Theorien am Prüfstand

Führt die Corona-Impfung zu mehr Fehlgeburten?

Wissenschaft
11.08.2021 11:11

Besonders bei jungen Frauen mehrte sich zuletzt die Sorge, dass durch eine Corona-Impfung die Fruchtbarkeit beeinträchtigt werden könnte oder gar zu einem höheren Risiko einer Fehlgeburt führen würde. Deshalb entscheiden sich viele Menschen noch gegen eine solche Immunisierung. Doch was sagt die Faktenlage zu derlei Behauptungen? krone.at hat den Überblick:

Die Wissenschaft hat bei der Entwicklung der Corona-Impfstoffe ein rasantes Tempo an den Tag gelegt. Für viele Menschen ging das aber offenbar zu schnell, wodurch sich immer mehr Mythen über schwerwiegende Komplikationen hartnäckig verbreiten. Während Forscher und Mediziner weltweit die Sicherheit der Vakzine betonen und auch dringend dazu raten, geraten die Impfkampagnen der Länder zunehmend ins Stocken.

Sammelt sich Impfstoff in Eierstöcken an?
Eine der weitverbreitetsten Behauptungen spielt darauf an, dass sich die Impfstoffe in den Eierstöcken ansammeln und dort negative Effekte hervorrufen könnten. Dabei wird auf eine japanische Studie angespielt, die jedoch falsch ausgelegt wurde. Die Forscher haben dabei an Ratten eine viel höhere Dosis angewandt als am Menschen (1333 Mal höher) - und davon gelangten 48 Stunden danach nur 0,1 Prozent der Vakzine in die Eierstöcke der Tiere.

Bedeutend mehr Bestandteile des Impfstoffs wurden unmittelbar an der Einstichstelle (53% nach einer Stunde, 25% nach 48 Stunden) sowie in der Leber (16% nach 48 Stunden) nachgewiesen. Der Großteil der Vakzine verbleibt also im Muskel, kleine Mengen können auch ins Blut oder in die Organe gelangen, dort seien sie aber unbedenklich, wie etwa Klaus Cichutek vom Paul-Ehrlich-Institut erklärt.

Bislang gab es jedenfalls auch bei der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) keinerlei Hinweise auf eine Beeinträchtigung der weiblichen oder männlichen Fruchtbarkeit durch eine Impfung.

Führt eine Impfung zu mehr Fehlgeburten?
In diversen Foren im Internet wird etwa von Hebammen Alarm geschlagen - es sei zuletzt aufgrund der Impfungen zu zahlreichen Fehlgeburten gekommen. Sie berufen sich dabei meist auf das auf Daten des Yellow-Card-Systems in Großbritannien oder das Vaccine Event Reporting System der USA. In beiden Ländern werden Schwangere schon seit Längerem gegen das Coronavirus geimpft.

Und ein Blick auf die dort aufgeführten Zahlen sorgt tatsächlich für Unbehagen, wurden doch tatsächlich recht viele Fehlgeburten an diese Datenbanken gemeldet. Da es sich dabei jedoch um die Betroffenen selbst handelt, die ihre Meldungen dort einspeisen, sind die Angaben mit Vorsicht zu genießen.

Zahlen nicht höher als bei Ungeimpften
Um einen möglichst realen Überblick zu erhalten, haben Wissenschaftler nun die Meldungen in einen größeren Kontext gestellt und mit den Zahlen der Allgemeinbevölkerung abgeglichen. Dabei stellte sich heraus, dass die Rate an Fehlgeburten bei Geimpften und Ungeimpften nahezu ident ist. Erst wenn sich dabei eine Häufung zeigt, würden die Gesundheitsbehörden eine entsprechende Untersuchung einleiten - das war bislang jedoch nicht der Fall.

Können Impfstoffe die Plazenta angreifen?
Ein britischer Pharmakologe sorgte zuletzt mit einer Petition für Aufsehen: Er behauptet darin, dass die durch die Impfung entstehenden Antikörper ein bestimmtes Protein attackieren würden, das dem Spike-Protein nicht nur ähnlich sei, sondern auch für die Bildung der Plazenta erforderlich sei. Die erschreckende Befürchtung: Die Impfung mache dadurch unfruchtbar.

Tatsächlich kann das Immunsystem die beiden Proteine aber nicht verwechseln. Sämtliche Proteine werden aus langen Ketten von insgesamt 20 verschiedenen Aminosäuren gebildet. Das Spike-Protein von Sars-CoV-2 besteht aus einer Kette von über 1200 Aminosäuren, das angeblich betroffene Syncytin-1 ist deutlich kürzer.

Vergleicht man diese Ketten miteinander, sind maximal drei Aminosäuren hintereinander ident.  Solche minimalen Überlappungen finden sich bei praktisch allen Proteinen, wenn man sie vergleicht, wie der Wiener Molekularbiologe Martin Moder erklärt. Solche Ähnlichkeiten haben etwa auch jene von Rhinoviren, die Schnupfen verursachen - und auch diese führen nicht zur Unfruchtbarkeit.

Risiko tatsächlich sehr gering
Tatsächlich sind Ärzte sehr vorsichtig bei Impfempfehlungen in der Schwangerschaft. Waren die meisten Mediziner anfangs noch abwartend, zeige die Datenlage nun: „Der Impfstoff ist sehr sicher“, wie Cichutek erklärt. Mittlerweile sind immerhin schon mehrere Hundert Millionen Impfdosen weltweit verabreicht worden. Und je mehr es werden, desto klarer belege die riesige Datenmenge die Sicherheit der Impfstoffe. Das Risiko für die bekannten Nebenwirkungen liegt demnach bei 1:100.000.

Die häufigsten Impf-Mythen hat der Pharmakologe Dr. Markus Zeitlinger für unsere Leserinnen und Leser im krone.tv-Talk aufgeklärt (siehe Video oben).

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