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Musikdoku „Tina“: Ein Promi-Leben voller Schmerzen

Musik
11.06.2021 08:00

Tina Turner gehört nicht nur zu den größten weiblichen Rockstars der Musikgeschichte, sondern musste auch so viele körperliche und emotionale Rückschläge hinnehmen wie kaum eine andere Künstlerin. Die Musik-Doku „Tina“ (ab 11. Juni im Kino) zeichnet die Aufs und Abs der großen Künstlerin aus Tennessee noch einmal nach - und hinterlässt ein bittersüßes Gefühl im Magen. Als kleinen Vorgeschmack zeigt krone.at ausgewählte Szenen aus dem musikalischen Lebens von Tina Turner (siehe unten).

(Bild: kmm)

Nur wenige Promileben haben so viele Haken geschlagen wie jenes von Tina Turner. Die als Anna Mae Bullock 1939 im beschaulichen Brownsville, Tennessee geborene Vollblutkünstlerin wandelte in ihrem mittlerweile 81-jährigen Dasein durch so viele unterschiedliche Inkarnationen, dass es einem beim bloßen Rekapitulieren schwindlig werden kann. Dramen und Tragödien finden in der Vita Turners gleichberechtigt Platz mit Erfolgen und Triumphen. Die knapp zweistündige Dokumentation „Tina“ versucht nun die einzigartige und in dieser Form nicht mehr wiederholbare Karriere der vielleicht stärksten Powerfrau der Rock-Historie möglichst akribisch nachzuverfolgen und rückt bewusst nicht vom chronologischen Erzählschema ab.

Schritt zur Selbstheilung
Wir sehen Tina Turner in all ihren Facetten und kommen nicht umhin, mehr Mitleid als Freude mit der Stadionkünstlerin zu empfinden. Einen breiten Raum der Doku nehmen freilich die Jahre 1958 bis 1978 ein - bekanntlich jene Ära ihrer Karriere, in der sie den acht Jahre älteren Ike Turner zuerst kennen und lieben, danach verachten und verlassen lernte. Dazwischen wurden aus den beiden gegensätzlichen Polen R&B-Weltstars, die mit ihrer Revue über alle Kontinente tourten, Vorband der Rolling Stones waren und einen Grammy einheimsten.

Ikes Aggressionsschübe und die immer häufiger eingesetzte körperliche Gewalt führten schlussendlich zur Emanzipation von Tina zu ihrem Kompagnon. Als die Scheidung 1978 über die Bühne ging, verlor sie fast alles, konnte aber ihren Künstlernamen behalten. Ein vor allem für ihre Psyche und Selbstheilung wichtiger Schritt.

Ende der 70er-Jahre emanzipiert sie sich als 40-Jährige von ihrer Vergangenheit. Sie findet mit Manager Roger Davies eine Vertrauensperson, die an sie und ihre Vision von einem Rock’n’Roll-Star glaubt und Turner trotz der damaligen Nachteile zu schwarz, zu alt und zu uncool zu sein auf den Thron der Populärmusik führt. Mit dem 1984er-Album „Private Dancer“ und der Single „What’s Love Got To Do With It“, ihrem ersten eigenen Werk unter Mithilfe des professionellen Songwriters Terry Britten, gelingt ihr der fulminante Durchbruch, der sie entgegen aller Vorhersagen und Ängste vieler Experten zum umjubelten Weltstar macht. Turner konzertiert als erste Frau in Stadien, hält bis 1989 den Rekord für die ertragreichste Tournee der Welt, wird durch ihre Teilnahme am dritten „Mad Max“-Film zur Ikone der zeitgeistigen Popkultur. Mit Mitte 40 befindet sie sich am Zenit ihres Lebens. Weiblich, schwarz und allen Rückschlägen und Vorurteilen trotzend.

Negatives Narrativ
Doch die Dämonen der Vergangenheit lassen sich nicht abschütteln. 1986 erscheint ihre Autobiografie „I, Tina“, 1993 folgt die gefeierte und preisgekrönte Filmbio „Tina - What’s Love Got To Do With It?“ - doch damit mehren sich auch die Fragen nach ihrer Vergangenheit. Tina Turner, erfolgreicher und glücklicher Superstar, wird medial in die Zeitmaschine geworfen und an den schlimmsten und niederträchtigsten Momenten ihres Lebens wieder ausgespuckt. Die Botschaft an dieser Stelle der Dokumentation: selbst im hellsten Glanz des Scheinwerferlichts lassen sich vorhandene Makel nicht überdecken. So zieht sich die tragische Geschichte mit Ex-Mann und Karriereboost Ike als ständig wiederkehrendes Narrativ-Modell durch die Doku und nimmt immer wieder Drive aus dem angedeuteten Positivismus der Geschichte.

Die Regisseure Daniel Lindsay und T.J. Martin bemühen sich nach Kräften, Tinas Bild heroisch und inspirierend zu zeichnen, scheitern aber an der bitteren Lebensrealität, die ihr kein Friedenschließen mit ihren frühen Tagen gewährt. Die Traumatisierung dieser Jahre hätten das Projekt dann auch fast zu Fall gebracht, denn die Sängerin, die anfangs das Einverständnis zur Dokumentation gab, wollte während der Dreharbeiten schon abbrechen. Sie, die sich schon mit der Musical-Umsetzung ihres Lebens vor einigen Jahren aus dem Rampenlicht verabschieden wollte, zog das Programm aber doch noch durch, um das Leben in der Öffentlichkeit zu beschließen, wie Ehemann Erwin Bach es am Ende formuliert. „Tina“ greift auf alte Liveaufnahmen und akustische und visuelle Interviews von früher, aber auch neue Statements zurück. Sie lässt von Ike Turner über Angela Bassett bis hin zu ehemaligen Tänzerinnen allerlei Lebens- und Karrierebegleiter zu Wort kommen, die in guter oder schlechter Weise einen prägnanten Einfluss auf die Wahl-Schweizerin hatten.

Narben der Vergangenheit
Über allem strahlt Tina Turner selbst, die mit aktuellen Interviewaufnahmen aus einem Hotel in Zürich immer wieder Stellung nimmt und wohl ein allerletztes Mal auf ihre beispiellose Karriere zurückblickt. Trauer, Groll und Freude halten sich situationsbedingt die Waage und man spürt in manchen Szenen fast schon körperlich, wie stark die Narben ihrer Vergangenheit noch heute schmerzen. Die Ausflüge in das Privatleben geben der Dokumentation eine boulevardeske, aber auch interessante Note, denn zu ihrem musikalischen Genius wurde audiovisuell ohnehin schon alles erzählt. So ist „Tina“ ein bemühter, aber nicht durchgehend gelungener Versuch, eine waschechte Legende zugänglich zu machen. Etwas mehr Infos aus der näheren Vergangenheit hätten aber doch gutgetan. Zurück bleibt das bittersüße Gefühl, einen Menschen begleitet zu haben, der trotz all des Ruhms, Erfolgs und Geldes mehr Liebe gab, als er von anderen bekam…

„Tina“: Ab 11. Juni, im Kino. HIER können Sie mit krone.at noch Tickets für die Musikdokumentation gewinnen!

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