Nach 2065 in Betrieb

Tschechien sondiert Standorte für Atommülllager

Ausland
01.02.2022 07:31

Der Plan der EU-Kommission, Kernkraft als klimafreundlich einzustufen, rückt ein Problem in den Fokus, das in den meisten Atomenergie nutzenden Staaten ungelöst ist: die Lagerung radioaktiver Abfälle, die für Hunderttausende Jahre sicher verwahrt werden müssen. Österreichs Nachbarland Tschechien sondiert noch Standorte. Ein Lager dürfte jedoch nicht vor 2065 in Betrieb gehen. 35 Gemeinden und 16 Vereine kämpfen gegen das Atommülllager an.

Die tschechische Verwaltung der Lager für radioaktive Abfälle (SURAO) listet vier „empfohlene Lokalitäten“ auf, alle im südlichen Teil des Landes: Brezovy potok, Janoch bei Temelin (laut Expertenbericht verfügt dieser Standort über die beste Bewertung), Hradek und Horka. Außerdem gibt es fünf Reserve-Standorte: Certovka, Magdalena, Cihadlo, Na Skalnim bei Dukovany und - am unwahrscheinlichsten - Kravi Hora. Der nur 17 Kilometer von der Grenze zu Österreich entfernt liegende Truppenübungsplatz Boletice ist bereits länger aus dem Rennen.

Lager 500 Meter tief im Granit
Das Lager soll - wo auch immer - rund 500 Meter tief im Granitgestein unter der Erde liegen und auf 14.500 Tonnen hoch radioaktiven Mülls ausgelegt sein. Die Kosten werden auf gut 110 Milliarden Kronen (4,5 Milliarden Euro) geschätzt, der Flächenbedarf auf rund 500 Hektar. Bisher wird der Atommüll in Temelin und Dukovany gelagert. Durchschnittlich alle ein bis zwei Jahre müssen die verbrauchten Uran-Brennelemente ersetzt werden, dabei entstehen pro Reaktor 20 bis 30 Tonnen hoch radioaktiven Mülls. Bisher sind nach Schätzungen tschechischer Atomgegner durch den AKW-Betrieb rund 3000 Tonnen hoch radioaktiver Abfälle entstanden.

Video: EU-Kommission bleibt bei neuer Taxonomie hart

Lagerung wirft Fragen auf
Das große Problem mit dem Atommüll sei ein „sozio-technisches“, erklärt der Energieforscher Helmut Haberl von der Universität für Bodenkultur im Gespräch mit der APA. Es gebe zwei Möglichkeiten, mit Atommüll umzugehen. Die eine sei, den Müll in eine geologische Struktur einzubringen, zum Beispiel einen Granitstock, und den Schacht danach so gut zu versiegeln, dass der Zugang technisch extrem aufwendig ist. Der radioaktive Müll sei dann unzugänglich und damit auch unkontrollierbar. Hier bestehe das Risiko, dass die geologischen Modelle nicht gut genug sind und der Müll durch Bewegungen im Gestein nach Jahren doch wieder an die Oberfläche tritt.

Außerdem müsse man bei einer solchen Lagerung - wegen der extrem langen Halbwertszeit dieser Stoffe - Vorkehrungen treffen, um auch Generationen viele Jahrhunderte später noch klarzumachen, dass es sich um radioaktive und damit gefährlichen Müll handle. Die zweite Möglichkeit sei eine kontrollierte Lagerung des Atommülls, indem der Zugang zum Lager nicht endgültig versiegelt wird. Dann aber könnte damit „Unfug“ betrieben werden, so Haberl. Eine solche Lagerung berge beispielsweise die Gefahr militärischer oder terroristischer Angriffe.

Video: Was kommt nach Atomkraft?

Atomgegnern protestieren gegen Pläne
Widerstand gibt es in Tschechien seit langem, die Plattform gegen das Atommüll-Endlager vereint 35 Gemeinden und 16 Vereine. Andererseits unterstützen laut einer Umfrage der Agentur IBRS vom Dezember 2021 auch zwei Drittel der Bevölkerung die Atomkraft. Die Mehrheit sieht darin eine saubere und emissionsfreie Energiequelle. Die Frage der Lagerung des Atommülls hielt ein Drittel der Befragten für „wichtig“.

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