"Diskussionsbedarf"

Aufstieg mit drei “Fleck”: ÖVP gegen Schmieds Modell

Österreich
21.06.2011 14:07
Die Skepsis in der ÖVP gegenüber der geplanten Modularen Oberstufe wächst: Neben Parteichef Michael Spindelegger und Bildungssprecher Werner Amon äußern auch die ÖVP-regierten Bundesländer Kritik bezüglich des Modells von SPÖ-Unterrichtsministerin Claudia Schmied, das das Aufsteigen mit bis zu drei "Nicht genügend" ermöglichen soll. Ein Kurssystem wird zwar prinzipiell begrüßt, dass damit aber quasi das Sitzenbleiben abgeschafft werden soll, stößt auf Unverständnis. Schmied hingegen hält an ihren Plänen fest und wird dabei von den roten Ländern unterstützt.

OVP-Chef Spindelegger ortete am Dienstag vor dem Ministerrat erneut einen "erheblichen Diskussionsbedarf". Dass die ÖVP keine Handschlagqualität habe, weil sie vom eigenen Reformvorhaben abrückt, bestritt Spindelegger. Es sei ganz normal, dass man eine Nachdenkpause einlege. VP-Klubobmann Karlheinz Kopf warf der Bildungsministerin vor, dass die Verkündung der Reform "keine Kommunikationsleistung" gewesen sei.

NÖ: Vorhaben ist "nicht zielführend"
Für den niederösterreichischen VP-Landesschulrat Karl Wilfing wiederum ist das Aufsteigen mit drei Fünfern "nicht zielführend", weil es dem Leistungsgedanken widerspricht. Er würde sich aber einem Modell anschließen, wenn wie bisher das Lehrerkollegium über einen Aufstieg trotz "Nicht genügend" entscheidet, sagte Wilfing am Dienstag. Die Lehrerkonferenz solle bewerten, ob der betreffende Schüler begründete Nachteile hatte und imstande sei, den Stoff nachzuholen. Die Gefahr von willkürlichen Entscheidungen, wie kritisiert worden war, sieht er dabei nicht.

OÖ für Differenzierung nach Fächern
Die oberösterreichische VP-Bildungslandesrätin Doris Hummer tritt dafür ein, die Entscheidung über Aufsteigen oder Sitzenbleiben nach Gegenständen zu differenzieren. In aufbauenden Fächern, beispielsweise Sprachen, könne sie sich eine Versetzung mit drei Fünfern nur schwer vorstellen. "In Geschichte ist es leichter, das Römische Reich und den Zweiten Weltkrieg parallel zu lernen." Das Modulsystem halte sie aber prinzipiell für gut, "sogar besser als vorher". Denn nun müsse man die versäumte Leistung nachbringen, was mit der Aufstiegsklausel nicht immer der Fall war.

Oberösterreichs Landeshauptmann Josef Pühringer stellte infrage, ob Schüler durch jenes Modell die Lernziele vor allem in aufbauenden Fächern erreichen können. Für die sinnvollere Oberstufenreform hielte er es, wenn Jugendliche Defizite in bestimmten Fächern durch bessere Leistungen in anderen ausgleichen könnten, in denen sie besonders begabt sind. "Wieso kann nicht ein Sprachentalent in Französisch und Englisch 130 Prozent des Lehrplans erfüllen und dafür in Physik und Mathematik einen Abschlag kriegen", fragte der Landeshauptmann. Stärken und Talente sollten entsprechend entwickelt werden.

Vorarlberg: "Unausgegorenes Konzept"
Vorarlbergs VP-Landesschulrat Siegi Stemer bezeichnete das Konzept als "unausgegoren": "Das muss man noch einmal gründlich hinterfragen." Instrumente wie Förderkurse, Coaching oder Ganzjahresplanung sollten bereits vor und nicht erst in der schulischen Krise zum Einsatz kommen. Man dürfe den Schülern kein X für ein U vormachen und so tun, als ob es auch ohne Leistung gehe, warnte Stemer. Er befürchte außerdem, dass man beim Aufstieg mit drei "Nicht genügend" in vielen Fällen eine Wand aufbaue, "an der der Schüler nicht mehr weiterkommt". Wenn es in der Schule einmal gar nicht laufe, könne es im Einzelfall auch besser sein, ein Jahr zu wiederholen.

