Als letzter Ausweg

Uganda: Alkohol gegen das Kriegstrauma

Ausland
21.05.2013 12:14
Als Joseph Kony mit seinen blutrünstigen Mannen der Lord's Resistance Army (LRA) 2006 aus dem Norden Ugandas abzog, ließ er bei vielen Menschen eine tiefe Spur unvorstellbaren Schreckens zurück. Sieben Jahre später ist der Albtraum für viele seiner Opfer nicht vorbei - sie greifen immer noch zur Flasche.

"Alkohol ist heute in der ganzen Region ein ernstes Problem", sagt Victor Ocheng von der Hilfsorganisation African Youth Initiative Network, die versucht, den Überlebenden bei der Verarbeitung ihrer Erlebnisse zu helfen. "Die Leute trinken, weil sie es nicht schaffen, mit ihren Erinnerungen und dem Kriegstrauma fertigzuwerden."

Mit dem Alkohol gegen die Bilder des Grauens
Wenn sie zur Flasche greifen, glauben sie, die immer wiederkehrenden Bilder des Grauens leichter zu ertragen. Betroffen sind vor allem ehemalige Kindersoldaten und Mädchen, die von der LRA als Sexsklavinnen missbraucht wurden - aber auch Menschen, die viele Jahre lang ohne soziale Anbindung in den Vertriebenencamps gelebt haben und schließlich von der Regierung umgesiedelt wurden.

Viele fühlten sich im Stich gelassen, erklärt Ocheng. "Dieser ganze Prozess ist falsch gehandhabt worden. Die Menschen hätten intensive Hilfe bei der Wiedereingliederung und Rehabilitierung gebraucht, aber die haben sie nicht bekommen."

James Kidega von der Regierung des besonders schlimm betroffenen Bezirks Gulu bestätigt die Beobachtungen: "Speziell die Männer trinken Unmengen Alkohol. Die Lage ist gravierend."

Menschen entführt, vergewaltigt und schwer misshandelt
Es grenzt an Unvorstellbares, was Kony bei seinem Kampf für einen christlichen Gottesstaat damals angerichtet hat. Die Rebellen hackten ihren Opfern die Lippen, Nasen, Ohren oder Extremitäten ab, kleine Kinder wurden entführt, Mädchen wurden im Busch vergewaltigt und sind heute Mütter von Söhnen und Töchtern, deren Väter sie nicht kennen. Mehr als zwei Millionen Menschen waren jahrelang auf der Flucht. Solche enormen sozialen Narben verheilen nicht ohne professionelle Unterstützung.

"20 Jahre Bürgerkrieg haben zum völligen Zusammenbruch aller Strukturen - inklusive jeder Familienstruktur - geführt", sagt Michael Wangusa, ein Sprecher der Vereinten Nationen in Uganda. Zudem hat das Land auch viele andere Probleme. Arbeitslosigkeit, Armut und Perspektivlosigkeit kommen zum unverarbeiteten Trauma hinzu. "Alkohol ist nicht die einzige Gefahr für die Bevölkerung, es gibt auch viele Leute, die unter Nervenzusammenbrüchen leiden", erklärt auch die Weltgesundheitsbehörde.

Ein weiterer Nebeneffekt des übermäßigen Alkoholkonsums ist sexuelle Frust bei den Ehefrauen. "Sie kommen fast jeden Tag in mein Büro und erzählen mir, dass ihre Männer wegen des Trinkens keine Energie dazu haben, mit ihnen zu schlafen", berichtet Kidega. "In den vergangenen zwei Wochen habe ich rund 50 derartige Beschwerden erhalten."

Verantwortliche weiterhin auf freiem Fuß
Seit 2005 gibt es Haftbefehle des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag gegen Kony (siehe Infobox) und vier seiner Kommandanten. Gesucht werden sie wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Gefasst wurde bisher keiner von ihnen - der harte Kern der LRA versteckt sich seit Jahren irgendwo im dichten Dschungel Zentralafrikas.

So müssen die Überlebenden in Uganda mit dem Wissen leben, dass all die Schreckenstaten bisher ungesühnt geblieben sind. Zudem ist die Angst vor einer Rückkehr der furchtbaren Truppe ein ständiger Begleiter. "Die Leben so vieler Menschen liegen in Scherben", sagt Ocheng. "Viele schaffen es bis heute nicht, wieder aufzustehen und die Herausforderung einer möglichen Zukunft anzunehmen.

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