Ein schwarzer BMW fährt vergangenen März an einer obersteirischen Berufsschule vorbei. Plötzlich bremst das Auto abrupt ab. Beim hinteren Fenster taucht eine Waffe auf. Ein Schuss fällt. Zurück bleiben traumatisierte Schüler, die um ihr Leben fürchteten. Die Täter – ein Brüderpaar und ein Freund – standen am Dienstag in Leoben vor Gericht.
„Wie sind Sie eigentlich zu den Waffen gekommen?“, will Richterin Sabine Anzenberger vom jüngsten Angeklagten wissen. Der ist zumindest in großen Teilen geständig. „Wir waren beim Waffenhändler“, erzählt der 17-Jährige. Einer der Brüder habe eine echte Waffe haben wollen. Aber als der Händler sagte, dass er einen Waffenschein brauche, hätte man sich für zwei Schreckschusspistolen und ein Klappmesser entschieden. „Und eine Schachtel mit 50 Schuss.“
Waffen, um anderen Angst zu machen
„Und wozu braucht man Waffen?“, bohrt die Richterin beim Prozess in der Steiermark weiter. „Vielleicht, um anderen Angst machen können.“ – „Seid ihr alle auf den Kopf gefallen?“, poltert die Vorsitzende. „Gerade bei allem, was derzeit los ist!“
Die große Pistole behielt der 17-Jährige, die kleine war für den 18-Jährigen. Der 20-Jährige entschied sich für das Messer, „weil es lässig ausschaute.“ Noch am selben Tag gegen 19 Uhr fuhr das Trio mit dem schwarzen 5er-BMW des 18-Jährigen zuerst in der Stadt herum, dann zur Berufsschule. „Schieß schnell, schieß schnell“, sollen die Brüder ihrem Freund aus Kindertagen angebrüllt haben. „Sie wurden immer lauter, ich wusste nicht, was ich tun soll. Also habe ich geschossen.“ – „Auf die Schüler?“, fragt die Richterin. „Nein, in die Luft.“
Ich habe gar keine Waffe gebraucht. Ich habe mich überreden lassen. So dumm war ich.
Ein Angeklagter
„Habe mich überreden lassen“
„Warum haben Sie eine Waffe gebraucht?“, fragt Anzenberger den Autolenker. „Ich habe keine gebraucht“, erklärt der 18-Jährige. Ich habe mich von ihm (dem 17-Jährigen, Anm.) überreden lassen. So dumm war ich.“ – „Sie wollten also keine Waffe. Aber der Zweitangeklagte hat Sie überredet und ging dafür extra noch zur Bank, um Ihnen das Geld für den Waffenkauf zu geben, auch wenn sie gar keine wollten.“ – „Genau, und nachdem wir sie schon hatten, sind wir auch gleich schießen gefahren.“ Aber nur auf ein Feld, wo keiner war und bei einem geschlossenen Baumarkt.
Zur Berufsschule seien sie nur gefahren, um zu schauen, ob Bekannte da sind. Deswegen seien sie vor der Schule langsamer geworden. „Aber plötzlich macht der hinten das Fenster auf und schießt raus. Da hab ich Gas gegeben, weil es war ja mein Auto, jeder hat das Kennzeichen sehen können.“
Ihr habt Glück, dass ihr nicht erschossen worden seid. Die Polizei weiß nämlich nicht, ob die Waffen echt sind oder nicht.
RIchterin Sabine Anzenberger zu den Angeklagten
Bild: Eva Stockner
Mehrfach aus Auto geschossen
Fünf- bis sechsmal soll der 17-Jährige während der gesamten Fahrt an unterschiedlichen Stellen im Murtal aus dem Auto geschossen haben. Er fand es geil, erzählen sie Brüder. „Warum haben Sie ihn nicht aussteigen lassen, wenn Ihnen das unangenehm war?“, will die Richterin wissen. „Das war der Fehler. Aber wir dachten, er wird schon dafür zur Verantwortung gezogen werden.“
Als das Trio auf einem Supermarkt-Parkplatz umdrehen wollte, war plötzlich die Polizei da. „Die hatten die Waffen gezogen und gesagt, dass wir aussteigen sollen.“ Anzenberger: „Ihr habt Glück, dass ihr nicht erschossen worden seid, wenn ihr da so blöd mit Waffen herumschießt. Die Polizei weiß nämlich nicht, ob die echt sind oder nicht.“
Ich habe mich zusammengekauert und um mein Leben gefürchtet.
Eine Berufsschülerin
Leben ist nicht mehr so, wie es war
Zeugen schildern vor Gericht ihre Todesangst. „Ich habe mich zusammengekauert und um mein Leben gefürchtet“, sagt eine Berufsschülerin. „Ich hatte große Angst. Heute noch habe ich ein komisches Gefühl, wenn ich einen dunklen BMW sehe“, erzählt eine andere. „Ihr Leben ist nicht mehr so, wie es früher war?“, nickt sie Richterin mitfühlend. „Nein, ist es nicht“, schüttelt die junge Frau den Kopf. „Wer macht so etwas. Ich werde das mein Leben lang nicht vergessen.“
Auch mit einem Messer sollen die Burschen die Schüler aus dem Fenster heraus bedroht haben. „Nein, stimmt nicht“, sagt der 20-Jährige. „Ich habe nur damit im Auto gespielt. Niemand hat das Messer hinausgehalten.“
„Jugendliche machen dumme Dinge“, betont Verteidiger Sascha Flatz in seinem Schlussplädoyer. „Sie wollten nur im Wald herumballern.“ Seine Mandanten (die beiden Brüder, Anm.) könnten nichts dafür, dass der 17-Jährige plötzlich die lustige Idee hatte, aus dem Fenster zu schießen.
„Blödsinn der Sonderklasse“
„Ich bin überzeugt, dass es eine geplante Aktion war. Man fahrt herum, schießt raus, lacht darüber. Absolut irre, ein Blödsinn der Sonderklasse, da brauchen wir nicht diskutieren“, erklärt die Richterin bei der Urteilsverkündung. „Aber ich gebe ihnen diese eine Chance, wenn sie wiederkommen, ist es vorbei.“
Das Urteil: vier bzw. sechs Monate bedingte Haft (bei einem Strafrahmen von 18 Monaten bzw drei Jahren) plus Bewährungshilfe. Nach kurzer Bratung nehmen alle drei das Urteil an. Es ist somit rechtskräftig, weil die Staatsanwältin ebenfalls auf Rechtsmittel verzichtet.
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