Die vergangenen zwei Jahren waren durch die Pandemie und den Krieg in der Ukraine äußerst belastend. Die Zahl der psychischen Erkrankungen steigen, vor allem Depressionen und Angstzustände sind auf dem Vormarsch. Dennoch wird den seelischen Problemen nicht derselbe Stellenwert entgegengebracht wie den körperlichen. Neben Krankenhausbetten fehlen nämlich auch ambulante Therapieplätze auf Krankenschein. Dr. Peter Stippl, Präsident des österreichischen Bundesverbandes für Psychotherapie, kämpft für mehr Kassenplätze.
Kontingente für die Heilung der Psyche? Das kann es doch nicht geben. Doch, erklärt Dr. Peter Stippl die derzeitige Situation in Österreich.
„Krone“: Herr Dr. Stippl, wir haben über zwei Jahre Pandemie hinter uns. Wie ist es um unsere Psyche bestellt?
Dr. Peter Stippl: Wir haben nicht nur die Pandemie. Auch der Ukrainekrieg schlägt in die gleiche Angstkerbe. Covid und Krieg lösen bei uns Unsicherheit aus. Die Österreicher sind derzeit psychisch sehr belastet.
Betrifft das Kinder wie Erwachsene gleichermaßen?
Unsicherheit kennt kein Alter. Alle sind betroffen.
Also ist die Nachfrage nach Psychotherapie merklich gestiegen?
Absolut. Es gibt zum Glück auch Angebote wie die Aktion „Gesund aus der Krise“. Hier können Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene bis inklusive 21 Jahre für 15 kostenfreie psychologische oder psychotherapeutische Behandlungseinheiten im Einzel- oder Gruppensetting angemeldet werden - leider zeitlich begrenzt.
Aber es gibt auch Psychotherapie auf Krankenschein.
Allerdings. Doch die ist kontingentiert. Es gibt pro Jahr also nur eine bestimmte Anzahl an kostenlosen Therapiestunden.
Also ist es besser, am Anfang des Jahres einen geistigen Zusammenbruch zu haben als gegen Ende?
Das ist das Paradoxe dran. Wir fordern schon lange eine Aufhebung der Kontingente. Man stelle sich vor, jemand hat ein gebrochenes Bein und demjenigen wird gesagt: „Kommen Sie im Jänner wieder oder zahlen Sie es selbst.“ Auch die Stunden pro Therapeut sind begrenzt, das ist in dicht besiedelten Gebieten ein Problem.
Wie könnte eine Lösung dann aussehen?
Es müsste vermutlich bei der Politik mehr Verständnis herrschen. Niemand hat Interesse daran, jemanden länger als nötig zu behandeln. Wir müssen psychische Erkrankungen nach Bedarf, nicht nach Kontingenten beurteilen.
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