Interview und Ö-Tour

Dub FX: „Möchte die Herzen der Menschen gewinnen“

Wien
02.10.2023 09:00

Dieser Tage veröffentlichte der Australier Benjamin Stanford aka Dub FX sein brandneues Album „Infinite Reflection“, auf dem er sich mit seiner Loopstation wieder den gemütlichen Gefühlen des Lebens widmet. Damit kommt er auch für vier Konzerte in Österreich. Im großen „Krone“-Interview gibt er uns detaillierte Einblicke in sein buntes, von Reisen inspiriertes Leben.

„Krone“: Benjamin, du hast mehrmals erwähnt, dass du ein Riesenfan des legendären Nirvana-Albums „Nevermind“ wärst und du bist mit Crossover- und Grunge-Bands der 90er-Jahre aufgewachsen. Welchen Einfluss hatten diese Bands auf dich und deine Musik?
Benjamin Stanford/Dub FX:
Vor Nirvana gab es in der Kindheit eigentlich nur so poppige Sounds - heute würde man wohl Disney-Musik als Vergleich dazu heranziehen. Als ich elf Jahre habe ich in der CD-Kollektion meines Vaters erstmals „Smells Like Teen Spirit“ gehört, weil mir das „Nevermind“-Cover so gut gefiel. Ich habe mich sofort in diesen Sound verliebt. Mein Dad hatte auch noch die „Dookie“ von Green Day und so wurde mir der Weg geebnet. Davor habe ich übrigens in Italien gelebt, wo ich mit ungefähr acht hinzog, bevor es mit elf zurück nach Australien ging. In Italien wurde in den 90ern fast nur Dance-Musik gespielt, aber die zweite Phase von Australien hat mich dann zu Nirvana, den Beastie Boys, Faith No More und den Red Hot Chili Peppers gebracht, die meine absolute Lieblingsband waren.

Wie hast du schlussendlich aus dieser bunten Gemengelage deinen eigenen Stil herausgearbeitet?
Wenn ich zurückschaue, dann habe ich damals nicht realisiert, dass ich etwas Frisches und Neues kreiere. Ich habe einfach das gemacht, was ich am meisten mochte: Heavy Metal, Punk und Hard Rock. Mein Vater war infiziert vom Buena Vista Social Club, als der legendäre Film über sie herauskam. Ich dachte, es wäre Reggae, aber er hat mir dann Bob Marley gezeigt. Mit 15 war ich in diesen Bereichen unterwegs, aber gleichzeitig habe ich mit anderen Musikern in der Schule zu jammen begonnen. Da waren Gitarristen dabei, die Steve Vai und Metallica verehrt haben. Ich hatte zudem einen tollen Musiklehrer, der mich für Jazz begeisterte. Als ich 17 wurde, habe ich mir Ecstasy eingeworfen und hörte auf einem Rave das erste Mal Techno - ich war völlig weggeblasen. Mein heutiger Manager und damals bester Freund war total im Hip-Hop verankert und so habe ich irgendwie alles gleichzeitig gehört. Ich spielte damals gleichzeitig in einer Metal-, Reggae- und Hip-Hop-Band, habe für DJs gesungen und mit Effektpedalen meine Stimme verzerrt.

Zudem habe ich als Gitarrist Akustikgigs gespielt. Auch das Beatboxen habe ich probiert, aber etwas fehlte. Als ich dann auf der Straße einen Typ mit einer Loopstation sah, war das fehlende Puzzleteil gefunden. Ich habe Beatboxing ausgeführt und Bass-Klänge mit den Pedals nachgemacht. Meine Loopstation bekam ich zu Weihnachten mit 23 von meinem Vater. Ich habe dann meine in Italien lebende Mutter besucht und habe dort angefangen, auf der Straße zu spielen. Mit der Loopstation und den Pedalen habe ich etwas kreiert, was die Leute noch nie gesehen haben. Dub FX in seiner Essenz ist ein Gitarrenklang, der mit meiner Stimme erzeugt wird. Die Leute sagen, ich klinge so einzigartig, aber das entstand daraus, dass ich einen Hip-Hop- oder Reggae-Track erzeugen wollte und mir das im klassischen Sinne nicht gelang. Ich hatte nie den Vorsatz, neue Musik zu erfinden.

