Seit 70 Jahren erfreut das Wiener „Volkstheater in den Bezirken“ die Bewohner der Wiener Grätzel. Anlässlich der Premiere von Peter Schaffers Stück „Amadeus“ im VZ Brigittenau, baten wir die neue Leiterin, Lisa Kerlin, zum Gespräch.
„Krone“: Sie sind gebürtige Deutsche, haben in Bochum studiert, in Dortmund gelebt. Wie gefällt’s Ihnen hier?
Lisa Kerlin: Ich finde Wien ganz toll, und habe die Stadt und das Volkstheater sehr ins Herz geschlossen. Ich komme aus dem Ruhrgebiet, da herrscht eine ganz andere Mentalität. Wien muss man sich ein bisschen erarbeiten. Es ist keine Stadt, die einen vorbehaltlos mit offenen Armen empfängt. Man muss sich an sie rantasten und auf das gemütliche Tempo einstellen. Das kommt mir persönlich entgegen, das meine ich also sehr positiv! Die Stadt hat eine gute künstlerische Energie, und die Kultur hat einen unglaublich hohen Stellenwert. In Dortmund gibt es nichts Wichtigeres als den Fußballclub BVB. So gesehen ist Wien Balsam für mich! In der „ZIB“ gibt es einen eigenen Kulturteil! Wahnsinn!
Nehmen Sie zwischen den Bezirken Unterschiede wahr?
Die Bezirksfrage ist ja extrem wichtig in Wien, habe ich festgestellt, Menschen und Architektur sind von Grätzl zu Grätzl verschieden.
Hat das auf die Stückauswahl Einfluss?
Gute Frage! Es ist immer eine Kunst beim Programmieren nicht einfach den kleinsten gemeinsamen Nenner zu finden. Würde man das tun, wäre es schnell nicht mehr „mutig“. Für diese Spielzeit haben wir uns für Stücke wie „Amadeus“ und „Elektra“ entschieden. Damit gehen wir einen Weg, der für unser Publikum unter „bekannt“ und „beliebt“ abgehakt werden könnte, verleihen diesen Stücken aber einen neuen, frischen und frechen Anstrich, den es in dieser Form nur bei uns geben kann. Und ich glaube es werden sich viele freuen, dass bei „Amadeus“ nur ÖsterreicherInnen auf der Bühne sind (lacht), man also kein bundesdeutsch hört.
Hat das Publikum bei Ihnen weniger Schwellenangst?
Ja, das ist ja die Grundidee des Projekts, die Niederschwelligkeit und Nähe: Kulturbesuch so leicht wie möglich zu machen. Oft sagen die Leute: Ich komm lieber zu euch, da muss ich mir keine Sorgen machen, was ich anziehe!
Warum ist Theater wichtig?
Es ist ein Live-Erlebnis, das uns Netflix & Co. nicht bieten kann. Zuschauen, wie Kunst entsteht. Diese Theatermagie kann einfach sehr bereichernd und beglückend sein.
Was ist für Sie die größte Herausforderung?
Da sind die verschiedenen Spielstätten! Die Herausforderung in diesem speziellen Fall liegt vor allem auch auf der Seite unserer großartigen Techniker und Bühnenbildner. Es muss alles so gebaut sein, dass es für die unterschiedlichen Spielstätten skalierbar ist. Und es ist eine Herausforderung, diese gewisse Theatermagie in teils sehr große Säle zu bringen. Manche haben 450 Plätze, das ist fast der Volkstheater-Saal!
Haben Sie nicht Lust, ein großes Haus zu leiten?
Ja, auf jeden Fall. Ich glaube daran, dass es möglich ist Theater zu machen, ohne dass es immer Krise sein muss. Ich würde gerne noch intensiver daran arbeiten, Strukturen zu schaffen in denen alle in Ruhe und Frieden ihre Kunst machen können.
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