Auf die Seite der ÖVP schlägt sich auch Kärnten - von dort kommt ein "klares Nein zum bedingungslosen Aufsteigen". "Damit würden wir in der Bildungspolitik in die falsche Richtung gehen", sagte der für Bildungsfragen zuständige Landeshauptmannstellvertreter Uwe Scheuch von der FPK am Dienstag. Mit dem vorgeschlagenen System könne man das Maturazeugnis gleich mit der Geburtsurkunde überreichen, so Scheuch. Bei einer "selektiven Schwäche" in bloß einem Unterrichtsfach kann sich Scheuch allerdings Ausnahmen und damit eine Aufstiegsmöglichkeit mit einem Fünfer vorstellen. 

Schmied: Novelle geht in Begutachtung
Trotz des Rückziehers der ÖVP hält Unterrichtsministerin Schmied an ihren Reformplänen in Sachen Aufsteigen mit Fünfern fest. Die entsprechende Novelle wird unverändert in Begutachtung gehen, sagte Schmied am Dienstag. Die Ministerin schließt spätere Änderungen aber nicht aus - sie sprach von einem "Feinschliff", den man gemeinsam mit der ÖVP nach der Begutachtung vornehmen werde.

Einen Rückschlag wollte Schmied im Rückzieher der ÖVP nicht erkennen. Sie wies auch die Bedenken der Volkspartei zurück, wonach sich durch das Aufsteigen mit Fünfern Leistung nicht mehr lohne. Das Modular-System würde vielmehr Leistung besonders betonen. Das Projekt sei so gut, dass es sich durchsetzen werde, zeigte sich Schmied überzeugt. Die Bildungsministerin rechnet mit einem Beschluss im Herbst. Nach der vierwöchigen Begutachtung werde man über den Sommer die Stellungnahmen analysieren und könne dann im Herbst in parlamentarische Behandlung gehen.

Burgstaller "enttäuscht von der ÖVP"
Erwartungsgemäß Unterstützung hat Schmied am Dienstag aus den Ländern mit SPÖ-Regierung bekommen. Mit dem Vorgehen der ÖVP zeigen sich die SP-Vertreter nicht glücklich. "Ich bin persönlich enttäuscht von der ÖVP, dass sie jetzt beim Reformprozess zurückrudert", sagte etwa Salzburg Landeshauptfrau Gabi Burgstaller. Einen Schritt nach vorne und dann zwei Schritte zurückzugehen, sei das falsche Signal in der Bildungspolitik. "Wir brauchen eine Aufbruchsstimmung", betonte Burgstaller.

Auch der Wiener Bildungsstadtrat Christian Oxonitsch bedauerte, dass sich in der ÖVP offenbar die "beharrenden Kräfte" durchgesetzt haben. Oxonitsch plädierte erneut für eine generelle Abschaffung des Wiederholens von Klassen: "Ich halte das Sitzenbleiben für volkswirtschaftlich, aber auch pädagogisch für völlig verfehlt." Der burgenländische Landeshauptmann Hans Niessl fordert ebenfalls die rasche Umsetzung des vereinbarten Modells: "Es ist pädagogisch und volkswirtschaftlich unsinnig, wenn Schüler wegen einzelner schlechter Schulnoten die gesamte Schulstufe wiederholen müssen."

Loading...
00:00 / 00:00
Abspielen
Schließen
Aufklappen
kein Artikelbild
Loading...
Vorige 10 Sekunden
Zum Vorigen Wechseln
Abspielen
Zum Nächsten Wechseln
Nächste 10 Sekunden
00:00
00:00
1.0x Geschwindigkeit
Loading
Kommentare

Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.

Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.

Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.

Kostenlose Spiele
Vorteilswelt