Es ging also um den Jam-Charakter, um Improvisation und darum, die eigenen musikalischen Helden ein bisschen nachzuahmen?
Und darum, CDs zu verkaufen. Das war damals meine einzige Einnahmequelle. Über die Tage lernte ich, wie man die Leute am leichtesten dazu bewegt, stehenzubleiben und eine CD zu kaufen. Wenn sie komplett aus dem Häuschen sind oder überhaupt nicht fassen können, was sie da gerade sehen, dann ist die Chance dafür am größten. Sie sehen einen Typen mit einem kleinen Verstärker, einer Loopstation und ein paar Pedalen und es klingt wie direkt von einer CD gespielt. Wenn ich dann noch gute Melodien und tolle Lyrics habe, dann habe ich die Herzen der Menschen gewonnen.

Hast du abseits der Musik auch immer nach dem Rampenlicht gesucht? Wolltest du aktiv von den Leuten wahrgenommen werden?
Unbewusst ist das sicher passiert, sonst hätte ich mich nicht mitten auf die Straße gestellt. Vor Dub FX wollte ich in den Bands nur von einem großen Label unter Vertrag genommen werden, um dann auf MTV zu laufen. Das war damals der einzige Weg, um es als Band wirklich zu schaffen. Bei der Straßenperformance wollte ich die Welt bereisen, viele Abenteuer erleben, davon inspiriert werden und dann, zu Hause zurückgekehrt, ein grandioses Album schreiben, mit dem ich zu einem Plattenvertrag komme. Das war das Ziel der Reise. Auf der Reise merkte ich aber, ich kann auch CDs verkaufen und mir die nächsten Schritte selbst finanzieren - das wurde dann zu meinem Ding.

Große Plattenfirmen und ihre Verträge haben auch längst nicht mehr die Wichtigkeit, die sie früher hatten. Als Künstler müsstest du diesen Paradigmenwechsel doch begrüßen?
Das war einmal so, aber es stimmt leider nicht mehr. Die Algorithmen auf Facebook, YouTube, Spotify und Co. haben die Möglichkeit zerstört, dass Underground-Künstler mit ihrer Kunst schneller bemerkt werden können. Ich habe auf Facebook mehr als 600.000 Fans, aber ich erreiche sie nicht mehr. Früher ging das relativ einfach und sie sahen all meine Posts. Selbst wenn ich für die Werbung zahlen würde, erreiche ich nur sechs Prozent meiner Fans. Ich war einst einer der ersten, der direkt online mit seinen Fans kommunizierte. Ich war einmal in Singapur auf einer Musikkonferenz und dort wurde ich in einer Präsentation vorgestellt als Beispiel, wie die Zukunft aussieht. Das war mir damals gar nicht klar, aber ich war wohl zu dieser Zeit einer der Innovatoren. Das hat mich dann selbst beeindruckt, weil es bei mir einfach keine Mittelstationen gab. Keine Plattenfirmen, keine Radios, keine Journalisten - nichts. Aber diese Leute wollten natürlich weiter am Kuchen mitschneiden und haben Mark Zuckerberg dann die Algorithmen eingebläut. Deshalb bin ich wieder auf einer Plattenfirma, hoffe das Radio und gebe dieses Interview. Sonst würde keiner mehr mitkriegen, dass ich überhaupt existiere.

Du warst immer sehr DIY unterwegs und hast in erster Linie dir und deinem eigenen Gespür vertraut. Macht es diese Einzelkämpfer-Haltung schwieriger, sich immer wieder neuen Strömungen und Veränderungen aussetzen zu müssen?
Zum Glück habe ich einen Freund/Manager, der das Lernen von Medien und neuen Technologien liebt und mit Leidenschaft macht. Ich hasse es und will gar nichts davon hören, sondern lieber Musik erzeugen, viel reisen und eine gute Zeit mit meiner Familie verbringen. Ich muss mich zum Glück nicht um das Geschäftliche scheren. Wir haben einen Business-Account und ich vertraue ihm da blind.

