Pflege zu Hause

„Empathie ist ausschlaggebend für den Pflegeberuf“

Vorarlberg
07.06.2023 11:25

Die Menschen werden immer älter. Viele wünschen sich, so lange wie möglich zu Hause in vertrauter Umgebung betreut zu werden. Die Fachkräfte des Krankenpflegevereins machen das möglich.

Vorsichtig löst Johannes Kohlroß den Verband von der Wunde, begutachtet die Stelle, reinigt sie, spricht mit der Patientin: Wie groß sind die Schmerzen? Welche Medikamente hat der Arzt verschrieben? Wie ist das Allgemeinbefinden? Kohlroß ist Pflegeleiter des Krankenpflegevereins Außermontafon. Gemeinsam mit seinen Kolleginnen - insgesamt ein zehnköpfiges Team - betreut er Klienten in sechs verschiedenen Montafoner Gemeinden. Auf Wunsch unterstützt der Verein kranke, betagte und pflegebedürftige Menschen, damit diese so lange wie möglich zu Hause bleiben können.

Dienstantritt ist kurz vor acht Uhr morgens, nach der Frühbesprechung im „Haus Montafon“ in Schruns machen sich die Teammitglieder auf den Weg zu ihren jeweiligen Einsätzen. Zwischen fünf und zehn Patienten werden so pro Fachkraft täglich betreut. Der erste Stopp für Johannes Kohlroß liegt nicht weit vom Verein entfernt: für eine betagte Dame gilt es, die Medikation für die kommende Woche vorzubereiten, ihren Blutdruck zu messen und Rücksprache mit der 24-Stunden-Betreuerin zu halten. Dann geht es weiter in Richtung Bartholomäberg, wo der eingangs beschriebene Verbandswechsel ansteht.

Die Patienten sind sichtlich erfreut über den Besuch des diplomierten Pflegers. Nicht nur, dass sie professionell betreut werden, auch das Zwischenmenschliche kommt nicht zu kurz. Nicht nur über Krankheiten wird geredet - auch das Wetter, der Bau der neuen Wohnungsanlagen in der Gemeinde, der Besuch des Kaminkehrers und anderes mehr wird da besprochen. „Empathie ist ausschlaggebend für diesen Beruf“, sagt Kohlroß.

Genau wie seine Kolleginnen versucht er, auf jeden seiner Klienten und Klientinnen einzugehen. Gleichzeitig gilt es stets konzentriert zu arbeiten. Alles was die Patienten betrifft, wird sorgfältig in einer gelben Mappe notiert. „Damit Ärzte oder Rettung im Notfall sofort Bescheid wissen, welche Medikation die betreffende Person einnimmt und wie der allgemeine Gesundheitszustand ist“, erklärt Kohlroß.

Mitfühlen, aber auch abschalten
Auch nach all den Jahren Berufserfahrung ist es für ihn nicht leicht, wenn es einem seiner Klienten plötzlich schlechter geht. Daher sei es wichtig, dass man lerne abzuschalten, betont der Fachmann: „Wenn jemand stirbt, den man über einen längeren Zeitraum begleitet hat, oder wenn sich Angehörige mit der jeweiligen Situation schwertun, dann beschäftigt das einen natürlich. Aber man darf diese Sorgen nicht mit nach Hause nehmen, das würde einen auf Dauer zermürben.“

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Wenn jemand stirbt, den man über einen längeren Zeitraum begleitet hat, oder wenn sich Angehörige mit der jeweiligen Situation schwertun, dann beschäftigt das einen natürlich. Aber man darf diese Sorgen nicht mit nach Hause nehmen, das würde einen auf Dauer zermürben.

Johannes Kohlroß

Die psychischen Belastungen hätten in den vergangenen Jahren zugenommen, meint Kohlroß. Die Corona-Pandemie sei für Pfleger und Patienten eine schwierige Zeit gewesen. Aber auch Angehörige, die sich um betagte Verwandte kümmern, seien zwischen Beruf, Familie und Pflegetätigkeiten zunehmend unter Druck geraten, berichtet der Pflegeleiter.

