Bob Geldof in Wien

Ein Tanz am Ball und ein Anschiss für den Kanzler

Musik
03.03.2011 18:37
Da lachen sie noch, beim Fototermin für die Presse: der Musiker und Aktivist Bob Geldof und Bundeskanzler Werner Faymann. Beim Gespräch unter vier Augen las der Ire dem Wiener dann aber ordentlich die Leviten und ging anschließend auf ein Tänzchen und ein Glas Wein zum Opernball - zumindest kündigte das Geldof am Nachmittag im Interview mit krone.at an. Eigentlich war er ja nur da, um sein neues Album vorzustellen...
(Bild: kmm)

Geldof bringt dieser Tage mit "How To Compose Popular Songs That Will Sell" - der Titel eines Musikratgebers von 1935, den Geldof mit einem Augenzwinkern übernommen hat - seinen ersten Solo-Longplayer seit fast zehn Jahren heraus. Ein im Gegensatz zum düsteren Vorgänger "Sex, Age & Death" geradezu vor Fröhlichkeit sprühendes Album, auf dem der 59-Jährige die ultimative Lebensweisheit wiederentdeckt hat und verinnerlicht: "Ich glaube, John Lennon hatte doch recht: Alles, was du brauchst, ist Liebe", sagt er beim Interview am Donnerstagnachmittag in einem ganz in weiß gehaltenen Zimmer des neuen Wiener Sofitel Stephansdom ("Das sieht hier aus wie ein Raumschiff").

Die Liebe verteilt Geldof auf "How To ..." (Songproben auf seiner Website) gleich mehrfach: Mit "Silly Pretty Thing" an seine Töchter, mit "She's A Lover" an seine verstorbene Ex-Frau Paula Yates, mit "Dazzled By You" an seine "Retterin" und Freundin Jeanne Marine, mit "Mary Says" an seine kürzlich verstorbene Schwester und in den Danksagungen auf der letzten Seite des Booklets an seinen Vater, Bob senior, der 2010 im stolzen Alter von 96 gestorben ist.

Bob muss nicht mehr für Geldof singen
Vom chronischen Nörgler und dem grantigen Protestredner, der täglich den Mächten der Welt ins Gewissen redet und dabei auch vor Schimpfwörtern nicht zurückschreckt, merkt man auf der Platte nichts. Der Aktivist ist stillgelegt, hier spielt der Musiker auf. Geldof fühlt sich emotional zum ersten Mal seit langer Zeit wieder im Einklang mit sich selbst, sagt er. "Manche Freunde meinen, es ist bizarr, wenn ausgerechnet ich Zeilen wie 'to live in love is all there is' singe. Es verwundert mich selbst, wenn ich das höre." 

Der Musiker Bob genießt es, dass er nicht mehr Songs wie "Do They Know It's Christmas" schreiben und Projekte wie "Live Aid" und "Live 8" auf die Beine stellen muss, um damit dem Aktivisten Geldof im Kampf gegen die "größte Bedrohung", nämlich die Armut, Gehör zu verschaffen. "Ich kann jeden Politiker treffen, ich kann in jeder Zeitung schreiben, in jeder Fernsehsendung auftreten und auf der ganzen Welt vor Publikum Reden halten", sagt Geldof.

Falsches Stichwort. Jetzt verdrängt der Aktivist Geldof den Musiker Bob vom Hotel-Fauteil: Wie so viele andere, die sich intensiv mit Afrika beschäftigt haben ("Ich hab das die letzten 25 Jahre gemacht, ich bin definitiv ein Experte"), ist Geldof fasziniert und wachgerüttelt von den jüngsten Vorgängen in Tunesien, Ägypten, Libyen usw.: "Hier, in diesem Moment, passiert Geschichte, über die man noch in 500 Jahren sprechen wird. Verdammt, und ausgerechnet jetzt musste ich ein Liebes-Album machen!", ärgert er sich. Und er hat recht: Der Soundtrack einer Revolution ist "How To ..." nun tatsächlich nicht.

"Armut zu verhindern ist heute wichtiger denn je"
Die historischen Ereignisse sieht Geldof dennoch als Bestätigung für seine Parole, dass Armut die größte Bedrohung der Welt ist. "Die Armen haben in der Finanzkrise draufgezahlt, weil sie von ihrem Dealer namens Wall Street süchtig nach Geld gemacht wurden. Und als danach die Wirtschaft zusammenkrachte, sind es die Armen, die sie wieder aufrichten - die Armen in China, die wie verrückt billige Sachen produzieren. Und es sind jetzt die Armen in Afrika, die sich aufbäumen, weil man ihnen jahrzehntelang den Wohlstand raubte. Unser Leben im Westen wird das alles von Grund auf verändern. Denn es werden auch die Armen Chinas reich; dann werden wir neben Finanz-, Wirtschafts- und Öl-Krise auch vor einer Lebensmittelkrise stehen, die sich in unseren Supermärkten zeigen wird. Die Inflation wird explodieren, spätestens dann trifft es den Energiesektor. Armut zu verhindern ist heute wichtiger denn je."

Alles was der Westen tun müsse, ist den Menschen in Entwicklungsländern soweit auf die Beine zu helfen, damit sie an Industrie, Finanzwelt und dem internationalen Handel teilhaben "und ihr Leben gesund und mit Würde leben können".

