vierjährigen Sohn erstochen. Im Wahn infolge ihrer schweren Schizophrenie-Erkrankung.

Im Prozess nimmt die 29-Jährige deshalb als Betroffene Platz. Sie war bei der Tat zurechnungsunfähig. Die Geschworenen werden am Montag über ihre Unterbringung in einem forensisch-therapeutischen Zentrum entscheiden. Diese Einweisung kann in bestimmten Fällen auch bedingt ausgesprochen werden.

In diesem Wohnhaus geschah die schreckliche Bluttat.
In diesem Wohnhaus geschah die schreckliche Bluttat.(Bild: Martina Münzer)

Die Krankheit der früheren Kindergarten-Helferin steigerte sich langsam. In der zweiten Novemberwoche berichtete sie ihrem Mann über ein paar ihrer schlimmen Fantasien. Murat G. nahm daraufhin sofort Urlaub – und brachte seine Frau am 14. in eine Klinik, um sie untersuchen zu lassen. Im Erstaufnahmezentrum bei der Klinik sei ihr laut Staatsanwältin ein leichtes Psychopharmaka verschrieben worden, aufgenommen wurde die junge Mutter nicht. „Es wurde von der Ärztin eine Depression und Überforderung angenommen. Die akute Psychose wurde nicht erkannt“, berichtet die Staatsanwältin in dem erschütternden Prozess und Vorsitz von Richter Stefan Apostol.  

Mann wollte aus Sorge wach bleiben
Der Zustand verschlimmerte sich in den kommenden Tagen. Die Frau dachte, dass die Welt abbrennen werde und Gas in ihre Wohnung ströme. Auch dachte sie, dass Männer ihr Kind vergewaltigen wollten. Der Ehemann war besorgt, dass sich die Frau etwas antut. „Er versuchte, die Nacht über wach zu bleiben, schlief aber tragischerweise um 15 Uhr ein“, so die Staatsanwältin. Als er aufwachte, hatte die Frau ein 17,5 cm langes Küchenmesser in der Hand und ging damit auf den gemeinsamen Sohn los. Er konnte das Kind nicht mehr retten. 

Zitat Icon

Ich habe halluziniert. Ich habe Angst um mein Kind gehabt. Ich wollte ihn schützen. Ich habe mein Kind umgebracht.

Die Mutter im Prozess.

„Ich habe halluziniert. Ich habe Angst um mein Kind gehabt. Ich wollte ihn schützen. Ich habe mein Kind umgebracht“, berichtet die Frau über die irrationalen Ängste, die sie in jenen Nächten quälten. Seit sie die Depotspritze bekommt, höre sie keine Stimmen mehr, auch die Ängste sind weg: „Ich bin wieder gesund“, sagt sie. „Ich war nicht ich selbst. Ich war komplett außer mir. Ich habe viel Schlimmes gedacht, Schlüsselgeräusche gehört. Ich habe gedacht, ich muss mein Kind retten.“

Frau wollte Suizid begehen
Der Mann habe geschrien: "Was hast du gemacht?" – „Und dann habe ich erst gesehen, was ich gemacht habe. Mein totes Kind ist im Wohnzimmer gelegen." Nach der Tat verletzte sich die Frau mit dem Messer selbst, wollte offenbar Suizid begehen. Der Mann, der nach wie vor zu ihr steht, konnte dies verhindern. Aufgrund der Verletzungen musste die Frau aber notoperiert werden.

Richter Stafan Apostol
Richter Stafan Apostol(Bild: Urbantschitsch Mario)

„Wie geht es Ihnen damit, dass Sie ihren Sohn getötet haben?“, fragt Richter Stefan Apostol. „Ich bin sehr traurig. Es ist unglaublich. Ich habe mein eigenes Kind umgebracht“, antwortet die Betroffene.

Zwist zwischen Staatsanwältin und Richter
Zu Unruhe in der Verhandlung kommt es während der Befragung des Vaters. Der beisitzende Richter befragt den Mann, in dessen Armen das Kind gestorben war, hart. Etwa, warum er die Messer nicht, wie von ihm angedacht, versteckt hätte? Oder warum er kurz nach der Tat ein Video von seiner Frau gemacht habe, in dem sie die Tat gestand? Das war dann nicht nur dem Opfervertreter, sondern auch der Staatsanwältin zu viel. „Das war eine sehr kluge Entscheidung von Ihnen. Denn wenn ihrer Frau der Suizid gelungen wäre, wären Sie der Erste gewesen, der festgenommen wird.“ Auch gegen eine Geschworene, die dem Vater zuvor eine unpassende Frage gestellt hatte, gibt es ein Befangenheitsbegehren durch die Verteidigung: „Sie schüttelt permanent den Kopf“. Dieses wird abgewiesen.

Zweites Gutachten soll eingeholt werden
Die psychiatrische Gutachterin Sigrun Roßmanith begutachtete die Mutter viermal. „Die Erkrankung tritt meist akut auf und ist nicht sofort erkennbar. Sie tritt rasch auf und klingt rasch wieder ab“, berichtet sie. Solch eine akute Geisteskrankheit sei besser zu behandeln als eine klassische Schizophrenie. Die Betroffene sei therapiebereit und krankheitseinsichtig, ihr Zustand habe sich stark gebessert. Laut der Gutachterin sei das Risiko, nochmals zur Täterin zu werden, äußerst gering. „Die Krankheit ist mit der Medikation beherrscht“, ist die Gutachterin sicher. Woraufhin eine rechtliche Diskussion entfachte, ob die Voraussetzungen für eine Unterbringung überhaupt gegeben sind. Zumal diese eine hohe Gefährlichkeit vorsehe. Der Richtersenat kündigt daraufhin eine Vertagung an. Er will ein zweites psychiatrisches Gutachten einholen lassen. Am 3. September soll es weitergehen. Bis dahin verlässt die Frau, die bis zum ersten Verhandlungstag in der Josefstadt untergebracht war, die Justizanstalt. Sie wird bedingt in einer Wohngemeinschaft des Vereins Wobes untergebracht und muss dort bestimmte Weisungen einhalten. 

Loading...
00:00 / 00:00
Abspielen
Schließen
Aufklappen
Loading...
Vorige 10 Sekunden
Zum Vorigen Wechseln
Abspielen
Zum Nächsten Wechseln
Nächste 10 Sekunden
00:00
00:00
1.0x Geschwindigkeit
Loading
Kommentare

Liebe Leserin, lieber Leser,

die Kommentarfunktion steht Ihnen ab 6 Uhr wieder wie gewohnt zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen
das krone.at-Team

User-Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Betreibers/der Redaktion bzw. von Krone Multimedia (KMM) wieder. In diesem Sinne distanziert sich die Redaktion/der Betreiber von den Inhalten in diesem Diskussionsforum. KMM behält sich insbesondere vor, gegen geltendes Recht verstoßende, den guten Sitten oder der Netiquette widersprechende bzw. dem Ansehen von KMM zuwiderlaufende Beiträge zu löschen, diesbezüglichen Schadenersatz gegenüber dem betreffenden User geltend zu machen, die Nutzer-Daten zu Zwecken der Rechtsverfolgung zu verwenden und strafrechtlich relevante Beiträge zur Anzeige zu bringen (siehe auch AGB). Hier können Sie das Community-Team via unserer Melde- und Abhilfestelle kontaktieren.

Kostenlose Spiele
Vorteilswelt