Hass im Netz artet aus

Fall Kellermayr: Wirtechef nimmt Polizei in Schutz

Gericht
05.08.2022 15:26

Was schon die verstorbene Ärztin Lisa-Maria Kellermayr ankreidete, bestätigt jetzt Gastro-Obmann Mario Pulker: Auch er war Opfer von Mordankündigungen geworden - und auch bei ihm stellte die Staatsanwaltschaft das Verfahren ein.

Bereits seit 1. Jänner 2021 gibt es das Hass-im-Netz-Gesetz zum Schutz gegen Drohungen. Das dürfte aber nicht bis zu den Staatsanwaltschaften des Landes durchgedrungen sein. Erst vor einer Woche nahm sich Ärztin Kellermayr das Leben, weil sie den Hass nicht mehr ertrug.

Nun schaltet sich Mario Pulker, Spartenobmann des Fachverbandes Gastronomie, in die Debatte ein. Sein Alltag werde ebenfalls von Morddrohungen überschattet, sagt er der „Krone“ - und er sieht das Versagen hier ganz klar bei der Justiz.

Polizei leistete bei mir hervorragende Arbeit
Sein Bejahen der Impfpflicht hatte eine Welle von Anrufen, Nachrichten und Posts ausgelöst, in denen er beschimpft und bedroht wurde. Ein „Fan“ zeichnete sich als besonders vehement aus. „Die Polizei hat hier wirklich hervorragende Arbeit geleistet“, lobt Pulker. Nach Wochen haben die Beamten den Verantwortlichen ausfindig gemacht. Pulker stand die ganze Zeit unter polizeilichem Schutz, aber nur bei öffentlichen Terminen. Sonst bezahlte er - wie auch Ärztin Kellermayr - einen privaten Sicherheitsdienst.

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Ich möchte, dass die Justiz gegen diesen Hass und die Drohungen strafrechtlich vorgeht!

Mario Pulker

Trotz Vorstrafe Verfahren eingestellt
Dann die große Überraschung: Das Verfahren wurde von der Staatsanwaltschaft Wien eingestellt. Dabei war der Mann vorbestraft! „Wenn nicht wirklich jemand umgebracht wird, passiert gar nichts!“, empört sich der Spartenobmann. Natürlich könne er eine Zivilklage anstreben, aber er will kein Geld: „Ich möchte, dass die Justiz gegen diesen Hass und die Drohungen strafrechtlich vorgeht!“

Denn sie wäre das wahre Problem, nicht die Polizei und fehlende Ermittlungen, die vor allem im Fall Lisa-Maria Kellermayr scharf kritisiert werden: „Selbst wenn die Polizei den Verantwortlichen gefasst hätte, die Staatsanwaltschaft hätte, wie bei mir, das Verfahren eingestellt“, so Pulker.

Expertin: Anklage wegen Stalkings hätte gereicht
Das kann die Staatsanwaltschaft Wels nach der öffentlichen Empörung nicht mehr. Wollte man den Fall nach Deutschland abschieben - dem Heimatland des namentlich bekannten Verfassers der Morddrohungen -, macht der tragische Suizid der Ärztin die Anklagebehörde in Oberösterreich zuständig. Das wäre sie aber, so kritisiert Strafrechts-Professorin Ingeborg Zerbes, auch schon zuvor gewesen: Man hätte nur eine Anklage wegen Stalkings verfassen müssen.

Es musste also erst jemand solch eine Verzweiflungstat begehen, damit die Justiz aktiv wird - trotz des gesetzlich verankerten Paragrafs gegen Hass im Netz.

Das Hass-im-Netz-Gesetz

  • Seit 1. Jänner 2021 gibt es einen Zusatz im Strafgesetzbuch. § 107c ist Bestandteil des „Stalking-Paragrafen“ und beschreibt die „fortdauernde Belästigung im Wege einer Telekommunikation oder eines Computersystems“. Es geht darum, „eine Person in ihrer Lebensführung unzumutbar zu beeinträchtigen“.
  • Der Strafrahmen dafür beträgt bis zu einem 1 Jahr oder 720 Tagessätze Geldstrafe.
  • Hat die Tat aber den Selbstmord oder einen Selbstmordversuch der (psychisch) verletzten Person zur Folge, dann drohen bis zu 3 Jahre Haft. Geht man jedoch von gefährlicher Drohung aus - und endet diese mit Selbstmord - dann erhöht sich der Strafrahmen gar auf 10 Jahre Haft.
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