Schlecker-Käufer

Rudolf Haberleitner: “Ich will den ganzen Balkan”

Wirtschaft
02.08.2012 22:20
Wer ist dieser Mister Schlecker und woher kommen seine Millionen? Im Interview mit Conny Bischofberger erzählt Rudolf Haberleitner vom Deal seines Lebens.

Wollzeile 24, nicht weit vom Wiener Stephansplatz entfernt. Hier ist der Sitz von TAP 09. Der ulkige Name steht für "Turnaround Platform", ein Fonds, der 500 Millionen Euro schwer sein soll. Im Empfangszimmer hängt Churchills Spruch vom Unternehmer. Rudolf Haberleitner wirkt sehr vergnügt, als er uns in sein Büro bittet. Ein Apple beamt das neue blaue Logo seiner Shops an die Wand; eintreffende Mails inklusive. Warum heißen sie nicht mehr "daily"? "Wir haben die Buchstaben vertauscht. 'dayli' ist schöner als 'daily'. Und unverwechselbar."

Im Interview spricht der Mann so schnell, dass man ihm kaum folgen kann. "Meine Gedanken rasen nur so dahin", entschuldigt sich der 67-Jährige. Eine medizinische Untersuchung habe ergeben, dass er "kerngesund" sei und rein theoretisch 125 Jahre alt werden könnte. Für seine hochgesteckten Pläne könnte das ganz praktisch sein.

"Krone": Herr Haberleitner, Sie sind Jäger. Hat das bei Ihrem Coup eine Rolle gespielt?
Rudolf Haberleitner: Und wie! Ein Freund von mir war Lieferant bei Schlecker. Er rief mich eines Tages an und sagte: "Du, ich verliere gerade fünf Millionen. Der Schlecker ist bald pleite." Also wusste ich es schon vor allen andern. Ich hab' mich dann an den Herrn Schlecker herangepirscht, so leise, dass es nirgends geknackst hat. Wir vereinbarten ein gegenseitiges Sprechverbot. Ich dachte mir: "So einen Multiplikator wie diese Filialen kriege ich in meinem Leben nie wieder. Du musst sie erwischen, bevor sie insolvent werden." Diesen Zeitpunkt habe ich genau getroffen. Mich hatte so richtig der Beutetrieb gepackt.

"Krone": Viele wundern sich, dass Sie 1.350 Filialen in fünf Ländern übernehmen und sogar noch neue planen. Woher nehmen Sie die Zuversicht, dass das gut geht?
Haberleitner: Aus Marktstudien, die ergeben haben, dass es in weiten Teilen Österreichs keine Nahversorgung mehr gibt. Die Leute brauchen oft zwei Stunden, um in die großen Märkte zu fahren, dort werden sie nicht bedient, sondern abgespeist - und das Benzin ist teuer. In unseren dayli-Shops ist es genau umgekehrt. Ich habe Hunderte Briefe von Familien am Land bekommen, die sich bei mir bedanken. Da unterschreiben sogar die Kinder mit. Ich hab' das nicht gepackt, das war wirklich rührend. Da wurde mir bewusst, dass unser Konzept auch eine sehr starke soziale Komponente hat. Seither macht es mir noch mehr Spaß. Ich glaube übrigens nicht, dass sich viele wundern, ich glaube eher, dass sie neidisch sind.

"Krone": Warum sollte Ihnen gelingen, woran Adeg, Zielpunkt und viele Greißler gescheitert sind?
Haberleitner: Weil wir ein schlüssiges Konzept haben. Bei uns bekommt der Kunde alles - Lebensmittel, 45 Dienstleistungen von Putzerei bis hin zum Leihauto, Mode und Marken vom Brand-Corner, ich plane sogar Espresso von Mr. Clooney an der Kassa. Wir wollen auch einen Terminal in jedem Laden haben, auf dem der Kunde die billigsten Fernseher und Waschmaschinen checken und gleich bestellen kann. Der muss dann nicht mehr zum Mediamarkt fahren. Er macht nur "Klick", und in zwei Tagen wird ihm das nach Hause geliefert. Zahlen kann er es in seinem dayli-Shop, wo er auch seine Semmerl holt und seine Zahnpasta kauft. Das alles bei einem hohen Preis-Leistungs-Verhältnis und - wo das möglich ist - sieben Tage die Woche.

"Krone": Ist das nicht logistischer Wahnsinn? Sie brauchen zum Beispiel 1.350 Kühltruhen.
Haberleitner: Na und? Die stellen mir die Lieferanten gratis hin.

