7 Tage Weltgeschehen

Heikle Lage: Christliche Präsenz in Jerusalem

Ausland
16.07.2022 20:15

Rektor Markus Bugnyar erzählt, wie er das Pilgerhospiz durch die Corona-Pandemie rettete und wie heikel die Lage der Christen zwischen Israelis und Palästinensern in Jerusalem ist.

Wenn zwei sich streiten, braucht es einen Dritten. Für manche Beobachter des Nahost-Konflikts sind das die Christen des Heiligen Landes. Primär wäre es ja ein Konflikt zwischen israelischen Juden und palästinensischen Muslimen, bei dem Christen nicht direkt involviert seien.

Christen fänden leichter Gehör bei Israelis, denen sie durch ihre „westlichen“ Denkhorizonte näherstünden, und als Palästinenser sind sie ethnisch ihren muslimischen Nachbarn verbunden, die sie als Teil des eigenen Volkes betrachteten. Ich sehe das anders. Christen kommt nicht die Rolle eines Vermittlers im Drama zu. Im Gegenteil: Sie finden sich zwischen allen Stühlen.

Was oberflächlich als Vorteil erscheint, entpuppt sich als Nachteil. Für nicht wenige Israelis sind christliche Palästinenser nicht primär Christen und „wesensverwandt“, sondern Palästinenser und damit immer auch ein potenzielles Sicherheitsrisiko. Für nicht wenige muslimische Palästinenser sind Christen nicht primär Volksgenossen, sondern Christen und ein „Einfallstor“ für westliche (säkulare) Werte und Verhaltensmuster, die man traditionell und religiös bedingt ablehnt.

Keine staatlichen Hilfen für kirchliches Gästehaus
Als kirchliches Gästehaus sind wir hier kein normaler Hotelbetrieb. Die meisten dieser Einrichtungen wurden vor 1948 gegründet, also vor der Gründung Israels in der Zeit der Osmanen oder Briten. Aus deren alten Rechtssystemen rühren Sonderrechte, die uns in der Pandemie bitter einholten. Unsere Häuser genießen nur eine vorläufige Rechtspersönlichkeit, die es erst noch zu definieren gilt. Das große Hindernis auf diesem Weg ist die Steuerfreiheit für kirchliche Einrichtungen, die viele von uns in den letzten Jahrzehnten sehr genossen haben, aber auch Probleme schaffen kann.

Konkret bedeutete dies, dass wir nicht bezugsberechtigt waren für staatliche Hilfen, die in der Zeit der Pandemie regulären Hotelbetrieben zugutekamen. Auch staatliche Förderungen aus der Heimat blieben verschlossen, schließlich liegen wir in einem anderen Land; solche Förderungen waren nicht vorgesehen.

Wir mussten uns selbst retten oder zugrunde gehen. Unser kleiner, aber sehr feiner Freundeskreis in Österreich und Deutschland sprang für uns in die Bresche. Woche für Woche schrieb ich E-Mails und bin mir dabei - je länger, desto mehr - selber auf den Nerv gegangen. Jede Woche ein neues Motiv, ein neuer Ansporn, um unsere Freunde zu Hause um ihr Geld zu erleichtern. Das ist nicht leicht, erfordert Kreativität und Hartnäckigkeit; manche nannten es Chuzpe und unverschämt, und ich wusste genau, was sie meinten.

Würden Sie denn spenden für ein Hotel? Sollte sich ein Hotel nicht selbst erhalten können und eben untergehen, wenn es das nicht mehr kann? Ich jedenfalls spende nicht für ein Hotel. Aber ich spende privat für mein Pilger-Hospiz.

Ein Haus mit Tradition
Unser Haus hat nicht nur Geschichte, es hat Tradition. Unser Haus steht nicht in einer „normalen“ Stadt, es findet sich in der Heiligen Stadt. Unser Haus steht nicht nur im Zentrum der Altstadt, es atmet die Aura des Anfangs: Von hier aus gehen Sie zu jenen Orten, an denen Jesus wirkte. Von hier aus eroberte ein neuer Gedanke die Welt. Jener der Mitmenschlichkeit.

Es macht mich unsäglich dankbar, wie viele Freunde sich von uns haben ansprechen lassen. Durch den einen oder anderen Aspekt, der ihnen zu Herzen geht. Aus dem Pool unserer Adressen waren es exakt 776 Freunde und Freundinnen, die uns durch zwei Jahre Corona mit 940.000 Euro gerettet haben. Für die laufenden Kosten, für jene MitarbeiterInnen, die keine staatlichen Hilfen beziehen konnten. Auch das unterscheidet uns von einem Hotel, das in Zeiten der Krise Menschen einfach auf die Straße stellt. Wir nicht. Wir übernehmen Verantwortung für die uns anvertrauten Menschen und knien uns rein.

940.000 Euro von 776 Freundinnen und Freunden des Hauses. Das sind im Schnitt 1211,34 Euro pro Person. Jede/r nach ihren/ seinen Möglichkeiten. Für ein Haus, das zwischen allen Stühlen sitzt und dennoch nie aufgibt.

Keine leichte Aufgabe in der Via Dolorosa!
Als ich meine Aufgabe hier als Rektor des Pilger-Hospizes antrat, tat ich einen Höflichkeitsbesuch beim damaligen katholischen Erzbischof. Ich klagte ihm mein Leid, was alles nicht funktionierte. Er lächelte und sagte: „Mein Lieber, Ihre Adresse lautet Via Dolorosa. Und da erwarten Sie eine leichte Aufgabe?“ Im Schatten des Kreuzes spüren wir doch oft genug die Niederungen menschlichen Lebens und menschlicher Niedertracht. Im Schatten des Kreuzes finden wir aber auch die Kraft, um wieder aufzustehen und den Weg weiterzugehen.

PS: Wenn Sie mir heute helfen wollen, einen konkreten Beitrag dafür zu leisten, dass wir auch künftig auf Christen in Jerusalem treffen, dann spenden Sie bitte unter dem Kennwort „Christliche Präsenz“. Ich danke Ihnen aufrichtig!

Österreichisches Hospiz - Sozialfonds
Bankhaus Schelhammer und Schattera
IBAN: AT43 1919 0003 0015 0125

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