Interview & Debütalbum

Lamila: Verbunden mit der Harmonie der Natur

Musik
28.05.2021 08:00

Vintage-Nostalgie, Wald- und Wiesenromantik, dreistimmiger Harmoniegesang - das Wiener Trio Lamila wagt auf dem teilkonzeptionellen Debütalbum „Withered Dream“ den Spagat zwischen träumerischer Vergangenheit, akkurater Gegenwart und verheißungsvoller Zukunft. In sanften, aber stringenten Melodien entführen sie uns in ihre luziden Welten. Wir haben beim Kompositionsduett Camilla Thurner und Alexander Hoffmann genauer nachgefragt.

(Bild: kmm)

„Krone“: Camilla, Alexander - wenn man sich das Lamila-Debütalbum „Withered Dream“ so anhört, kommen einem schnell Begriffe wie Romantik, Zeitlosigkeit oder Wald und Wiese in den Sinn. Es ist aber konzeptionell wohl keine Naturliebhaberplatte?
Camilla Thurner:
Es war nicht von vornherein geplant, dass das Album besonders naturbezogen sein soll. Es ist aber ein Folk-Projekt und die Natur steht in dem Bereich meist im Zentrum. Dieses Ursprüngliche hört man unserer Musik an, weil wir Vintage-Elemente wie den erdigen Kontrabass oder die Chöre der 50er- und 60er-Jahre einbauen. Das haben wir auch in den Videos umzusetzen versucht und deshalb herrscht diese Blumen-Hippie-Ästhetik. Die Blumen ziehen sich durch das ganze Projekt.
Alexander Hoffmann: Das Interesse an Natur ist mit der Folk-Musik an sich sehr kompatibel.

Euch inspiriert ja nicht nur die alte Schule von Joni Mitchell bis Nick Drake, sondern auch neuere Künstler wie Bon Iver oder Sufjan Stevens. Wo zieht ihr da welche Inspirationen für euch raus?
Hoffmann:
Aus der Gitarrenperspektive bin ich am ehesten von Simon & Garfunkel, den Beatles oder Bob Dylan inspiriert, aber der Sound mit dem E-Gitarren und Synthesizern soll schon modern klingen.
Thurner: Der Hall an den Stimmen hat sich von einer trockenen Vorstellung hin zu etwas Sphärischem entwickelt.
Hoffmann: Wir haben uns entschlossen, als Trio zu arbeiten, kamen aber im Studio drauf, dass wir den Sound mit Schlagzeug, E-Gitarren und ein paar Synthies auffetten wollten. Wir wollten das alte Stilmuster mit Fingerpicking, Kontrabass und 60er-Musik mit einem modernen Pop-Sound vermischen.
Thurner: Kontrabassistin Ines Fuchs und ich haben anfangs gemeinsam begonnen, aber da war noch nicht klar, was noch dazukommen sollte. Es hätte statt der Gitarre auch ein Klavier sein können, aber Alex kam als Mensch dazu und brachte das Instrumentale mit. Es gab keinen großen Plan und alles wuchs natürlich. Ich wollte etwas Englischsprachiges machen. Das ergibt dann die Mischung aus Folk, Singer/Songwriter und Indie. Das Mehrstimmige konnte ich früher nicht so ausleben, aber bei Lamila hat es sich perfekt entwickelt.

Die Dreistimmigkeit ist ein wunderbares Merkmal in euren Songs. Ergab sich das auch zufällig, oder war das schon früher angedacht?
Thurner:
Wenn ich ein Lied singe oder höre, habe ich immer eine zweite Stimme im Kopf. Das Dreistimmige kam mit Alex. Es hat einfach perfekt gepasst. Es sind auch nicht drei Stimmen, die irgendwas singen, sondern es gibt eine richtige Harmonie. Davon lebt unser Sound. Bon Iver hat 1000 Stimmen selbst eingesungen, aber so durchgehend dreistimmig gehen nicht viele andere Künstler vor.
Hoffmann: Es war auch ein bisschen der Notwendigkeit geschuldet, dass eine Stimme zu Gitarre und Kontrabass etwas zu wenig gewesen wäre. Wir haben fehlende Instrumente anfangs durch Stimmen kompensiert, aber die blieben uns dann einfach erhalten.

Wusstet ihr von vornherein, dass Lamila die perfekte Musik für Eskapismus wäre oder ergab sich das auch durch die harsche Zeit, die wir seit mehr als einem Jahr durchleben?
Thurner:
Wir haben gemacht, was uns gefällt und haben nicht viel geplant. Im Laufe der Albumproduktion sind wir draufgekommen, dass die Musik entspannt und guttun soll. Es hat sich durch den Sound und unsere Zusammenarbeit einfach so ergeben.
Hoffmann: Durch den Titel wurde es ein Konzeptalbum, aber die Stimmung hat sich erst im Laufe des Studios ergeben. Irgendwann ergab alles einen klanglichen Sinn. Es entstand dann das Konzept Traumwelt für das Album.
Thurner: Das war wirklich nicht geplant, denn 2019 haben wir erst einmal drei Songs geschrieben und sind damit sofort ins Studio gegangen. Was Lamila ist oder wohin das Projekt gehen würde, war anfangs überhaupt nicht klar. Das ergab sich erst im Studio.
Hoffmann: Es gab auch keine Demos, wo wir Spuren austauschten oder veränderten. Ich habe mich im Studio hingesetzt und E-Gitarren-Parts geschrieben, um mich besser in die Songs einfühlen zu können.

