Prekäre Lage

Teuerung trifft Alleinerziehende besonders hart

Vorarlberg
14.08.2022 07:25

„Den Gürtel enger schnallen“, heißt es aktuell für viele Vorarlberger. Bei einigen ist das letzte Loch aber schon erreicht - besonders Alleinerziehende stellt die Inflation vor gewaltige Herausforderungen.

Sandra Hermes (41) hat zwei Kinder (zwei und vier Jahre alt) und ist alleinerziehend. Arbeiten kann sie nur, wenn Sohn und Tochter in der Kinderbetreuung sind oder beim Papa. So kommt sie auf ein Arbeitspensum von 20 bis 25 Stunden die Woche. Dementsprechend niedrig ist das Einkommen. Die Wohnung in Dornbirn war aufgrund der hohen Miete nicht zu halten, also musste Sandra zurück ins Elternhaus nach Alberschwende ziehen.

Ein absoluter Glücksfall, viele Alleinerziehende haben derartige Möglichkeiten nicht. Eine Bekannte von Sandra, ebenfalls alleinerziehend, lebt etwa in einer 55 Quadratmeter großen Wohnung - sie schläft im Wohnzimmer.

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Viele Alleinerziehende haben Angst und fragen sich, wie lange sie durchhalten können. Andererseits haben sie aber eigentlich keinen Kopf dafür, was in der Zukunft ist, weil sie schauen müssen, dass sie jetzt klarkommen.

Sandra Hermes

Sandra arbeitet als Selbstständige im Bereich Online-Marketing und freiberuflich für den Vorarlberger Familienverband. Auch wenn sie finanziell nicht komplett klamm ist, frisst die Teuerung auch bei der zweifachen Mutter ein ordentliches Loch ins Haushaltsbudget. Gespart wird beim Essen, bei Kleidung und Freizeitaktivitäten. „So versuche ich, die monatliche Belastung etwas zu senken.“ Im Einkaufswagen landen vor allem Produkte, die im Angebot sind, oder es wird beim Discounter eingekauft. „Die zu klein gewordene Kleidung meiner Kinder verkaufe ich im Secondhandladen. Vom Erlös gibt es dann neue Herbstsachen.“

Rabatte sammeln, nach Gratisangeboten suchen
Besonders bedrückend für Sandra ist, dass sich etliche Freizeitaktivitäten für die Kinder nicht mehr ausgehen. Dennoch bleibt sie optimistisch. „Ich muss mich da einfach umstellen.“ Für Ausflüge nutzt sie die Rabatte und Vergünstigungen von „Familienpass“ und „v-Card“. Zudem hat sie an die 20 Newsletter von diversen Veranstaltern und Kommunen abonniert, um sich auf dem Laufenden zu halten: „Man würde gar nicht glauben, wie viel bei uns gratis angeboten wird.“

Jüngst machte sie mit ihren Kindern einen Ausflug zum Jazz-Brunch des Feldkircher Poolbar-Festivals. Die Zugtickets kosteten 10,80 Euro. Picknick auf der Wiese, die Kinder spielen mit den Hula-Hoop-Reifen der Zirkusschule - alles gratis. Es gibt Pommes um 4 Euro. Dann ab zum Spielplatz. Dort wird die selbst mitgebrachte Jause verputzt - Einkaufswert 10 Euro, das Gemüse kommt aus Omas Garten. Zum Abschluss ein Eis für die Kinder (3,40 Euro), dann mit dem Zug zurück nach Hause. Die sind Kinder glücklich, die Mama entspannt. Gesamtkosten: knapp 30 Euro.

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Zuschüsse und Beihilfen für Alleinerziehende sind natürlich zu begrüßen. Viel grundlegender muss jedoch bei den Kosten fürs Wohnen angesetzt werden, die in Vorarlberg enorm hoch sind.

Guntram Bechter, FV-Obmann

Wie und wo gespart werden kann, darüber tauschen sich Betroffene auch über eine neue Plattform des Vorarlberger Familienverbandes aus, die Sandra ins Leben gerufen hat und betreut. In einer WhatsApp-Gruppe werden Tipps geteilt und Sorgen und Nöte besprochen. Zusätzlich gibt es einmal in der Woche ein Treffen. Das bringt Sandra und anderen Betroffenen mehr als das Anti-Teuerungspaket der Regierung.

„Einmalzahlungen sind schön und gut und viele aus unserer Gruppe brauchen das Geld auch ganz dringend, aber nachhaltig oder treffsicher sind sie nicht.“ Zudem sei vielen nicht klar, wem was zusteht. Und über allem schwebe die Ungewissheit: „Viele haben Angst und fragen sich, wie lange sie durchhalten können. Andererseits haben sie aber eigentlich keinen Kopf dafür, was in der Zukunft ist, weil sie schauen müssen, dass sie jetzt klarkommen.“

Es fehlt an den nötigen Betreuungsangeboten
Die Ursachen für die prekäre Lage vieler Alleinerziehenden sind vielfältig. Der Familienverband sieht daher die Politik gefordert, der Handlungsbedarf sei groß. „Zuschüsse und Beihilfen für Alleinerziehende sind natürlich zu begrüßen. Viel grundlegender muss jedoch bei den Kosten für das Wohnen angesetzt werden, die in Vorarlberg enorm hoch sind. Gerade in Trennungssituationen ist es entscheidend, für sich und die Kinder eine neue Bleibe zu finden, die auch bezahlbar ist“, fordert Guntram Bechter, Obmann des Vorarlberger Familienverbandes.

Neue Rahmenbedingungen müssen geschaffen werden
„Weiters muss bei der flächendeckenden, leistbaren Kinderbetreuung angesetzt werden. Das Recht auf einen Kinderbetreuungsplatz muss im neuen Kinderbildungs- und Kinderbetreuungsgesetz verankert werden. Es geht darum, Alleinerziehende nicht zu Bittstellern zu machen, sondern Rahmenbedingungen zu schaffen, damit sie für sich und ihre Kinder finanziell sorgen können“, ergänzt Obmann-Stellvertreterin Katharina Fuchs.

Auf der Homepage des Familienverbands finden sich alle nötigen Informationen zu Unterstützungsangeboten in Trennungsfällen. Außerdem werden Möglichkeiten zum Austausch geboten und Themenabende mit Experten organisiert. Sandra appelliert an die Alleinerziehenden, die Hilfsangebote auch anzunehmen: „Der Alltag ist herausfordernd genug - gleich ob mit oder ohne Teuerung.“ 

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