Nach Afghanistan-Krise

Migrationswelle wie 2015 „fast ausgeschlossen“

Ausland
08.09.2021 13:57

„Das wird es unter meiner Kanzlerschaft nicht geben“, sagt Sebastian Kurz von der ÖVP zur Aufnahme zusätzlicher Flüchtlinge aus Afghanistan. Keinen einzigen Menschen will Österreich zusätzlich aufnehmen. Die Regierung habe genug getan, so die Position der Volkspartei. Die Grünen zeigen sich zwar empört, es sind ihnen aber die Hände gebunden. Ob das ein sinnvoller Weg ist, und wie realistisch das „Schreckgespenst 2015“ ist, weiß Migrationsforscher Gerald Knaus. Er hat unter anderem das EU-Türkei-Abkommen mitgestaltet, und Damita Pressl hat mit ihm gesprochen.

2015 werde sich nicht wiederholen, stellt Knaus klar. Der wichtigste Unterschied: „Heute geht es darum, überhaupt erst zu sehen, ob es Menschen gelingen kann, die vielleicht sogar Aufnahme finden würden, in den USA, Kanada, Großbritannien oder Deutschland - ob die überhaupt herauskommen. Ohne Anstrengungen und Diplomatie mit den Taliban und den Nachbarländern wird das wahrscheinlich gar nicht gelingen.“ Das sei jetzt die große Frage, vor der Politiker des Westens stehen: „Wie sehr setzen wir uns dafür ein, denen, die sich auf uns verlassen haben - Künstlerinnen, Aktivistinnen, Richterinnen - jetzt zu helfen? Das ist eine politische und auch eine moralische Frage.“

Wer es nämlich auf dem Fußweg aus Afghanistan hinaus schafft, der muss erst durch den Iran und die Türkei. Beide Länder haben derzeit im Gegensatz zu vor sechs Jahren eine harte Grenzpolitik. „Dass eine größere Zahl von Menschen sich über all diese Grenzen auf den Weg machen wird, ist fast ausgeschlossen.“

Dennoch sieht Knaus den richtigen Weg nicht darin, niemanden aufzunehmen: „Diese Krise bietet eine Chance.“ Eine breite Mehrheit in Österreich wolle einerseits Kontrolle, „wir wollen wissen, wer ins Land kommt. Andererseits ist das ein humanes Land. Das haben wir in den letzten Jahren gesehen. Entgegen allen Eindrücken, die die Rhetorik der Regierung vermittelt, war Österreich in den Jahren seit 2013 unter den aufnahmebereitesten Ländern der Welt. 2013 wurde Sebastian Kurz Außenminister, er hatte da natürlich von Anfang an eine Rolle, eine Verantwortung. Ich würde sogar sagen, er könnte stolz darauf sein.“ Jetzt sei es an der Zeit, so Knaus, ein System zu schaffen, das Kontrolle mit Humanität verbindet. Wie etwa in Kanada, wo die Zivilgesellschaft sich freiwillig melden kann, um Menschen aufzunehmen, und der Staat kontrolliert, wer da kommt. „Nichts von dem, was ich beschreibe, würde dazu führen, dass sich eine große Gruppe von Menschen nach Österreich auf den Weg macht. Es geht hier wirklich um gezielte Aktionen.“ Knaus spricht von einigen Hundert im Jahr.

„Natürlich kann Österreich nicht die Welt retten, und auch nicht Afghanistan“, so Knaus. Umso wichtiger sei es, nicht nur jungen Männern, die es nach Österreich schaffen, eine Chance zu geben, sondern auch schutzbedürftigen Frauen, Kindern und Familien. Das sei keine Frage der Parteipolitik, sondern würde durchaus einen Konsens finden, ist Knaus überzeugt - allerdings müsste die Bundesregierung anders kommunizieren als sie das derzeit tut. „Ich fürchte ein bisschen, dass es hier um taktische Spiele geht. Man schafft gegen besseres Wissen eine unbegründete Angst vor einer Massenmigration, um dann vielleicht sagen zu können, man hätte sie gestoppt. Dabei wäre diese Massenmigration gar nicht gekommen.“

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