Album & Interview

Simon Lewis: Irgendwo schimmert immer ein Licht

Musik
03.03.2023 09:00

Fünf Jahre nach seinem Erfolgsdebüt „Pilot“ hat der heimische Singer/Songwriter Simon Lewis so manch persönliche und globale Krise durchlaufen und sich mit viel Geduld, dunklen Phasen und Beharrlichkeit aus dem Schatten seines Erfolgs gelöst. Sein Zweitwerk „Rebel“ läutet dementsprechend ein neues musikalisches Zeitalter ein. Im großen „Krone“-Talk gibt er uns tiefere Einblicke in seine durchrüttelte Seelenwelt.

(Bild: kmm)

Etwa fünf Jahre ist es mittlerweile her, als Simon Lewis mit seinem Debütalbum „Pilot“ und den Singles „Hey Jessy“, „All I Am“ und „Break Your Wall“ nicht nur die Herzen der Fans, sondern auch die heimischen Radiostationen im Sturm eroberte. Die Mischung aus melancholischen, aber niemals melodramatischen Songs, seiner eindringlichen Stimme mit dem internationalen Englisch und einem untrüglichen Gespür für Ohrwürmer begeisterte gleichermaßen im Format- wie im Regionalradio, doch aus dem Karriere-Kickstart konnte der sympathische Vollblutmusiker keinen Dauerlauf generieren, wie er der „Krone“ im Interview erzählt. „Niemand hat mit dem Erfolg des Albums gerechnet und ich habe mir schwergetan, damit umzugehen und diesen Erfolg zu nutzen.“ Private und globale Krisen belasteten ihn zusätzlich. Er trennte sich von seinem alten Label, eine Beziehung ging in die Brüche, dazu Depressionen, Pandemie und Krieg in Europa. „Ich brauchte einen musikalischen Neustart und musste mich neu finden.“

Wichtiger Schritt zurück
Die Achterbahnfahrt der Gefühle bündelt der sensible Künstler in Musik. Dort findet er Halt und Geborgenheit. Dort kann er mithilfe von Metaphern seine Sorgen, Wünsche und Schmerzen in persönliche Texte und wundervolle Noten gießen. Das Ergebnis daraus ist sein zweites Album „Rebel“, dessen Titel vordergründig nichts mit dem zu tun hat, was man vielleicht vermuten würde. „Ich habe die ,Rebel‘-Serie von ,Star Wars‘ gesehen und bin ein riesiger Fan davon. Es war wie ein Schritt zurück in die Pubertät“, lacht er, „daran habe ich mich anfangs geklammert.“ Lewis gab sich Zeit zum Experimentieren und Tüfteln und wollte keinesfalls die Erfolgsformel des Debüts replizieren. „Ich wollte genau das Gegenteil machen. Ich habe gelernt, dass schon minimale Abweichungen im Sound reichen, um nicht mehr ins Radio zu kommen. Ich will auch nicht der Radiomusiker bleiben, der ich wurde. George Clooney verfolgt in Hollywood die Philosophie, dass er einen Film für die breite Masse macht und einen für sich selbst - das Rezept habe ich für meine Songs übernommen.“

Lewis arbeitete in aller Stille und Ruhe vor sich hin und holte sich gleich drei verschiedene Produzenten an Bord. So teilen sich die Tracks auf „Rebel“ zwischen Andreas Häuserer, Thomas Böck und Wenzel Beck auf. „Für jede musikalische Fantasie hatte ich den richtigen Mann“, freut sich der Künstler, „so hat sich das Album Schritt für Schritt zusammengesetzt.“ Inhaltlich spannt „Rebel“ einen Bogen von schweren und unsicheren Zeiten hin zu einem positiven und hoffnungsfrohen Ausblick in die Zukunft. „Mir ist sehr wichtig zu sagen, dass es auch in den tiefsten Tiefen immer irgendwann bergauf geht. Man sollte ein Album prinzipiell niemals niedergedrückt verlassen. Es ist wie der Zyklus des Lebens. Ein Auf und ein Ab - und manche Songs entstanden in wirklich schweren Phasen.“

Depressionen und Drucksituationen
Obwohl Lewis offen mit seinen Depressionen umgeht und während der letzten Jahre auch Momente hatte, an denen er nicht aus dem Bett kam oder sozialen Kontakt schaffte, überwiegt bei ihm stets die Hoffnung und das Positive. „Das war bei mir schon als Kind sehr stark ausgeprägt. Egal wie hoffnungslos die Lage erscheinen mag, irgendwo schimmert immer ein Licht durch. Vielleicht bin ich aber auch nur unheimlich naiv und es geht sowieso nur noch bergab“, fügt er lachend hinzu. Dass Depressionen gesellschaftlich noch immer nicht so als Krankheit anerkannt sind wie etwa eine Grippe oder ein gebrochenes Bein, macht die Lage für den Betroffenen nicht leichter. Lewis arbeitete vor seiner Karriere als Musiker im Callcenter, war beim Zivildienst und reinigte Toiletten. Der Druck der gesellschaftlichen Normen und Vorstellungen in Österreich hat ihn stark belastet.

