Fragliches Ergebnis

Putin nach Wahl: „Zeigt Vertrauen der Russen“

Ausland
17.03.2024 22:44

Nach einer von Manipulationsvorwürfen begleiteten Präsidentenwahl hat Russlands Wahlkommission Kremlchef Wladimir Putin ein Rekordergebnis von vorläufig knapp 88 Prozent der Stimmen zugesprochen. Das teilte die Wahlleiterin Ella Pamfilowa am Sonntagabend nach Auszählung von fast einem Viertel der Stimmzettel mit. Damit legte der 71-jährige Putin um mehr als zehn Prozentpunkte im Vergleich zur Wahl von 2018 zu. Putin selbst dankte seinen Landsleuten in einer ersten Reaktion.

„Wir sind ein geeintes Team, alle russischen Bürger, die in die Wahllokale gekommen sind und gewählt haben“, sagte Putin in einer Rede vor seinem Wahlkampfteam, die vom Staatsfernsehen übertragen wurde. Die Wahlergebnisse zeigten das „Vertrauen“ der Russen in seine Führung. Zugleich betonte er, er wolle alles in seiner Macht Stehende tun, um die an die Führung gestellten Aufgaben zu erfüllen, wie die Staatsagentur Tass weiter berichtete.

Russland könne nun stärker und effizienter werden. Er werde die Gesellschaft „konsolidieren“ und dann werde niemand mehr Russland unterdrücken, versicherte Putin. Er sei sich sicher, dass alle Ziele erreicht würden. Unter Verweis auf den die Entwicklung in der Ukraine sagte Putin, die russischen Streitkräfte machten jeden Tag Fortschritte. Gleichwohl müsse die Armee gestärkt werden.

Auch Wahlbeteiligung enorm hoch
Das Ergebnis gilt als das beste ihm je zuerkannte. Auch die Wahlbeteiligung war mit über 74 Prozent ein Rekord. Es war der höchste Wert bei einer russischen Präsidentenwahl. Kritiker wiesen jedoch darauf hin, dass er nur durch Repressionen, Zwang und Betrug erreicht wurde. Die ersten aussagekräftigen Resultate soll es an diesem Montag geben. In der Regel stimmen die Prognosen mit dem am Ende verkündeten Ergebnis überein.

Beobachter haben die von Protesten begleitete Abstimmung als undemokratisch eingestuft, weil keine echten Oppositionskandidaten zugelassen waren. Zudem gibt es in Russland keine Versammlungsfreiheit, die vom Kreml gesteuerten Medien sind gleichgeschaltet. Unabhängige Medien werden politisch verfolgt. Andersdenkende, die Putins Krieg gegen die Ukraine oder den Machtapparat kritisieren, riskieren Strafen bis hin zu Lagerhaft.

Mitbewerber als Statisten
Putins drei Mitbewerber waren nicht nur alle auf Kremllinie, sondern galten auch von vornherein als komplett chancenlos. Nach Schließung der Wahllokale wurden dem Kommunisten Nikolai Charitonow gemäß der ersten Ergebnisse weniger als vier Prozent der Stimmen zuerkannt; Wladislaw Dawankow von der liberalen Partei Neue Leute lag ebenfalls bei unter vier Prozent; der Ultranationalist Leonid Sluzki erreichte rund drei Prozent.

Aufgerufen zu der Wahl waren 114 Millionen Menschen, auch jene in den besetzten Gebieten in der Ukraine. Der heute 71-jährige Putin herrscht seit 1999, darunter war eine Amtszeit als Ministerpräsident. Nach einer im Jahr 2020 bestätigten Verfassungsänderung könnte Putin 2030 erneut für weitere sechs Jahre antreten. Er hat das Land gut zwei Jahre nach Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine fest im Griff.

Putins Kurs dürfte nun noch radikaler werden
Putin dürfte das Ergebnis als Bestätigung seines antiwestlichen und autoritären Kurses präsentieren. Auch innenpolitisch könnten die Daumenschrauben im Land noch einmal deutlich stärker angezogen werden, um den an den drei Wahltagen sichtbaren Protest von Putins Gegnern zu ersticken. Angekündigt sind zudem Steuererhöhungen, mit denen die hohen Ausgaben für den Krieg und die sozialpolitischen Vorhaben finanziert werden sollen.

Der nun für weitere sechs Jahre gewählte Kremlchef dürfte das Ergebnis auch als klaren Ansporn nutzen, um der Ukraine noch mehr Gebiete zu entreißen. Putin hat angekündigt, die bisher teils besetzten ukrainischen Regionen Luhansk, Donezk, Cherson und Saporischschja komplett einzunehmen. Auch Odessa im Süden droht ein russischer Besatzungsversuch.

Hoher Wert wohl durch systematischen Betrug
In den okkupierten Teilen und auf der von Russland bereits 2014 annektierten Schwarzmeer-Halbinsel Krim stimmten Menschen ebenfalls bei der von Putin-Gegnern als Farce kritisierten Wahl ab. Die Ukraine und andere Länder weisen die unter Bruch des Völkerrechts organisierte Abstimmung als illegal und bedeutungslos zurück. Das Außenministerium in Kiew forderte die internationale Gemeinschaft auf, die Ergebnisse nicht anzuerkennen.

Unabhängige Beobachter wiesen auf systematischen Betrug hin, der hinter diesem hohen Wert für Putin stecke. So wurden seit dem ersten Wahltag am Freitag massenhaft Fälle dokumentiert, in denen etwa Angestellte staatlicher Firmen zur Stimmabgabe gedrängt wurden und teils sogar Beweisfotos von ihrem ausgefüllten Wahlschein machen mussten. Kritiker beklagten zudem, dass insbesondere das Online-Verfahren leicht manipulierbar sei. Beobachter dokumentierten auch das massenhafte Stopfen von vorab ausgefüllten Stimmzetteln in die Urnen.

Wenig Hoffnung auf politischen Wandel
Neben einem noch brutaleren Vorgehen beim Überfall auf die Ukraine erwarten Experten, dass Repressionen in Russland zunehmen. Schon jetzt gibt es keine Versammlungsfreiheit oder freie Berichterstattung von Medien, Andersdenkenden droht Haft, wenn sie den Krieg oder den Machtapparat kritisieren. Vor allem aber ist die Opposition ausgeschaltet, weil führende Köpfe im Straflager sitzen oder ins Exil ins Ausland geflohen sind. Die Hoffnung auf politischen Wandel in Russland hatte sich zuletzt auch nach dem Tod des Kremlgegners Alexej Nawalny zerschlagen.

Diese fehlenden Freiheiten in Russland und die Gleichschaltung der vom Kreml gesteuerten Medien gelten als wichtigste Grundlage dafür, dass Putin seine Macht verteidigt. Allerdings erwartet die Politologin Tatjana Stanowaja zunehmende Probleme für den Kreml, die Zügel der Macht fest in der Hand zu behalten. Putins Positionen seien unausgewogen, die Ziele des Krieges unklar; und es gebe spürbare Eingriffe in das Privatleben, schrieb Stanowaja in einer Analyse für die Denkfabrik Carnegie. „All dies wird unweigerlich Druck auf das Regime von innen erzeugen“, meinte sie. „Das bedeutet nicht, dass das Regime zusammenbricht oder dass es zu Massenprotesten kommen wird.“ Doch werde der Einfluss der Eliten wachsen und die Bedeutung Putins abnehmen.

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