Das sogenannte Case Management, das gemeinsam mit dem Krankenpflegeverein, dem Mobilen Hilfsdienst (Unterstützung im Haushalt) sowie der Tagesbetreuung im Haus Montafon untergebracht ist, ist eine erste Anlaufstelle, wenn es um Beratung rund um Pflege und Betreuung geht. Von dort aus werden weitere Maßnahmen koordiniert.

Alle arbeiten ausschließlich in Teilzeit
Und dann kommen oftmals Johannes Kohlroß und sein Team zum Einsatz. Das Fachpersonal des Krankenpflegevereins Außermontafon bietet neben der Krankenpflege auch individuelle Beratung für Angehörige, Wundversorgung, Sterbebegleitung und ähnliches mehr. Alle Mitarbeiter arbeiten in Teilzeit, im Ausmaß von 30 bis 90 Prozent. Im vergangenen Jahr wurden so über 9200 Stunden an Betreuung beziehungsweise Pflege geleistet. „Jeder hier im Team ist wertvoll und verfügt über große Fachkompetenz. Gegenseitiges Vertrauen und Wertschätzung sind meines Erachtens die wichtigsten Eckpfeiler für ein angenehmes Arbeitsklima und eine gute Leistung “, betont Kohlroß.

Ein Großteil der Klienten befindet sich in der Altersgruppe 80 plus, jüngere nehmen das Angebot meist nur kurzfristig, beispielsweise nach einem Unfall wahr. Der Verein finanziert sich durch Mitgliedsbeiträge, öffentliche Zuschüsse sowie Kostenersätze.

Die Arbeit der Vereinsführung basiert gänzlich auf Ehrenamt, ein Konzept, dass so österreichweit nur in Vorarlberg existiert, wie Vereinsobmann Peter Matt hervorhebt. Er hat das Amt im Jänner 2023 von seinem Vorgänger Jakob Netzer übernommen. Für Matt gibt es vor allem drei große Herausforderungen, die seinen Tätigkeitsbereich betreffen: „Die Organisation der Förderungen ist äußerst komplex gestaltet. Es wäre wünschenswert, hierfür ein einfacheres und weniger bürokratisches Konzept auf die Beine zu stellen. Woran ebenfalls mit Hochdruck gearbeitet werden muss, ist dass auch in Zukunft genügend Pflegekräfte zur Verfügung stehen.“

Dies werde aber durch den großen Wettbewerb der verschiedenen Institutionen untereinander und die zunehmende Akademisierung der Ausbildung in diesem Bereich deutlich erschwert, findet Matt klare Worte. Die Ausbildung im Pflegebereich werde über den Bund geregelt und genau darin sieht der Obmann ein Problem: „Was für Wien oder andere Großstädte funktioniert, ist nicht zwangsläufig auch eine Lösung für weniger urbane Regionen. Vorarlberg verfügt über gänzlich andere Voraussetzungen als die Bundeshauptstadt.“

Personal: Die Politik ist nun am Zug
Für Peter Matt ist klar, dass sich diesbezüglich noch einiges ändern muss, um für die Herausforderungen der kommenden Jahre gerüstet zu sein. Bereits 2020 vermeldete die Statistik Austria, dass im kommenden Jahr in Österreich mehr Senioren über 65 als Kinder und Jugendliche unter 20 Jahren leben werden. In Anbetracht dieser Entwicklung sieht der Obmann des Krankenpflegevereins die Politik am Zug, nun die richtigen Rahmenbedingungen zu schaffen, damit Berufe im Pflegebereich für Frauen wie Männer gleichermaßen ansprechend wirken.

Johannes Kohlroß fand über Umwege zu seiner Berufung. „Eigentlich war geplant, dass ich Innenausstatter im elterlichen Betrieb werde. Doch während meines Wehrdienstes absolvierte ich die Ausbildung zum Sanitäter und da wusste ich, dass ich in diesem Bereich bleiben will.“

Fakten

Mehr Information unter: www.hauskrankenpflege-vlbg.at

Weitere Ausbildungen und berufliche Zwischenstationen folgten, bis Kohlroß schließlich die Pflegedienstleitung des Krankenpflegevereins Außermontafon übernahm. Diesen Entschluss hat er nie bereut. „Ich würde mich jederzeit wieder so entscheiden“, ist er überzeugt.

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