Stadtspaziergänge

Bierpartei: Marketingschmäh oder Polit-Erlösung

Wien
29.01.2024 14:00

„Krone“-Reporter Robert Fröwein flaniert durch die Stadt und spricht mit den Menschen in Wien über ihre Erlebnisse, ihre Gedanken, ihre Sorgen, ihre Ängste. Alltägliche Geschichten direkt aus dem Herzen Wiens.

An einem nasskalten Novemberabend befand ich mich im WUK beim Europavox-Festival, um interessante und zukunftsträchtige Bands aus dem europäischen Indie- und Alternativebereich zu sehen. Als ich im Backstagebereich auf ein Interview wartete, unterhielt ich mich spontan mit einem norwegischen Musiker. Kurzerhand kamen wir über das politische Geschehen zu sprechen und er erwähnte freudig die Bierpartei. Dass man in Norwegen sehr wohl mitbekommen würde, dass ein junger Musiker in Österreich versucht, mit linken Themen dem Rechtsruck den Kampf anzusagen. Dass er sich grob über die Ansichten der Partei informiert hätte und froh wäre, hätte er in seiner norwegischen Heimat eine solche Option.

Vor wenigen Tagen verkündete Turbobier-Frontmann Marco Pogo aka Dominik Wlazny, dass er mit seiner Bierpartei auch für die kommenden Nationalratswahlen kandidieren werde. Während im linken Segment fischende Parteien wie die SPÖ, die Grünen und die KPÖ mehr oder weniger öffentlich mit Schnappatmung darauf reagierten, sprach Wlazny von der „alten Mär des Stimmenwegnehmens“. Fakt ist, dass die Bierpartei von einem anfangs skurrilen Kuriosum zumindest in Wien zu einem ernstzunehmenden Player gewachsen ist. Sie ist wild umstritten und wird in der Öffentlichkeit von zwei diametral auseinanderliegenden Seiten wahrgenommen. Die einen behaupten, Wlazny würde mit seiner Kandidatur zum Steigbügelhalter Herbert Kickls werden, andere hoffen darauf, dass die Bierpartei sich jener (sozialer) Themen annehmen würde, die von Rot und Grün nur propagiert, aber nicht umgesetzt würden.

Die Themensetzung des 37-jährigen Parteichefs ist links der Mitte zu verorten. Es geht um Chancengleichheit, um Geschlechtergerechtigkeit, um ein gutes Bildungswesen als Schlüssel zu gelungener Integration und darum, die medizinische Versorgung im Land möglichst niederschwellig zu gestalten. Um den Nationalratswahlkampf zu finanzieren, will die Bierpartei bis Ende April 20.000 Mitglieder anwerben, auf Großspender verzichtet man. Dass sich schon in den ersten 24 Stunden mehr als 2.200 Personen bewarben, gibt Wlazny Rückenwind, den er dringend brauchen kann. Während die einen ihn als eine Art Erlöser der politischen Linken sehen, vermuten andere ein Marketingprodukt, dem es am Ende nur um die Cross-Promotion für Turbobier und die Kunstfigur Pogo geht.

Am 26. Jänner erschien mit „Nobel geht die Welt zugrund“ das neue Studioalbum von Wlaznys Alko-Spaß-Combo, den gesamten März nützt die Band, um damit in Österreich, Deutschland, der Schweiz und diversen Nachbarländern auf Tour zu gehen. Davor und danach ist Wlazny bis Mai als sein Alter Ego Marco Pogo mit dem Kabarettprogramm „Gschichtldrucker“ unterwegs. Auch wenn die Nationalratswahl nicht auf den Frühling vorgezogen werden würde, bleibt die Frage, wie sehr sich ein Spitzenkandidat einer Partei auf das Wohl des Landes fokussieren kann, wenn er sich monatelang auf seine breit angelegte Unterhaltungsschiene konzentriert. Zudem fehlt den inhaltlichen Schlagworten bis dato ein tiefergehendes Konzept. Wieweit Wlazny auch abseits der Bühne „Gschichtldrucker“ ist, wird sich in naher Zukunft zeigen. In Wien ist man sich jedenfalls nicht so sicher wie in Teilen Norwegens, ob die Bierpartei für notwendige Veränderungen sorgen kann.

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