Jetzt habt ihr für euch und auch nach außen hin einen Stil gefunden, mit dem man Lamila künftig verbinden wird. Macht euch das für den weiteren Karriereverlauf mehr Druck?
Thurner:
Wir können uns seht gut davon freimachen, weil wir nicht die große Reichweite haben. Für Ines und mich war das im Studio eine komplett neue Erfahrung, Alexander war schon routinierter. Wir haben für uns als Band rausgefunden, wie wir klingen wollen. Zudem haben wir Dinge gelernt, die wir beibehalten oder anders machen wollen. Mehrstimmigkeit und das Folk-Genre werden wir aber sicher beibehalten.
Hoffmann: Wir machen uns nicht den Druck, beim nächsten Album gleich zu klingen oder uns weiterentwickeln zu müssen. Wir machen das, was uns gefällt und der Geschmack verändert sich ohnehin immer. Ich persönlich glaube, dass das, was uns in den nächsten zwei Jahren selbst interessiert, musikalisch bei uns einfließen wird.

Entwicklung von Künstlern ist für Fans meist eine zwiespältige Angelegenheit. Welche Künstler haben für euch die beste und auch die schlechteste Entwicklung durchgemacht?
Thurner:
Radiohead haben eine super Entwicklung hingelegt. Die ersten, sehr grungigen Songs haben mir gar nicht gefallen. Sie haben ihre Identität gesucht und das hat sich zu einem Sound herauskristallisiert, der die Indie-Welt auf den Kopf stellte und Thom Yorke hat viele Bands dazu inspiriert, etwas Neues zu machen. Er hat plötzlich Falsett gesungen und das machten dann alle.
Hoffmann: Die Beatles. Von der Love-Song- und Schunkelband wurden sie zu den Popgrößen, die alles, was danach kam, immens beeinflusst haben. Bands wie Mando Diao oder die Kings Of Leon haben dafür den Ausverkauf-Charakter bekommen. Sie sind als Indie-Band mehr in Richtung Pop gegangen, was eher ein Image-Negativbeispiel darstellt.

Zurück zu eurem Sound - ihr habt den Begriff Harmonie öfters verwendet. Ist ein guter Harmoniegesang zum Beispiel der Pfeiler dafür, dass ihr wisst, ein Song ist gelungen oder gut genug, um veröffentlicht zu werden?
Thurner:
Das Coole an uns beiden Songwriterin ist, dass jeder den Fokus woanders hat. Alex sehr stark an den Akkordverbindungen und er mag es nicht, wenn Dinge zu vorhersehbar sind. Ich habe meinen Schwerpunkt an den Vocals und am Text und wenn wir das zusammenfügen und es klickt, dann ist das natürlich optimal.
Hoffmann: Ich habe an der Gitarre ein gewisses Songwriting-Schema für mich entdeckt, dass ich in die Kompositionen einfließen lassen kann. Der Grundstein für einen guten Song ist der Gänsehautfaktor. Wenn die Musik und der Gesang passen, werden Emotionen geweckt und das fühlt man. Bei Indie-Popmusik braucht es nicht zu viele Gedanken, da ist das Gefühl wichtiger. Das Überlegende kommt dann erst, wenn die Dinge arrangiert werden.

Könnt ihr das Konzept hinter „Withered Dream“ noch ein bisschen vertiefen?
Thurner:
Wir sind während des Videodrehs zu „The Last Leaf“ auf den Albumtitel gekommen. Wir haben da eine schöne Kulisse mit vertrockneten Blumen, Kopfschmuck aus der Jahrhundertwende um 1900, alten Teppichen und Kleidern verwendet. Wir sind so stark in diese Vision gerutscht, dass wir den Titel als Verbindung für die Songs auf dem Album förmlich gespürt haben. Wir nehmen Vintage-Elemente mit und machen etwas aus der Gegenwart, das auch für die Zukunft passt. Es ist ein Selbstreflexionsalbum, wo es in unterschiedlichen Themen um die Vergangenheit und das Zurückblicken geht. Jeder Song spricht für sich selbst, jeder hat seinen eigenen Geist. Wir haben versucht, das Geisterhafte und die verwunschene Mystik herauszuheben. Es ist alles sehr verträumt.
Hoffmann: Es sind Reflexionen von Erinnerungen und Geschichten, die einmal passiert sind und nachhallen.
Thurner: Jeder einzelne Text ist in der Mitvergangenheit geschrieben. Es geht immer um das, was schon war. Um das Betrachten des Damals.

