Von wegen wohltätig

Wie unsere Altkleider Uganda überschwemmen

Ausland
25.05.2025 08:54

Von außen betrachtet scheint es ein Akt der Wohltätigkeit zu sein: Getragene Kleidung aus Europa wird nach Afrika verschifft, wo sie als günstige Ware auf lokalen Märkten landet. Doch in Uganda zeigt sich eine andere Realität. 

„Rund 60 Prozent der importierten Kleidung sind von schlechter Qualität und werden zusammen mit wiederverwendbarer Kleidung verpackt geliefert. Was nicht verkauft wird, landet auf Deponien oder verstopft Abflüsse“, sagt Faith Irene Lanyero, Generalsekretärin der Textilarbeitergewerkschaft UTGLAWU in Uganda. Die Auswirkungen sind katastrophal: Im August 2024 stürzte ein Müllberg der überlasteten Kiteezi-Deponie nach starken Regenfällen auf umliegende Wohnhäuser – 21 Menschen starben.

80.000 Tonnen Altkleidung landen in Uganda
Uganda importiert jährlich rund 80.000 Tonnen Second-Hand-Kleidung – überwiegend aus Europa. Diese Importe verdrängen die lokale Textilproduktion und verstärken den informellen Sektor. „Der Handel mit gebrauchter Kleidung beschäftigt schätzungsweise 700.000 Menschen, vor allem Frauen und Jugendliche, die unter prekären Bedingungen arbeiten“, betont Lanyero. „Geschlechterspezifische Ausbeutung und mangelnde Repräsentation sind weit verbreitet.“

Europa überschwemmt Uganda mit Second-Hand-Kleidung.
Europa überschwemmt Uganda mit Second-Hand-Kleidung.(Bild: Abdul Jalil)

Die Gründe für die Marktmacht der Altkleider sind vielfältig. Viele Menschen in Uganda halten gebrauchte Kleidung aus Europa für hochwertiger als lokale Produkte. Hinzu kommt der Preis: Für viele ist sie die einzige erschwingliche Möglichkeit, sich zu kleiden. Doch der Preis für das Land ist hoch.

Gertrude Klaffenböck, Koordinatorin der Clean Clothes Kampagne in Österreich und Textil-Expertin bei Südwind, warnt: „Fast Fashion basiert auf ständig neuen, billigen Kollektionen und einem extrem schnellen Konsumverhalten. Österreich ist ein wichtiger Absatzmarkt für dieses Geschäftsmodell – und zugleich ein massiver Exporteur von Textilmüll.“

Gertrude Klaffenböck (rechts) und Irene Lanyero
Gertrude Klaffenböck (rechts) und Irene Lanyero(Bild: VincentSufiyan)

Intransparenz der Handelsströme
Im Jahr 2022 fielen laut offiziellen Daten in Österreich 228.100 Tonnen Textilabfälle an. Rund 67.000 Tonnen wurden exportiert, davon etwa 42.000 Tonnen zur Wiederverwendung. Die Endziele dieser Exporte bleiben meist unklar, was laut Klaffenböck ein strukturelles Problem ist: „Die Intransparenz der Handelsströme ist eines der Kernprobleme im Altkleiderhandel. Auch Österreichs Exporte landen über Umwege auf afrikanischen Märkten.“

Trotz dieser dramatischen Entwicklungen gibt es politische Chancen zur Wende. Mit dem EU-Lieferkettengesetz (CSDDD), der Ecodesign-Regelung (ESPR) und der Herstellerverantwortung (EPR) sollen Unternehmen künftig die ökologischen und menschenrechtlichen Folgen ihrer Produkte entlang der gesamten Lieferkette verantworten. Doch die Umsetzung ist gefährdet. Österreichs Wirtschaftsminister Wolfgang Hattmannsdorfer hat sich offen gegen die CSDDD ausgesprochen.

„Wenn diese Regulierungen scheitern, bleibt Fast Fashion unangetastet – mit verheerenden Konsequenzen für Länder wie Uganda“, so Klaffenböck.

Strengere Zölle als Lösung
Was bleibt, ist ein globales Ungleichgewicht. „Strengere Zollgesetze, eine bessere Qualitätssicherung und faire Arbeitsbedingungen wären dringend notwendig“, sagt Lanyero. Doch auch Konsumenten in Europa tragen Verantwortung. „Weniger kaufen, Kleidung länger tragen und sicherstellen, dass entsorgte Kleidung wirklich recycelbar ist – das sind erste Schritte“, erklärt sie.

Klaffenböck ergänzt: „Bewusstsein und Aufklärung sind entscheidend. Die Frage ,Kaufen oder nicht kaufen?‘ ist nicht nur eine individuelle, sondern auch eine politische Entscheidung.“

Uganda steht beispielhaft für viele Länder des Globalen Südens, die unter den Folgen der europäischen Überproduktion und der textilen Müllflut leiden. Während sich in Europa Kleiderschränke im Monatsrhythmus füllen, kollabieren andernorts Märkte, Umwelt und soziale Strukturen. Und das alles – unter dem Deckmantel der Nachhaltigkeit.

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