"Krone": Und damit wollen Sie gegen die Supermärkte konkurrieren?
Haberleitner: Ich setze denen nur eins entgegen: Dass ich dort bin, wo die Konsumenten sind. Mehr brauche ich nicht.

"Krone": Die Schlecker-Filialen sind zum Teil in trostlosem Zustand und befinden sich in schlechten Lagen. Haben Sie das bedacht?
Haberleitner: Das sind sehr gute Lagen, nämlich Nahversorgungslagen! Und was die Schaufenster betrifft: Da brauche ich nur ein paar neue Poster. Das kostet dreimal nix. Und das Aufkleben machen die Filialen selber.

"Krone": Welchen Eindruck hatten Sie von der Schlecker-Belegschaft?
Haberleitner: Wir haben ja eine Frauenquote von 97 Prozent. Vor drei Tagen war Betriebsversammlung, bei der ich mein Konzept erklärt habe. Da haben viele Frauen geweint vor Freude. Das war für mich ein unglaubliches Erlebnis.

"Krone": Woher kommen die 52 Millionen, die Sie bis 2016 investieren wollen?
Haberleitner: Zum Teil von mir selbst. Es sind auch einige Industrielle dabei, zwei Privatbanken, einige Stiftungen und viele Vermögende. Gerade heute hat mich ein sehr bekannter Wiener angerufen, der auch noch einsteigen will. Ich hab ihm gesagt: "Mit 250.000 sind Sie dabei." Das war für ihn gar kein Thema. Ich bekomme jeden Tag an die 20 Mails, ob man noch reingehen kann. (lacht)

"Krone": Was ist die höchste Einlage?
Haberleitner: Fünf Millionen. Es sind auch Investoren dabei, die das Zehnfache einlegen können, aber das brauche ich im Moment gar nicht.

"Krone": Gibt es schon Werbespots und Inserate?
Haberleitner: Wir werden hauptsächlich mit Aktionen werben. Wir haben eine unglaubliche Aktion in Planung, die war noch nie da auf der Welt. Das wird alles toppen, Sie werden sehen.

"Krone": Zweifel kennen Sie wohl keine, stimmt's?
Haberleitner: Woran sollte ich zweifeln? Dann hätte ich es nicht kaufen dürfen.

"Krone": Wie viel hat Schlecker insgesamt gekostet?
Haberleitner: Das kann und darf ich nicht sagen. Bitte. Ich habe ein wirkliches Verbot. Nur so viel: Wir haben gut verhandelt. Wir haben sicher nicht zu viel bezahlt, aber auch nicht zu wenig. Man muss leben und leben lassen.

"Krone": Sind Sie in Wahrheit eine Heuschrecke?
Haberleitner: Heuschrecken sind Investoren, die so im Underground herumfuhrwerken. Dafür ist dieser Deal zu groß. Den könnten auch hundert Heuschrecken nicht schaffen.

"Krone": Ist das der Höhepunkt Ihrer Karriere?
Haberleitner: Das kann man fast sagen, obwohl ich schon andere Höhepunkte erlebt habe. Zum Beispiel mit der Hirsch-Gruppe. Da habe ich ein Produkt mit null Appeal, nämlich ein Uhrband, zum Weltmarktführer gemacht und noch dazu zu einem Markenartikel. Das war mein persönlich größter Erfolg.

"Krone": Ärgern Sie sich über die vielen Skeptiker, die jetzt auch Ihre beruflichen Niederlagen zitieren?
Haberleitner: Na, überhaupt nicht. Ich werde ihnen beweisen, dass Sie unrecht haben.

"Krone": Was ist Ihr Endziel?
Haberleitner: 3.000 Filialen in 20 Ländern, von Süddeutschland bis Ex-Jugoslawien. Ich will den ganzen Balkan, so schaut's aus.

Der unbekannte Retter
Geboren am 8. April 1945 in Spitz an der Donau. Rudolf Haberleitner macht eine Techniker-Lehre und studiert Wirtschaft in den USA. Der Sanierungs-Spezialist wollte schon Libro und Palmers kaufen. Bei Schlecker setzte er sich gegen Josef Taus durch. Sein Fonds TAP 09 übernimmt 1.350 Filialen und 4.600 Mitarbeiter. Der zweifache Vater ("Ich habe eine lange und eine kurze Ehe hinter mir") ist Jäger und Golfer und geht gerne Bergwandern. Er lebt - wieder liiert - in Wien und Mariazell.

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