Stichwort Reisen - du hast im September 2021 das letzte Mal hier in der Wiener Grellen Forelle gespielt, damals als einer der wenigen internationalen Künstler. Hat Corona auch abseits des Monetären dein gewohntes Leben zerstört?
Ich war lange Zeit in Melbourne, aber die Stadt wird immer abgefuckter. Ich lebte die letzten zehn Jahre in Australien und reiste zweimal pro Jahr nach Europa. Meist für Sommerfestivals und für eine Herbsttour. 2019 habe ich extra ein bisschen gebremst, weil wir 2020 den ganz großen Durchbruch schaffen wollten. Die Voraussetzungen waren lange sehr gut. Gerade am Beginn einer großen Tour hat die Welt zugemacht. Es war furchtbar für das Business, aber es war großartig, um mich mit meiner Familie und meinen zwei Kids zu verbinden. Ich konnte sie aufwachsen sehen und wurde selbst fauler, weil ich meine Zeit gerne so verbrachte. Während Corona zogen wir dann nach Europa, was das Leben viel einfacher macht. Durch Europa zu fliegen geht schnell, von Australien kommst du nicht schnell weg.

Du bist nach Lissabon gezogen. Ein Ort, an dem überraschenderweise viele Künstler aus Übersee dauerhaft oder zumindest für eine unbestimmte Länge landen. Wieso genau diese Stadt?
Lissabon hat tolles Wetter, tolles Essen und man kann dort sehr billig leben. Portugal an sich ist ein Land, das stark im Kommen ist. Paris, Berlin oder London sind natürlich noch einmal andere Kaliber, aber Lissabon ist im Kulturverständnis und der Lebensweise wie ein kleines Barcelona für mich. Die Surf-Kultur ist großartig und es gibt einen funky Vibe. Ich mag diesen ganzen Hipster-Scheiß ganz gerne. (lacht)

Während Corona warst du dazu gezwungen, so wenig wie möglich zu reisen. Wie ist ein Typ wie du damit klargekommen?
Ich bin ungefähr 16 Jahre lang gereist wie ein Irrer. Jetzt, mit den Kids, bin ich froh, wenn ich auch mal meine Ruhe habe und mich entspannen kann. Ich habe in Europa fast jedes Land schon zehn Mal oder öfter gesehen. Ich habe 2010 sogar ein Jahr lang in der Feldgasse im achten Wiener Gemeindebezirk gelebt, war dann später auch in Südafrika. Es ist okay, wenn es jetzt mal eine Zeit lang ruhiger ist.

Die Reisen waren aber auch immer ein wichtiger Grundstein für deine Inspiration. Hast du im kreativen Bereich gespürt, dass dir da etwas fehlt?
Auch nicht. Es inspiriert mich gar nicht so sehr das Reisen, sondern mehr die schönen und bedeutungsvollen Gespräche mit Menschen. Meine Kinder oder meine tolle Frau sind natürlich auch wichtig. Als ich kubanischen Jazz und jamaikanischen Reggae hörte, hörte ich gleichzeitig Radiohead, Limp Bizkit und Korn. Ich fragte mich damals, warum diese privilegierten weißen Typen so wütend und depressiv klingen, die völlig verarmten und politisch herausgeforderten Schwarzen aber so fröhlich. Ich konnte mir keinen Reim darauf machen und wollte nie dieser Weiße sein, der depressive, wütende Musik macht. Mein Leben war immer wundervoll. Wir Weißen versuchen oft cooler und tougher zu klingen. Es ist aber wesentlich tougher, positive Musik in einer Gegend zu machen, wo du schweren Restriktionen ausgesetzt bist. So ist für mich Bob Marley wesentlich härter als jeder Metalsong, den ich kenne. Ich höre immer wieder mal harte Musik, aber sie reizt mich nicht mehr sonderlich.

Über die Jahre gewann bei dir vor allem der Reggae an Bedeutung.
Die ganze Kultur drumherum hat mich immer begeistert und fasziniert. Deshalb heißt das Projekt auch Dub FX. Das Album „Roots“ war schon sehr stark vom Reggae inspiriert, weil ich mich auch wieder an meine stärksten Zeiten zurückerinnere, aber das fast zeitgleich erschienene Album „Branches“ ist härter und hat mehr Drum&Bass-Zitate. Es gibt auch stärker an Hip-Hop gemahnende Alben. Ich lasse mich immer vom Moment leiten. Außerdem will ich wieder mal ein reines Beatbox-Album veröffentlichen. Lo-Fi und mit vielen Old-School-Vibes.

