Die Wiener Festwochen zeigen im Volkstheater Carolina Bianchis Performance „Brotherhood“ – der zweite Teil ihrer Triologie zum Thema „Gewalt und Gesellschaft“. Ein Abend, der Fragment bleibt.
Als Weltzentrale marketingbasierter Event-Pädagogik haben die Festwochen keine Konkurrenz mehr zu fürchten. Wo immer aus der Theaterwelt Rambazamba mit dem Vermerk „umstritten“ gemeldet wird: Die Einladung ergeht unverzüglich. Klar also, dass uns die Brasilianerin Carolina Bianchi wiederbegegnen musste.
Im ersten Teil ihrer Trilogie zum Thema „Gewalt und Gesellschaft“ hat sie bei laufender Vorstellung K.-o.-Tropfen konsumiert. Diesmal masturbiert sie, wieder namens des Feminismus, in Live-Großaufnahme vor der Karikatur eines deutschen Großregisseurs, der sich daraufhin in den Kopf schießt (was als Reaktion doch übertrieben erscheint).
Der Sketch zählt zum Gelungeneren des qualitativ arg zerklüfteten Abends, in dem es unter dem Titel „Brotherhood“ um sexuelle Gewalt in der Kunst geht. Das Problem ist, dass die Selbstgefälligkeiten, die dem Regie-Gockel entpurzeln, um nichts banaler sind als die theoretischen Traktate, mit denen Bianchi und ihr leichtgeschürztes Herrenensemble lange Viertelstunden füllen. Ausgehend von der befremdlichen fixen Idee, dass Regisseure systematisch Schauspielerinnen betäuben und vergewaltigen, predigt man sich wirr von Tschechow zu Sarah Kane, vom Regievordenker Taddeusz Kantor zum Wiener Aktionismus. Starke apokalyptische Bilder kollidieren mit konfusen Cancel-Pamphleten, das Resultat bleibt Fragment.
Andererseits wird man ein noch jüngeres Publikum maximal beim Urania-Kasperl antreffen: Die Festwochen haben den überall ersehnten Generationswechsel vollzogen. Die Neugewonnenen mit einem etwas weniger verengten Theaterbegriff zu versorgen, wäre nun der nächste Schritt.
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