Als Bezahlung

Marburg überlässt Firma für 15 Jahre seine Radarfallen

Ausland
22.10.2012 13:07
In der slowenischen Stadt Marburg rebellieren Autofahrer gegen ein neues Verkehrsüberwachungssystem. Am Sonntag sind gleich zwei der neuen Radarfallen nur wenige Tage nach ihrer Inbetriebnahme in Brand gesetzt worden. Hintergrund ist ein umstrittenes Geschäft der Stadt mit einem Privatunternehmen, das für sämtliche Einnahmen aus den Radarfallen das Ampelsystem der Stadt renovieren soll. Kritiker glauben, die Stadtregierung habe sich bei dem Deal über den Tisch ziehen lassen.

Die neuen Anlagen sind am vergangenen Dienstag an vorerst 14 Straßenkreuzungen in Marburg in Betrieb genommen worden. Gleich die ersten Bilanzen ließen bei vielen Autofahrern das Blut hochkochen: In nur 36 Stunden haben sie 5.000 Mal Schnellfahrer geblitzt. Binnen zwei Tagen sind bereits mehr als 8.000 Geschwindigkeitsübertretungen registriert worden.

Am Sonntag eskalierte die Situation: Zwei der neuen Radarkästen wurden von Unbekannten in den frühen Morgenstunden in Brand gesetzt. Bilder der Website "24ur" lassen auf einen Totalschaden an zumindest einem der säulenförmigen "Blitzer" schließen.

Dabei sind noch nicht einmal alle geplanten Geräte aufgestellt worden - insgesamt sollen sie an 23 Kreuzungen stehen. Nach Angaben der Ordnungshüter haben 90 Prozent der erwischten Fahrer die erlaubte Geschwindigkeit um fünf bis zehn Stundenkilometer überschritten, wofür ein Bußgeld von 80 Euro fällig ist. Der Ordnungsdienst hatte allerdings versprochen, die Fahrer in der ersten Woche mit einer Abmahnung davonkommen zu lassen.

92% der Strafgelder gehen 15 Jahre lang an Privatfirma
Die Marburger kritisieren, dass die Stadtgemeinde entgegen ihrer Behauptungen die Radarkästen nicht zur Erhöhung der Verkehrssicherheit aufstellte, sondern um Geld zu kassieren - und sich dabei nicht einmal sonderlich geschickt anstellt.

Der Unmut ist umso größer, weil den Großteil der Strafgelder nicht die Stadt Marburg, sondern eine Privatfirma bekommen wird. Das Unternehmen Iskra Sistemi wird slowenischen Zeitungen zufolge 92 Prozent der Einnahmen erhalten. Als Gegenleistung soll es eine 30 Millionen Euro schwere Modernisierung des Ampelsystems in der ganzen Stadt durchführen und dieses dann 15 Jahre lang betreiben und warten.

Die Zeitung "Dnevnik" rechnete sich hingegen aus, dass die Firma an einem Tag mit allen Radargeräten bis zu 250.000 Euro verdienen könnte und dann schon nach einem halben Jahr ihre 30 Millionen Euro schwere Ampel-Investition wieder hereingebracht hätte. Auch wenn diese Berechnung viel zu optimistisch erscheint, da die Autofahrer wohl relativ bald auf die Radarfallen achten werden, so ist durchaus denkbar, dass die Firma mit der Stadtregierung aus ihrer Sicht ein durchaus lukratives Geschäft gemacht haben könnte.

Brandstifter werden als Helden gefeiert
Inzwischen ist im Internet eine Petition gegen die stationären Radargeräte ins Leben gerufen worden. Mehr als 4.600 Menschen haben sie bisher unterzeichnet. Außerdem startete auf Facebook eine "Bewegung für Abschaffung der neuen Blitzer", die mehr als 3.000 Anhänger aufweist. Die Brandstiftung ist von Stadtbewohnern gutgeheißen worden: "Glückwünsche an mutige Marburger Guerilla", "Jede Nacht einen (Radarkasten, Anm.) und bald sind sie weg", lauteten einige Facebook-Kommentare.

Die Stadt Marburg und deren Bürgermeister Franc Kangler sind wegen der "Blitzer" auch zum Gespött geworden. Mit zahlreichen Fotomontagen macht man sich über die Angelegenheit lustig: So hält z.B. der Star-Wars-Bösewicht Darth Vader eine Radarpistole als Waffe in der Hand. In einer Videomontage auf YouTube hat ein Blitzer auch schon virtuell gebrannt - nur ein paar Tage bevor die Brandstiftung auch in Wirklichkeit passierte.

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