Schwere Vorwürfe

Aufnahme-Leak setzt Orbans Regierung unter Druck

Ausland
26.03.2024 21:30

Eine Tonaufnahme, veröffentlicht vom Ex-Mann der früheren ungarischen Justizministerin, bringt Vertraute von Premier Viktor Orban unter Druck. Sie sollen Ermittlungsakten in einem der größten Korruptionsskandale in Ungarn manipuliert haben. Am Dienstagabend demonstrierten Tausende Menschen in Budapest gegen die Regierung.

Der Fall dreht sich um Schmiergelder, die Pal Völner, der frühere Staatssekretär im Justizministerium, vom Präsidenten der ungarischen Kammer der Gerichtsvollzieher, György Schadl angenommen haben soll. Beide sind deshalb wegen Korruption angeklagt.

In der am Dienstag publik gewordenen Aufnahme, die vom Jänner 2023 stammt, unterhält sich die damalige Justizministerin Judit Varga mit Peter Magyar – zu diesem Zeitpunkt ihr Ehemann, jetzt harter Regierungskritiker – über den Korruptionsfall.

Akten der Staatsanwaltschaft manipuliert
Varga gibt auf der Aufnahme zu, dass die Akten der Staatsanwaltschaft von Orbans engstem Vertrauten, dem auch als „Propagandaminister“ bekannten Kabinettschef Antal Rogan, manipuliert worden waren. Dabei soll Rogan den Staatsanwälten Vorschläge gemacht haben, was in den Gerichtsakten gestrichen werden soll, was jedoch nicht immer eingehalten wurde, so Varga.

Gerichtsvollzieher-Präsident Schadl sei der „Mann“ von Rogan und Kanzleiminister Gergely Gulyas gewesen. „Warum haben sie ihn nicht gerettet?“, fragt Magyar. Darauf antwortet Varga: „Sie hatten keine weiteren Möglichkeiten, das ist das Problem.“

Die Tonaufnahme wurde auf YouTube mit englischen Untertiteln veröffentlicht:

Staatssekretär wurde vorab informiert
Die Justizministerin gab in der Aufnahme weiters zu, dass Staatssekretär Völner bereits im Vorfeld darüber informiert wurde, was für ein Verfahren gegen ihn angestrengt werde. Gleichzeitig beklagt Varga, dass die Mitarbeiter der Staatsanwaltschaft nicht komplett von der Regierungspartei Fidesz gesteuert würden: Generalstaatsanwalt Peter Polt sei „nicht Herr der Lage“ innerhalb seiner Institution, so die Justizministerin wörtlich.

Magyar hatte nach eigenen Angaben direkt vor dem Start des geheimen Mitschnitts seiner Ehefrau Varga den Rücktritt von ihrem Amt empfohlen. Sie habe daraufhin erklärt, das sei eine „Mafia“, aus der man nicht austreten könne. Deswegen habe er entschieden, den Rest des Gesprächs mitzuschneiden, hatte der Oppositionspolitiker, der auch als Rechtsanwalt tätig ist, vor der Veröffentlichung mitgeteilt. Die genannten Aussagen finden sich allerdings nicht in der Aufnahme.

Varga: „Wurde erpresst“
Unmittelbar nach Veröffentlichung des Audios reagierte Varga mit einem langen Posting auf Facebook. Magyar habe sie mit der Aufnahme bereits seit einem Jahr „erpresst“, schrieb die Ex-Ministerin. Im Laufe ihrer 16 Jahre andauernden Ehe habe er auch verbale und physische Aggression gegen sie angewandt, warf sie ihm vor.

Ministerpräsident Orban wollte sich laut Bericht der Website Telex.hu nicht zu der Causa äußern, sein Vertrauter Gergely Gulyas, der die Staatskanzlei leitet, erklärte demnach, es handle sich um einen „Familienstreit“, der in der Öffentlichkeit „nichts zu suchen“ habe.

Früher im Fidesz-Umkreis, jetzt Regierungsgegner
Unter großem Medieninteresse fuhr Magyar am Dienstag zur Staatsanwaltschaft, um dort als Zeuge in dem Fall auszusagen und nach eigenen Angaben Beweise für seine Behauptungen vorzulegen. Der Jurist Magyar war lange als Funktionär im Umkreis von Orbans Regierungspartei Fidesz tätig, unter anderem als Leiter des Zentrums für Studienkredite. Seit dem Rücktritt von Staatspräsidentin Katalin Novak im Februar wegen einer Begnadigung in einem Pädophilie-Skandal, wegen der sich gleichzeitig auch Varga aus der Politik zurückziehen musste, attackiert er jedoch massiv die Regierung.

Tausende bei Demo in Budapest
Für Dienstagabend hatte Magyar auch spontan zu einer Demonstration in Budapest aufgerufen, Tausende Menschen versammelten sich dazu, berichtete das Online-Portal „24.hu“. Die Menge versammelte sich zunächst vor dem Gebäude der Generalstaatsanwaltschaft und forderte den Rücktritt von Generalstaatsanwalt Peter Polt. In seiner Rede betonte Magyar, dies sei keine linke oder rechte Demonstration, sondern hier erkläre das ungarische Volk, dass es reiche. 

Die Demonstranten zogen mit Fackeln und Fahnen weiter zum Vertanuk-Platz. Laut Magyar regiert in Ungarn eine Mafia, mit Orban an der Spitze. Zugleich hinterfragte der Jurist in seiner Rede, warum es eine Rechtssprechung gebe, wenn Orbans Kabinettschef Rogan darüber entscheide, welches Ermittlungsmaterial einem Gericht vorgelegt werde. In seiner Ansprache forderte Magyar weiter: „Bis hierher und nicht weiter, setzen wir die Regierung unter Druck.“

Will Partei gründen
Für 6. April kündigte Magyar eine weitere Demonstration an, diesmal auf dem Kossuth-Platz vor dem Parlament. Am 15. März, dem Nationalfeiertag zum Gedenken an die Revolution von 1848, konnte der aufstrebende Oppositionspolitiker Zehntausende zu einer Demonstration gegen die Regierung Orban mobilisieren. Falls er, wie angekündigt, eine eigene Partei gründet, könnte er laut Umfrageinstituten bei einer Wahl auf bis zu neun Prozent der Stimmen hoffen.

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