Unter Beschuss

Innenministerium als großzügiges “Beraterparadies”

Österreich
03.04.2013 19:26
Sichtlich unwohl hat sich Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) am Mittwoch bei der Sondersitzung des Nationalrats gefühlt. Sie wurde von der Opposition wegen der umstrittenen Vergabepraxis des Ressorts unter Beschuss genommen – das Ministerium sei ein "Beraterparadies" für ÖVP-nahe Firmen, so die Kritik. Mikl-Leitner wies allerdings alle Vorwürfe zurück und betonte Objektivität und Transparenz.

Ein Rechnungshofbericht hatte die großzügige Vergabepraxis des Innenministeriums vor allem in der Ära der Ressortchefs Günther Platter und Maria Fekter (beide ÖVP) angeprangert (siehe Story in der Infobox). Auf Kritik stießen vor allem möglicherweise unzulässige Direktvergaben, fehlende Leistungskontrollen sowie der schwer durchschaubare Einsatz des früheren Kabinettchefs von Ex-Innenminister Ernst Strasser, Christoph Ulmer. Ulmer hatte während einer Karenzierung im Ministerium einen Beratervertrag für das Innenministerium zum Thema Blaulichtfunk.

Grüne orten "ÖVP-Netzwerk für Beraterverträge"
Laut RH-Bericht sei etwa im Jahr 2010 die Hälfte der Aufträge des Ministeriums mangelhaft vergeben worden, in etlichen Fällen seien keine Vergleichsangebote eingeholt worden. Die Conclusio der Grünen, die bei der Sondersitzung mit 63 "dringlichen" Fragen versuchten, bei diversen Vergaben herauszufinden, wer im Ministerium für die Aufträge zuständig war: Seit Übernahme des Innenministeriums durch die ÖVP sei ein Netzwerk aufgebaut worden, über das "Beraterverträge" vergeben und Steuergelder verteilt wurden.

Den "Gesamtschaden" daraus schätzt der Grünen-Abgeordnete Peter Pilz mit mindestens einer Million Euro. Die entsprechenden Berater seien nebenbei auch in diversen ÖVP-Wahlkämpfen tätig gewesen. Ob hier eine Querfinanzierung der Volkspartei durch das Ministerium stattgefunden habe, könne allerdings erst geklärt werden, wenn die entsprechenden Unterlagen der ÖVP vorlägen, so die Grünen.

Opposition kritisiert 99.999,99-Euro-Verträge
An Zufälle, wie von der ÖVP erklärt, glaubt die Opposition jedenfalls nicht. Etwa in diesem Fall: Der offizielle Auftragswert für das Design einer elektronischen Amtssignatur wurde vom Ministerium bei exakt 99.999,99 Euro festgesetzt – bis zu einer Grenze von 100.000 Euro darf "freihändig", also direkt und ohne Ausschreibung vergeben werden. "Sicher ein Zufall", sagte FPÖ-Parteichef Heinz-Christian Strache in der Sondersitzung sarkastisch. Auch Grünen-Abgeordneter Karl Öllinger kritisierte, dass das Auftragsvolumen von 99.999,99 Euro um einen Cent niedriger ist als die Grenze für die freihändige Vergabe.

Für Mikl-Leitner alles korrekt
Ministerin Mikl-Leitner wies umgehend alle Vorwürfe zurück und betonte Objektivität und Transparenz. Externe Aufträge seien nur vergeben worden, wo dies notwendig gewesen sei, weil die spezifischen Fachkenntnisse nicht zur Verfügung gestanden seien. Auch stehe jedem Auftrag eine adäquate Gegenleistung gegenüber, betonte Mikl-Leitner.

Dass sie bei ihrer Beantwortung am Mittwoch viele Fragen zusammenfasste und nur vage Auskunft gab, erzürnte allerdings die Opposition. BZÖ-Klubobmann Josef Bucher sprach von einer "blanken Verhöhnung des Parlaments". Öllinger erklärte, es sei "sehr schade", dass Mikl-Leitner es verabsäumt habe, sich von "Altlasten ihrer Vorängerinnen und Vorgänger zu befreien". Und auch das Team Stronach übte scharfe Kritik am Innenministerium. Abgeordnete Martina Schenk sprach in ihrer ersten Rede nach ihrem Wechseln vom BZÖ zu Stronach von einem "Selbstbedienungsladen" und einem "Geldverschwendungsministerium".

VP-Klubchef Kopf verteidigt Vorgehensweise
Mikl-Leitners Parteikollege, VP-Klubobmann Karlheinz Kopf, wandte sich indessen ebenfalls klar gegen die Vorwürfe der Opposition. Es sei "durchaus nachvollziehbar", dass Regierungsmitglieder "nicht hergehen, und bei der Strategieberatung Berater aus dem Umfeld des politischen Mitbewerbers" zur Rate ziehen. Solange dabei die Kriterien der Preisangemessenheit, der Wirtschaftlichkeit und der Sparsamkeit angewendet würden, werfe er das niemandem vor, sagte er - auch mit Verweis darauf, dass etwa SP-geführte Ministerien auf die Expertise von SP-nahen Personen zurückgreifen würden.

Es sei durch das Vorgehen keinerlei Schaden für die Republik Österreich entstanden, betonte Kopf. In Richtung Pilz sagte er, die von ihm getätigten Vorwürfe seien der "schlechteste parlamentarische Stil, den man sich vorstellen kann, schämen Sie sich!". Den Ärger der Opposition, dass Ministerin Mikl-Leitner einen großen Teil der Detailfragen nicht beantwortet habe, konnte er nicht nachvollziehen. Zahlreiche Fragen hätten ja auch den gleichen Wortlaut gehabt, betonte der VP-Mandatar.

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