Am Opernball "ein bisschen Business"
Geldof ist freilich nicht nur in Wien, um sein neues Album zu bewerben. Als Gast des Wiener Fondsmanagers "Salus Alpha", der sich mit alternativen Investments beschäfrigt, hat er einen Logenplatz beim Wiener Opernball. Nebenbei unterstützt er dabei die Organisation "Power of Hope", im Wesentlichen als Vertreter von Hollywoodschauspieler Sean Penn, wie Geldof krone.at erklärte. "Ich gehe einerseits deswegen zum Ball, andererseits werde ich dort auch ein paar meiner Freunde treffen und für meinen neuen Entwicklungsfonds 8 Miles werben. Also: ein bisschen Business, viel Musik, ein Tänzchen und - ich hoffe - großartiger Wein."

Geldof hat kein Problem, zwischen den Reichen und Mächten zu verkehren. "Ich küsse auch dem Teufel zur Rechten die Hand, solange er mir zuhört", sagte Geldof, als bei den britischen Wahlen die Macht von Labour zu den konservativen Tories wanderte. Und die "Teufel" öffnen ihm bereitwillig die Tür zur "Hölle", so auch Österreichs Bundeskanzler. Eine Stunde sollte Geldof am Abend Zeit haben, um gemeinsam mit dem ägyptischen Schauspieler und "Power of Hope"-Unterstützer Khaled Nabawy mit Faymann zu sprechen.

Ein ernstes Wort mit dem Kanzler
Gegenüber krone.at kündigte er davor an, mit dem Bundeskanzler ein ernstes Wort über den österreichischen Beitrag zur Entwicklungshilfe zu sprechen. Die SPÖ-ÖVP-Koalition hat Ende vergangenen Jahres im Zuge der Budgeteinsparungen eine 80 Millionen Euro schwere Reduktion der Entwicklungshilfe bis 2014 eingeplant. "Ich weiß schon jetzt, was er sagen wird. Er wird sagen, dass sich Österreich dazu verpflichtet hat, 0,7 Prozent seines Bruttoinlandsproduktes für Entwicklungshilfe aufzuwenden und dass es dafür ein Datum gibt. Und ich werde ihm sagen, dass er das so nicht einhalten wird."

Geldof ist kein großer Fan kontinentaleuropäischer Regierungen (der letzten paar irischen allerdings auch nicht). Die EU hält er für eine lahme Ente, "die absolut unfähig ist". Aber er verstehe Politiker und den Druck der auf ihnen laste, seit die Finanzkrise tiefe Löcher in die Staatskassen gefressen hat, sagt der zum Ritter geschlagene Wahl-Londoner, der sich als gebürtiger Ire aber offiziell nicht mit "Sir" anreden lassen darf. "Selbst Großbritannien hat es geschafft, sein Versprechen zu halten und die Entwicklungshilfen unberührt zu lassen, während alles andere brutal zusammengestrichen wird."

"Ich werde dem Kanzler sagen, was es für Folgen hat, wenn man dieses Versprechen bricht: Irgendwo in Afrika wird dann für ein Kind plötzlich die Schule aus sein, weil es kein Geld mehr gibt. ER hat das Gehirn dieses Kindes aktiviert - und ER will es jetzt wieder ausschalten. So einfach ist das. Und das geht nicht. So etwas macht man nicht, solche Versprechen bricht man nicht."

Das neue Album ist längst vergessen. Geldof, voll in Schwung, zählt Länder auf, die ihre Entwicklungshilfe-Versprechen gehalten haben. Japan, Kanada, Großbritannien, USA, "die Deutschen nicht ganz, aber man kauft ihnen ab, dass sie sich bemühen", "die Franzosen sind lächerlich und die Italiener, wie immer, absolut schändlich; aber was willst du von einem Kriechtier wie Berlusconi erwarten?"

"Kanzler, halten Sie sich an dieses Versprechen!"
Geldof mahnt, Österreich solle sich nicht in dieses Lager zu den Sarkozys und Berlusconis stellen. "Und bei Entwicklungshilfe geht es ja nicht nur um Bildung - von der wir im Westen übrigens auch profitieren -, Entwicklungshilfe sorgt z.B. auch für Medizin. Ich schicke ja nicht ein Kind zur Schule, damit es dann von einer Fliege gestochen wird und stirbt! Das ist doch schwachsinnig! Also: Es geht um eine Kanzler sagen: Ihr habt das Versprechen gegeben. Ihr seid ein großzügiges Volk. Kanzler, halten Sie sich an dieses Versprechen!"

In Bezug auf Faymann habe man ihn vorgewarnt, der österreichische Kanzler lächle immer, auch wenn es um ernste Themen geht. Und da wird aus dem bierernsten Afrika-Experten Geldof wieder der Rock'n'Roller Bob: "Solange er sich nicht den Arsch ablacht und mich aus, wenn ich ihm meine Sachen erzählt habe, ist mir alles recht."

von Christoph Andert, krone.at

Loading...
00:00 / 00:00
play_arrow
close
expand_more
Loading...
replay_10
skip_previous
play_arrow
skip_next
forward_10
00:00
00:00
1.0x Geschwindigkeit
explore
Neue "Stories" entdecken
Beta
Loading
Kommentare

Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.

Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.

Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.



Kostenlose Spiele