„Unsere Gesellschaft sagt dir, dass du 40 Stunden in der Woche bis zu deinem 65. Geburtstag arbeiten sollst und dann kriegst du deine Pension. Das war für mich schon als Kind eine totale Horrorvorstellung. Ich wollte immer die Freiheit haben, das zu tun, was ich tun möchte. Was weiß ich denn, was mit 60 ist? Oder ob ich überhaupt so alt werde? Ich erlebe die Dinge lieber jetzt, unmittelbar und etwas chaotisch, als gar nicht und gehe nur auf Nummer sicher.“ Der gesellschaftliche Umbruch bei den jüngeren Generationen bleibt natürlich auch Lewis nicht verborgen. „Die Angst vor Veränderung plagt uns alle, aber eigentlich ist es paradox, denn kein Tag ist wie der andere. Es ist schlichtweg unmöglich, dass sich das Leben nicht dauernd verändert und trotzdem tun wir uns damit so schwer. Ich bin selbst gespannt, wo dieser Umbruch hinführt.“

Selbstreflektion gelungen
Auf seinem bislang persönlichsten Album erzählt Lewis viel über sich und sein Leben, nimmt aber auch gerne die Beobachterrolle ein. „Heaven And Hell“ etwa spiegelt die Hohen und Tiefen in einer Beziehung wider und entstand in Lewis‘ privater Trennungsphase. „Es geht rein um das Emotionale und darum, die Gefühle festzumachen. Ich habe besonders darauf geachtet, keine Person schlecht zu reden. ,Hey Jessie‘ war eigentlich ein wahnsinnig egoistischer Song, weil ich als Songwriter den Vorteil nutzte, meine Sicht der Dinge in die Öffentlichkeit zu tragen. Das war unfair, daraus habe ich gelernt und das wiederhole ich nicht.“ In „I Don’t Mind“ entblößt der Sänger seine komplette Gefühlswelt und bei „When I’m Gone“ macht er sich darüber Gedanken, was mit ihm ist, wenn er einmal tot ist.

„Ich bin in einer christlichen Familie aufgewachsen und den Glauben verinnerlicht man als Kind. Mit 13 begann dann ein großer Konflikt, weil ich das Religiöse in meiner Erziehung infrage stellte. Der Tod hatte erstmals eine andere Bedeutung für mich und das hat meine Welt zerrüttet. Ich weiß nicht, ob es ein Leben danach gibt oder nicht, aber mir ist sowieso jedes Szenario unheimlich. Das Thema Tod ist für mich extrem faszinierend.“ Auf „Forevermore“ kooperierte er mit der hierzulande unbekannten Sängerin Maeve aus New York, die er während der Pandemie durch gelangweiltes Instagram-Scrollen kennenlernte. „Ein Duett mit einer englischsprachigen Musikerin ist für mich ein kleiner Meilenstein. Ich bin immer noch schockiert, dass sie mit dieser Stimme nicht bekannter ist und hoffe, dass wir uns auch endlich mal persönlich kennenlernen. Wenn es finanziell wieder möglich ist, würde ich ohnehin gerne nach New York fliegen.“

Was passiert, das passiert
Schon 2019 begann Lewis an den Songs für „Rebel“ zu schreiben. Dementsprechend lang und vielseitig fiel die Reise aus. „Die letzten Jahre waren die wahrscheinlich größte Veränderung meines Lebens. Ich konnte in der Musik sehr viel Emotionales verarbeiten, das nun mit der Veröffentlichung des Albums seinen Abschluss findet.“ Die ihm mental ferne liegenden alten Songs lassen sich live auch gut mit den neuen vermischen, davon ist er restlos überzeugt. „Ich freue mich deshalb viel mehr auf die alten Songs, weil wir eben nicht mehr nur die alten spielen werden. ,All I Am‘ ist einfach Pflicht, damit beschließen wir ein Live-Set immer wundervoll ab. Die Band und ich haben alles gut geprobt.“ Eine Tour zum Album ist noch nicht fixiert, doch in erster Linie hat sich Lewis damit selbst gefunden und auch therapiert. „Ich habe mir so viel Druck gemacht, das konnte ich mittlerweile abstellen. Was auch immer von jetzt an passiert, das passiert - ich bin so und so glücklich damit.“

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