20.09.2013 17:55 |

Sechs Gutachten

Kührer-Prozess: "Mehr offene Fragen als zu Beginn"

Am sechsten Tag des Prozesses um den Tod von Julia Kührer sind sechs Gutachter im Landesgericht Korneuburg in Niederösterreich zu Wort gekommen. Fazit: Man kann den Todeszeitpunkt der damals 16-Jährigen eingrenzen, aber woran das Mädchen wirklich starb, darauf fanden die Experten keine Antwort. Der Vortrag von Gerichtsmediziner Christian Reiter (2.v.r.) war nichts für schwache Nerven und Mägen - denn er handelte von Fliegeneiern und Maden.
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Ja, Julia Kührer war tot, als ihre Leiche angezündet wurde. Ja, ihre Leiche wurde danach noch bewegt. Ja, sie hat eine Synthetik-Droge konsumiert. Das waren aber auch schon die einzigen Erkenntnisse, die am sechsten Prozesstag mit "an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit" ausgesprochen wurden. Woran die 16-jährige Pulkauerin aber tatsächlich gestorben ist, konnte Gerichtsmediziner Wolfgang Denk (re.) nicht sagen: "Julia Kührer war ein junges gesundes Mädchen." Einen natürlichen Tod der 16-Jährigen schloss Denk daher aus.

Dass Julia aber definitiv sehr kurz nach ihrem Verschwinden am 27. Juni 2006 gestorben sein muss, das bestätigt nicht nur die Altersstruktur der Knochen - sondern auch eine Expertise des zweiten Gerichtsmediziners Christian Reiter. Er nahm nämlich Fliegen, besser gesagt deren Maden und Puppen, zu Hilfe. "Forensische Insektenkunde" heißt das und bringt wissenschaftliche Erkenntnisse: "Die Schmeißfliege legt ihre Eier nur in einem frischen Leichnam ab. Nach 1,8 Tagen bilden sich Maden, die nach etwa acht Tagen abwandern und sich außerhalb eines Leichnams verpuppen. Diese Puppen haben wir rund um das Skelett in dem Erdkeller gefunden."

Experte: "Mamafliege würde Eier nie in Brandleiche ablegen"
Die Maden überstehen auch den Brand - denn die "Mamafliege", so Reiter, würde ihre Eier "niemals in einer Brandleiche ablegen". Für ihn also ein klarer Beweis dafür, dass Julia Kührer nicht sofort nach ihrem Tod verbrannt wurde, "aber sehr kurz danach". Etwas, was Brandsachverständiger Christian Tisch (2.v.l) nach Versuchen bestätigte: "Der Leichnam war trotz Brandbeschleuniger auch nach zwei Stunden noch nicht völlig verkohlt und enthielt noch Weichteile!"

Julia konsumierte laut Gutachen Drogen
Toxikologe Günter Gmeiner wurde zum Thema Drogen befragt - und er fand zuerst keinerlei Hinweise. Erst ein Jahr später kam der konkrete Hinweis auf Methamphetamine - wie zum Beispiel "Chrystal Meth" - und das fand sich in "einem Extrakt von Spuren an Gehirnmasse im Piktogramm-Bereich", also an der Messungsuntergrenze. "Mit hoher Wahrscheinlichkeit" habe sie diese Droge konsumiert, vielleicht auch nur ein einziges Mal. Ob Julia daran gestorben sein kann, das vermag jedoch auch dieser Experte nicht zu sagen.

DNA von Angeklagten auf Decke sichergestellt
Das größte Ass von Staatsanwalt Pawle gegen den Angeklagten Michael K. - auf dessen Anwesen in Dietmannsdorf das Skelett Kührers gefunden worden war - ist aber die blaue Decke, in die die Leiche eingewickelt worden sein soll. Sie trägt dessen DNA. Sachverständige Christa Nussbaumer (1.v.l.) brachte den Geschworenen die Fragmente mit und sagt dazu: "Bei den Deckenteilen gestaltete es sich nach dem langen Zeitverlauf und der Lagerung mit den üblichen Untersuchungsmethoden schwierig. Erst eine Quadratzentimeter-Abnahme mit Spezialklebeband und 400 verbrauchten Handschuhen in zwei Tagen brachte verwertbare Spuren mit einem eindeutig Herrn K. zuordenbaren Profil."

Verteidiger: "Die Indizienkette ist brüchiger geworden"
Was dessen Verteidiger Farid Rifaat ins Grübeln bringt: "Aber auf keinem Kleidungsstück Julia Kührers wurde eine Spur von ihm gefunden. Und in keinem Auto von ihm eine Spur von ihr. Dafür gibt es eine Zigarettenkippe am Fundort mit unbekannter DNA." Die vergangenen sechs Prozesstage hätten laut dem Verteidiger "mehr offene Fragen gebracht als zu Beginn", verwies er auf die nach wie vor ungeklärte Todesursache und auch den Todeszeitpunkt. "Die Indizienkette ist brüchiger geworden", so Rifaat. Das Urteil ist für Dienstag geplant.

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