Wenn wir schon von den „Roots“, also den Wurzeln sprechen - was ist für dich ein Zuhause? Was würdest du als ein Daheim bezeichnen?
Ich glaube nicht, dass ich ein richtiges Daheim habe. Ich wuchs in verschiedenen Ecken der Welt auf und besitze u.a. die italienische Mentalität, aber auch eine australische. Dennoch passe ich nirgends so wirklich rein. Auch in Großbritannien und bei dem Spirit, der dort in der Drum&Bass-Szene herrscht, fühle ich mich wohl. Ich glaube, es ist vor allem diese Kultur, die für mich wie ein Zuhause ist. Ansonsten natürlich dort, wo meine Frau und meine Kinder sind. Meine Familie erstreckt sich über die gesamte Welt. Die Mentalität der Australier war zum Beispiel nie meins. Die Leute sind dort die ganze Zeit angepisst und die Australier sind ein bisschen wie Amerikaner, wohingegen die Neuseeländer den Briten ähnlicher sind. Wir alle reden gleich und sehen gleich aus, aber es gibt große Unterschiede im Selbstbewusstsein. Die Australier wirken gehirngewaschener und die Neuseeländer bescheidener und entspannter. Sie würden nie über sich selbst reden und sich feiern. Das ist natürlich ein ziemlich pauschales Urteil, das nicht auf alle Menschen zutrifft, aber irgendwo muss man generalisieren, wenn die Mehrheit so ist. (lacht)

Was sind die wichtigsten Dinge, die du über die Jahre bei all deinen gemachten Erfahrungen rund um die Welt gelernt hast?
Es wird so unglaublich viel Bullshit verzapft, wenn es um die Welt geht, das ist unglaublich. Die Massenmedien und der Mainstream sind nicht immer ehrlich und über die Pandemie ist das nur noch schlimmer geworden. Ich bin auf meinem YouTube-Account als Australier eingestuft und sehe dort immer die australischen Medien. Während Corona konntest du in Australien nicht einmal in andere Staaten innerhalb des Landes reisen. Wenn es einen Toten gab, wurde alles abgeriegelt. Was für ein Blödsinn. Was ist bei einem Busunfall? Wo vielleicht fünf Leute sterben? Sperren wir da auch den ganzen Kontinent ab? Dann hört man die Politiker, wie sie das verteidigen und das Land mehr als zwei Jahre völlig zusperren. Sie haben gelogen und den Einwohnern gesagt, in Europa würde nicht gereist werden. Aber mit den Impfungen oder PCR-Tests konntest du reisen, wann und wohin du willst. Und zwar in ganz Europa. So werden die Australier belogen. Ich war immer für die Impfungen, aber nicht verpflichtend, weil das gegen die Menschenrechte geht. Ich bin nicht gegen all die Schritte bei einer Pandemie, aber ich bin stark gegen die Lügen, die uns aufgetischt werden. Sollte ich dadurch  ein Verschwörungstheoretiker sein, dann ist mir das auch egal. (lacht)

Siehst du deine Musik als verbindendes Element? Willst du Leute damit zusammenbringen?
Wie gesagt - ich will keine depressive und wütende Musik schreiben und habe mir schon mit 15 gesagt, dass mein Sound positiv und fröhlich klingen sollte. So klangen die Songs von Bob Marley und sie haben den Leuten geholfen. Dunkle Musik zu schreiben, würde sich falsch anfühlen, dafür bin ich als Person viel zu glücklich und fröhlich. Ich schreibe auch keine Texte, die auf dich als Hörer abzielen. Es gibt kein Ich, sondern immer nur ein Wir. So sehe ich Musik und so kommt sie auf natürlichem Weg aus mir heraus.

Große Tour durch Österreich
Diesen Herbst ist Dub FX mit seinem kunterbunten Beatbox- und Loopstation-Programm gleich viermal bei uns in Österreich zu Gast. Er spielt am 10. Oktober im Wiener Flex, am 11. Oktober im Grazer ppc, am 12. Oktober im Linzer Posthof und am 13. Oktober im VZ Komma in Wörgl. Unter www.oeticket.com gibt es noch Karten und alle weiteren Informationen über die Events.

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