Spurensuche in Stall

Dieses Dorf hat niedrigste Impfquote Österreichs

Österreich
23.01.2022 06:00

Die Gemeinde Stall im Kärntner Mölltal verzeichnet mit 46 Prozent die niedrigste Impfquote Österreichs. Dafür gibt es mehrere Gründe - wie die „Krone“ nun bei einem Lokalaugenschein in dem 1500-Seelen-Ort erfuhr.

Stall im Mölltal, im Westen Kärntens; eingebettet zwischen Gebirgsketten. Im Ortskern eine Kirche, drei Wirtshäuser, zwei Mini-Supermärkte, eine Postfiliale, ein Friseurgeschäft, ein paar Shops. Viele der knapp 1500 Menschen, die hier leben, sind Landwirte. Oder sie arbeiten in dem großen Holzwerk am Rande des Dorfs. Oder im Tunnelbau, in der Schweiz, in Deutschland - in Wochen-Schichten, um danach wieder in ihre Heimat zurückzukehren.

„Unsere Bürger sind eben selbstbestimmt“
„Kaum jemand, der in Stall aufgewachsen ist, will von da ganz weg“, sagt Bürgermeister Peter Ebner (SPÖ), „das war immer so, und das wird immer so bleiben.“ Weil die Einwohner ein Dasein in der Natur schätzen, in ihrer „eigenen Welt“, in der sie „eine enorme Selbstbestimmtheit entwickelt haben“, die sie mitunter unzugänglich macht. Für Vorgaben, die anderswo gelten. Was mit Corona deutlich geworden ist: 46 Prozent, so die Impfquote in der Gemeinde, die niedrigste in Österreich.

Das Vertrauen in die Vakzine scheint bei den Bürgern von Beginn an gering gewesen zu sein: Als etwa im vergangenen Sommer ein Bus mit 500 Impfdosen in den Ort kam, wurden nur 32 davon benötigt.

Viele Einwohner hatten bereits Corona
Gemeindearzt Bernhard Kleinsasser verwundert das kaum noch: „Ständig versuche ich, meine Patienten von der Notwendigkeit einer Immunisierung zu überzeugen. Wenn sie mir gegenüber sitzen, versprechen sie, sich bei der Rezeption für einen Stich anzumelden. Aber die meisten von ihnen verlassen dann die Praxis, ohne das zu tun.“ Obwohl Covid die Gegend schon mehrfach „überrollt“ hat und zahlreiche Personen in der Folge in Spitälern – und sogar auf Intensivstationen – behandelt werden mussten.

Trotz dieses Wissens: Der Glaube daran, stärker als das Virus zu sein, bleibt. Wie bei einer Milchbäuerin, die hoch oben am Berg einen Hof bewirtschaftet: „Meine ganze Familie war Anfang 2021 positiv“, berichtet sie, „teils symptomlos, manche von uns hatten ein bisschen Husten und Schnupfen.“

„Wir haben gute Abwehrkräfte“
Als „Glück“ empfindet die 40-Jährige die milden Verläufe nicht, sondern eher als Beweis dafür, „dass gute Abwehrkräfte besser gegen die Krankheit wirken als eine Impfung – die uns bloß schwächen würde.“ Selbst Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie hält die Frau für schädlich. Ihre elfjährige Tochter unterrichtet sie zu Hause: „Weil ich ihr aus gesundheitlichen Gründen nicht zumuten will, mehrere Stunden am Tag eine Maske zu tragen.“

„Ich würde es nicht schaffen, Gästen den Eintritt zu verwehren“
Melanie Reichhold (52), die in Stall mit Tochter Lisa (20) ein Gasthaus betreibt, hat – „obwohl wir beide geimpft sind“ – Verständnis für solche Ansichten: „Jeder besitzt das Recht, über seinen Körper zu bestimmen. Diese Meinung haben fast alle Staller. Und darum gibt es bei uns auch kaum Zwistigkeiten zwischen Impfgegnern und -befürwortern.“

Ihr Lokal ist geschlossen, nicht nur wegen der durch die 2G-Regel stark verminderten Besucheranzahl. „Ich würde es emotional nicht schaffen“, sagt die Wirtin, „Gästen, die keinen Grünen Pass besitzen, den Eintritt zu verwehren.“

„Sein und sein lassen ist unsere Devise“
„Sein und sein lassen, das ist unsere Devise“, betont der seit 25 Jahren amtierende – also offenkundig ziemlich beliebte – Bürgermeister, der vermutet, „dass ich wahrscheinlich ein wenig mitverantwortlich für die geringe Impfquote im Ort bin.“ Am 12. Juli 2021 habe er sich seinen ersten Stich setzen lassen, mit Johnson & Johnson. „Drei Wochen später wurde ich schwer krank, ich konnte kaum noch gehen.“ Kein  Arzt hätte damals eine Erklärung für seine Beschwerden gefunden, er – und viele Staller – hegen daher den Verdacht, dass sie vielleicht durch die Vakzinierung ausgelöst wurden.

Nun wütet Omikron in dem Ort
Im halben Land sei mittlerweile sein „Schicksal“ bekannt: „Deshalb quillt mein Mail-Postfach über, mit Einladungen dazu, bei Demos Vorträge zu halten.“ Was Ebner aber „nicht machen wird“. Vor Kurzem ließ er sich jedenfalls nochmals immunisieren, mit Biontech/Pfizer: „Und es geht mir bestens.“

Zu einer Impfung überreden will er dennoch niemanden. Obgleich gerade Omikron in der Gemeinde wütet. Über 200 Menschen sollen sich bereits infiziert haben, Dutzende davon bei geheimen „Corona-Partys“ mit Erkrankten. Die Zahl der Symptomlosen: ungewiss. Denn die nächste Teststation ist 30 Kilometer entfernt.

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