Gottestaat in Krise

Unmut, Proteste: Iraner haben genug von Horror-Inflation

Ausland
05.10.2012 08:27
Im Iran wächst die Unzufriedenheit an der Wirtschaftspolitik des Mullah-Regimes und Präsident Mahmoud Ahmadinejad. Auch der Ärger über das finanzielle Engagement der Regierung in Syrien, während im Iran die Armut zunimmt, ist groß. In Teheran zieren immer öfter Sprüche wie "Mahmoud, vergiss Syrien, kümmere dich um uns" die Hausfassaden. Die Inflation liegt mittlerweile bei rund 25 Prozent, die Arbeitslosigkeit bei 15 Prozent. Preise für Lebensmittel haben sich verdoppelt.

Im ganzen Land nehmen die Prediger am Freitag beim wöchentlichen Traditionsgebet zur aktuellen Wirtschaftslage Stellung. Hierbei dreht sich alles nur um die Frage, wie die immer größer werdende Armut verhindert werden kann. Neuerliche Proteste der Bürger werden ebenfalls erwartet.

Rial verlor in neun Monaten 80 Prozent
Innenpolitisch setzt dem Präsidenten die rasante Talfahrt der Landeswährung Rial zu. In einigen Tagen muss Ahmadinejad dem Parlament erklären, was er zu tun gedenkt, um eine weitere Eskalation zu verhindern. Innerhalb der letzten neun Monate hat der Rial knapp 80 Prozent an Wert verloren. Am Donnerstagabend dotierte der Rial bei einem Wert von 37.500 für einen US-Dollar und rund 45.000 für einen Euro. Vergangene Woche lag der Kurs noch unter 30.000.

Parallel dazu spürt der islamische Gottesstaat die wegen dem umstrittenen Atomprogramm verhängten westlichen Sanktionen. Besonders hart trifft Teheran das EU-Öl-Embargo. Nicht nur, dass seit 1. Juli kein iranisches Öl mehr in die EU fließen darf, auch die Verträge mit den europäischen Versicherern für iranische Schiffe sind nicht mehr verlängert worden. Fazit: Seit Jahresbeginn hat der Iran statt zunächst 2,5 Millionen Barrel nur noch 1,5 Millionen Barrel seines schwarzen Golds exportieren können und nach Schätzungen von Beobachtern auf Milliarden von Dollar verzichten müssen.

Preise für Lebensmittel haben sich verdoppelt
Dies alles schlägt sich auch im Alltag der Iraner nieder. Die Teuerungswelle für Grundnahrungsmittel nimmt horrende Ausmaße an. Ein Kilo Reis - das wichtigste Lebensmittel im Iran - kostet nun 45.000 Rial, noch vor drei Wochen musste man dafür nur 30.000 Rial bezahlen. Auch die Preise für Molkereiprodukte, Brot, Fisch und Huhn haben sich in den letzten Tagen verdoppelt.

Nach den gewaltsamen Protesten vom Mittwoch, bei denen es laut Augenzeugenberichten auch Tote und Verletzte gab, blieb der große Basar von Teheran am Donnerstag schon den zweiten Tag in Folge geschlossen. Erst am Samstag soll er seine Pforten unter großem Polizei- und Sicherheitsaufgebot wieder öffnen.

Händler unzufrieden
Derzeit herrscht allerdings Ratlosigkeit darüber, was es denn zu bedeuten habe, dass die Regierung seit Donnerstag keine offiziellen Wechselkurse mehr bekannt gab. "Ein Anzeichen für Schwäche oder Unsicherheit?", fragen sich die sonst so geschäftigen Händler im Iran. Die Rolle der "Bazaris" (Händler) sollte die Regierung, vor allem aber Ahmadinejad, nicht unterschätzen. Sie waren es, die maßgebend am Sturz des Schah 1979 beteiligt gewesen sind.

Eine islamische Handelsvereinigung verurteilte unterdessen die jüngsten Proteste scharf. Sei seien das Resultat einer Verschwörung iranischer Feinde, die Angst unter den Händlern geschürt hätten.

EU will Mitte Oktober Gas-Embargo beschließen
Auch aus dem europäischen Ausland erging eine Hiobsbotschaft für Ahmadinejad: Die EU will am 15. Oktober zusätzlich zum Öl-Embargo auch ein Gas-Embargo gegen Teheran beschließen. Die Übereinkunft zum Erdgas werde von den großen EU-Mitgliedsländern Deutschland, Frankreich und Großbritannien unterstützt.

Die Kritiker Ahmadienjads, allen voran Parlamentspräsident Ali Larijani und der Chef des Schlichtungsrates, Ali Akbar Hashemi-Rafsanjani, haben einen "sofortigen Maßnahmenkatalog" für ein Ende der Wirtschaftskrise gefordert. Denn auch sie wissen, dass dieser Wirtschaftskollaps im Iran soziale Sprengkraft hat.

Kompromiss im Atomstreit angeboten
Da kommt es wohl nicht von ungefähr, dass Ahmadinejad dem Westen ein Angebot für einen Kompromiss im Atomstreit vorlegt. Der Iran würde die Anreicherung von Uran auf 20 Prozent einstellen, wenn er dafür aus dem Ausland entsprechendes Material erhalte, sagte der Präsident. Für Atombomben ist eine Anreicherung auf eine Größenordnung von 90 Prozent nötig.

Ahmadinejad erklärte, Teheran wolle zurück zum nie umgesetzten Abkommen von 2010 mit Brasilien und der Türkei. Das Abkommen sah vor, dass 1,2 Tonnen niedrig angereicherten Urans aus dem Iran in der Türkei gelagert würden, bis das auf 20 Prozent angereicherte Uran aus dem Ausland in Teheran eintrifft. Die IAEO hatte zuvor angeboten, dass der Iran sein Uran zur Anreicherung an Russland und Frankreich liefert und auf eigene Anreicherung verzichtet.

Ab Juni ist Ahmadinejad Geschichte
Ahmadinejad ist nach sieben Jahren an der Macht mittlerweile ein Auslaufmodell. Nach zwei Amtszeiten darf der Präsident bei den am 14. Juni 2013 anstehenden Wahlen nicht erneut antreten. Angesichts der Tatsache, dass Ahmadinejad in den vergangenen Jahren auch im eigenen Lager deutlich an Rückhalt verloren hat, erscheint seine weitere politische Zukunft ungewiss. Wie die nächste politische Führung des Iran aussehen wird, ist noch unabsehbar.

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