„Wir sind Papst“ war eine Schlagzeile der „Bild“, als der deutsche Kardinal Joseph Ratzinger im Jahr 2005 Papst wurde. Mit Leo XIV. sind wir auch ein bisschen Papst. Kardinal Christoph Schönborn sagt, der neue Papst liebe Österreich und Wien, zu Allerheiligen hielt der damalige Kurienkardinal Robert Francis Prevost eine Predigt in der Wiener Augustinerkirche. Hier können Sie sie nachlesen.
Prevost kam gleich mehrmals in den vergangenen zwölf Jahren nach Österreich – zuletzt im November 2024. Damals war der gebürtige US-Amerikaner der Hauptzelebrant beim 675. Weihejubiläum der Augustinerkirche im Zentrum von Wien. Der Prior des Augustinerklosters, Pater Dominic Sandrawetz, erinnert sich noch gut. „So, wie er auf der Loggia des Petersdomes stand, haben wir ihn auch bisher kennengelernt. Er hat in der Augustinerkirche auf Latein zelebriert, auf Englisch gepredigt – und auch ein bisschen Deutsch verstanden.“
Auch Schönborn betonte, dass der neue Papst eine Affinität zu Österreich habe: „Er mag Österreich und Wien. Das war bei seinen Besuchen spürbar.“
In seiner Predigt, die im Wortlaut hier nachzulesen ist, sind Armut, Gerechtigkeit und Barmherzigkeit wichtige Stichworte.
Liebe Brüder und Schwestern!
Ich grüße Sie herzlich zu diesem besonderen Anlass des Jubiläums des 675. Jahrestages der Kirchweihe dieser großartigen Augustinerkirche in Wien. Ich möchte meine Brüder im Augustinerorden grüßen und ihnen meinen Dank dafür aussprechen, dass sie mich eingeladen haben, an dieser Freude teilzuhaben und mich mit Ihnen allen hier zu versammeln, wenn wir um den Altar Jesu Christi vereint sind.
Heute feiern wir an diesem Fest auch die ganze große Schar der Christen, die das endgültige Ziel des Himmels erreicht haben. Diese unsere Geschwister haben die Vollkommenheit der Nächstenliebe und die völlige Vereinigung mit Jesus Christus erlangt und es verwirklicht, das Evangelium in ihrem Leben zu verkörpern.
Das Buch der Offenbarung berichtet in der ersten Lesung von einer Schar, die niemand zählen kann, aus allen Volksgruppen, Nationen und Sprachen, mit weißen Kleidern bekleidet und Palmenzweigen in den Händen. Sie alle sind Kinder Gottes, Christen, die aus allen Teilen der Welt kommen und die Universalität der Kirche darstellen, ihre Katholizität, die sie dazu antreibt, sich über alle Kontinente auszubreiten. Sie sind durch den Glauben an Jesus Christus gereinigt worden und tragen das Symbol seines Sieges in ihren Händen.
Die Schar, die Johannes im Himmel sieht, ist eine siegreiche, eine, die zahllose Prüfungen überstanden hat, die gekämpft hat, die im Glauben ausgeharrt hat und die den Sieg und den ewigen Lohn erlangt hat. Wie wir wissen, treibt uns unsere christliche Existenz an, Jesus Christus nachzuahmen, der sein Kreuz trägt; und wir begegnen diesem Kreuz in alltäglichen Momenten, manchmal in uns selbst, in den Unzulänglichkeiten, mit denen wir zu kämpfen haben; ein anderes Mal außerhalb von uns, in den Schwächen der anderen und in unerwarteten Herausforderungen. Zu bestimmten Zeiten wird dieses Kreuz sehr schwer sein, aber vergessen wir nicht, dass der Herr es bereits für uns getragen hat und nichts von uns verlangen wird, was unsere Kräfte übersteigt. Dieses Kreuz ist nach unserem Maß gemacht, könnte man sagen. Es übersteigt niemals, was wir zu tragen imstande sind, natürlich im Vertrauen auf die Gnade Gottes, die uns die Kraft gibt, unser Kreuz zu tragen, und das immer.
Der Text der Seligpreisungen, den uns der heilige Matthäus heute vorlegt, begründet das neue Gesetz für das neue Volk Gottes, das die Kirche ist. Das Matthäusevangelium stellt uns Jesus als den neuen Mose vor, der auf dem Berg das neue Gesetz verkündet, das neue Gesetz für das neue Israel.
In der Kirche, die das neue Gottesvolk ist, betrachtet und nennt Jesus all jene „selig“ und „glücklich“, die in der Welt verachtet oder nicht beachtet sind, diejenigen, die er als die Unglücklichsten erkannte. Das ist die Logik Jesu, die im Gegensatz zu der der Welt steht, denn „seine Gedanken sind nicht unsere Gedanken und seine Wege sind nicht unsere Wege“ (Jesaja 55,8). Um Bürger des Reiches Gottes zu sein und um glücklich genannt zu werden, müssen wir den Weg der Seligpreisungen gehen. Diesem Weg zu folgen, setzt eine Entscheidung voraus.
Jesus nennt nicht diejenigen glücklich, die ohne wirkliches Engagement in der Welt leben, oder diejenigen, die sich in einer menschlich traurigen oder schwierigen Situation befinden. Wer sind für Jesus die Glücklichen? Glücklich sind diejenigen, die „sich entschieden“ oder „gewählt“ haben, so zu leben, aus Liebe zu ihm und aus Liebe zum Reich Gottes.
Auf dem Weg der Seligpreisungen sind die Entscheidungen wichtig: die Wahl der Armut des Geistes statt des Reichtums dieser Welt; die Wahl von Gerechtigkeit und Barmherzigkeit anstelle von Rache oder Hass; die Entscheidung für Frieden anstelle für Konflikte. Es stimmt, dass die menschliche Entscheidung im Text nicht angesprochen ist, aber sie ist mitgemeint. In seiner Botschaft berücksichtigt Jesus notwendigerweise den Willen und die Freiheit von Männern und Frauen: „Gott, der euch ohne euch geschaffen hat, wird euch nicht ohne euch erlösen“ (Hl. Ordensvater Augustinus).
Nur wenn wir uns für Christus entscheiden, indem wir den Verführungen der Welt entsagen und unseren Blick fest auf ihn richten, indem wir unsere Brüder und Schwestern lieben, werden wir wirklich das wahre Glück finden, werden wir wirklich „die Gesegneten seines Vaters“ (Matthäus 24,34) sein, diejenigen, die er „Selige“ nennt.
Bitten wir unsere Mutter, die Jungfrau Maria, die erste und allzeit treue Jüngerin ihres Sohnes, dass in uns die Sehnsucht nach Heiligkeit entfacht werde, der Wunsch, zur Schar der Christen im Himmel zu gehören, damit wir auf ihre Fürsprache und durch unseren Einsatz auf die Gnade Gottes bauend in unseren Worten und Taten das Evangelium Christi widerspiegeln, durch das wir zu Jüngern berufen, als Missionare ausgesandt und als Söhne und Töchter Gottes gerettet wurden.
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