Vor 100 Tagen erneuerten ÖVP und FPÖ ihren Koalitionspakt, zwei neue Parteien kamen in den Landtag. Vom gemeinsamen oberösterreichischen Weg ist nicht viel übrig geblieben. Eine Analyse.
Es ist eine fixe Faustregel: Politischen Amtsinhabern wird von der Öffentlichkeit eine Frist von 100 Tagen zum Einarbeiten zugestanden. Für die oberösterreichische Landespolitik ist diese Frist jetzt um: Am Montag sind exakt 100 Tage vergangen, seit die Neuauflage der schwarz-blauen Regierungskoalition am 23. Oktober angelobt wurde. Es ist also an der Zeit zu analysieren, wie sich Regierung und Landtag in der neuen Legislaturperiode bisher geschlagen haben.
ÖVP mit kleinem Zuwachs zur maximalen Macht
ÖVP und FPÖ haben ihre Zusammenarbeit der vergangenen sechs Jahre zwar fortgesetzt, dennoch ist nach der Wahl im September vieles neu und anders geworden. Etwa das Kräfteverhältnis: Die ÖVP hat sich mit einem minimalen Zuwachs auf 37,6 Prozent die maximale Macht gesichert, stellt fünf von neun Regierungsmitgliedern. Die FPÖ ist um gut zehn Prozentpunkte abgestürzt und gibt aus dieser Position heraus den Mehrheitsbeschaffer für die ÖVP.
Aus der Historie heraus „hatte die ÖVP stets ein absolutes Machtgefühl, Oberösterreich wäre ,ihr’ Land und man tue, was man für richtig hält“, sagt dazu Politologe Peter Filzmaier. In diesem Selbstverständnis sei die Partei gestärkt worden. „Durch die Einbindung der FPÖ wird die Macht der ÖVP über Jahre abgesichert.“ Zum Dank dafür lässt ÖVP-Chef LH Thomas Stelzer seinem Regierungspartner Freiheiten, an denen andere Koalitionen längst gescheitert wären – vor allem in Sachen Corona-Politik. Während Stelzer und seine Parteikollegen Christine Haberlander und Markus Achleitner schärfere Maßnahmen und einen längeren Lockdown für Oberösterreich verkündeten, die Menschen zum Impfen aufriefen und dafür eine eigene Lotterie lancierten, missbilligte FPÖ-Chef Manfred Haimbuchner diese Schritte und droht wegen der Impfpflicht mit dem Gang zum Verfassungsgerichtshof.
Kein einziger gemeinsamer Auftritt von Schwarz-Blau
Einen gemeinsamen öffentlichen Auftritt von Stelzer und Haimbuchner hat es seit der Angelobung am 23. Oktober nicht mehr gegeben. „Es ist mehr der Versuch einer friedlichen Koexistenz als ambitionierte Zukunftspolitik“, schlussfolgert Peter Filzmaier.
Es ist mehr friedliche Koexistenz als ambitionierte Zukunftspolitik. Beim Thema Corona muss man sich geradezu aus dem Weg gehen, um die unterschiedlichen Zugänge nicht auf offener Medienbühne auszutragen.
Politologe Peter Filzmaier zur Performance von Schwarz-Blau II
Dabei lautet das schwarz-blaue Regierungsmotto „Unsere Zukunft. Unser Auftrag. Zusammen. Arbeiten“. Das sei aber dem tagesaktuellen Corona-Krisenmanagement zum Opfer gefallen: „Das ist ein undankbares Thema, bei dem es wenig zu gewinnen gibt, man hat sich aber auch nicht wirklich mit Ruhm bekleckert“, sagt Experte Filzmaier, der in den ersten 100 Regierungstagen eine Folge der „Vogel-Strauß-Politik“ des Wahlkampfes sieht, in dem das Thema Corona strategisch ausgeklammert wurde. „Das büßt man bis heute, man ist dem Virus in Oberösterreich oft noch mehr Schritte hinterher als anderswo“. Eine konsequente Corona-Politik kann der Politologe nach wie vor nicht erkennen: „Im Grunde regiert das Prinzip Hoffnung, dass das Thema Corona bald keines mehr ist.“ Das passiere dann aber „sicher nicht aufgrund der Leistungen der oberösterreichischen Landesregierung.“
SPÖ und Grüne inhaltlich stark zusammengestutzt
SPÖ und Grüne können aus dem schwarz-blauen Corona-Dilemma bisher keinerlei Nutzen ziehen. Einerseits haben sie wichtige Ressorts wie Soziales (SPÖ) sowie Klima und Integration (Grüne) an die ÖVP verloren und daher kaum inhaltliche Gestaltungsmöglichkeiten. Andererseits zwingt sie das Proporzsystem zur konstruktiven Mitarbeit in der Regierung. Die SPÖ-Ansage „kantige Oppositionspolitik“ machen zu wollen, ist daher für Filzmaier „ein Widerspruch in sich“.
Für tatsächliche Oppositionsarbeit sind zwei neu im Landtag vertretene Parteien zuständig: MFG und Neos. Letztere kenne man von ihrer bundesweiten Oppositionsrolle im Nationalrat, analysiert Filzmaier. Die Unterschiede zu Oberösterreich seien da nicht groß. Bei MFG vermisse er im politischen Alltag die versprochene Themenbreite: „Sie sind unverändert auf das Corona-Thema fixiert, haben da ihre hartgesottenen Anhänger. Der Rest des Landes schüttelt über sie verständnis- und fassungslos den Kopf.“
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