Es sind immer flüchtige und verschwindende Momente, wenn man nach einer durchträumten Nacht aufwacht und sich diese Traumerinnerungen sofort wieder verflüchtigen. Sind das die Momente, wo du als Texterin kreativ bist?
Thurner:
Bei mir ist es eher umgekehrt. Kurz vorm Einschlafen kommen mir die Ideen, aber dann bin ich oft zu faul, um sie niederzuschreiben. Intensive Traumgefühle bleiben bei mir länger. Ich könnte dir auch jetzt noch genau sagen, was ich vor sieben Wochen geträumt habe.
Hoffmann: Ähnlich wie die Erinnerungen. Die, die wichtig sind, erhält man sich. Ich werde immer dann kreativ, wenn ich schlafen gehen sollte und am nächsten Tag früh raus muss. (lacht) Wenn man komplett müde ist, dann kommt der Körper auf Touren. Dieser letzte Wachzustand ist eigentlich das Magischste am Tag.

Wie viel von den Texten ist Fiktion und wie viel Realität?
Thurner:
Eigentlich ist alles Realität. Es sind viele autobiografische Geschichten und Gedanken, mit denen ich mich identifizieren kann. Verträumt ist dann die Musik und das Visuelle, das bei uns mitschwappt.

Als Camilla Glück hast du dich auch schon im deutschsprachigen Segment versucht. Funktioniert Lamila nur auf Englisch oder dient dir die Sprache auch als Schutz, weil die Themen persönlich sind?
Thurner:
Das weiß ich gar nicht. Ich finde deutschsprachige Musik nach wie vor super, aber die Entscheidung auf Englisch zu singen stand schon bevor die Texte kamen. Man erreicht auf Englisch ein größeres Publikum und wir wollten uns hier nicht so darauf beschränken. Außerdem wollte ich etwas anderes probieren. Auch auf Englisch zu schreiben war anfangs total ungewohnt, dennoch schön. Lamila bleibt in jedem Fall englischsprachig und wir arbeiten in anderen musikalischen Projekten, wo es manchmal auch Deutschsprachig zugeht. Kurioserweise schreiben wir als Lamila jetzt tatsächlich einen Song auf Deutsch, nämlich ein Kinderlied. Da bekamen wir die Einladung für einen Sampler, wo österreichische Pop-Künstler Kinderlieder vertonen. Es gab einen ersten Teil mit dem Nino aus Wien, Clara Luzia und Co. und bei Teil zwei sind wir mit dabei.

Sind Filme, Literatur und überhaupt Vintage-Devotionalien eventuell noch mehr inspirierend als andere Musik?
Thurner:
Ich merke, dass ich beim Lesen extrem inspiriert werde. Ich lese leider viel zu wenig, aber kann extrem viel daraus ziehen und das gilt auch für Filme. Uns ist der visuelle Aspekt schon sehr wichtig. Wir haben die ersten drei Videos mit derselben Person gedreht, damit es konzeptionell wirkt. Ich habe das erste Mal komplett an einem Konzept gearbeitet und da kann man sich unendlich viele Gedanken machen. Man stößt unweigerlich an die eigenen Grenzen, weil man es immer noch detaillierter oder perfekter machen könnte.
Hoffmann: Man muss irgendwann die Grenzen ziehen. Wann ist ein Projekt zu verbissen und muss beendet werden? Am Ende muss man sich in der kreierten Atmosphäre des Konzeptes selbst wiederfinden. Zu gezwungen darf die Musik nicht klingen.
Thurner: Im Indie-Sektor ist die aktuelle Ästhetik der trashige Aspekt. Wenn etwas wie ein Handyfoto aussieht, dann ist es optimal. Wir haben bewusst versucht, von dort auszubrechen und haben etwas erzeugt, was sehr gut überlegt ist und nicht spontan entstand.

Gibt es einen Schlüsselsong auf „Withered Dream“, der das gesamte Werk bestmöglich zusammenfasst?
Hoffmann:
Einen besonders stellvertretenden Song gibt es eigentlich nicht.
Thurner: Ich habe an „Clouds“ gedacht, weil er sowohl poppig als auch sphärisch ist. „Build My Home To Last“ geht mit seiner Mehrstimmigkeit auch wieder in eine ganz andere Richtung als „Mammoth Tree“, der schon sehr aufgelegter Indie-Pop ist.
Hoffmann: Für mich persönlich wäre es wohl „Dandelion Crown“ oder „The Last Leaf“. Man sieht also, das deckt sich bei uns nicht ganz. (lacht)

Schreibt ihr auch schon fleißig an neuem Material? Ist über das Album, an dem ihr jetzt doch zwei Jahre gearbeitet habt, hinaus etwas geplant?
Thurner:
Im Moment haben wir noch nicht viel neues Material, aber wir haben uns für den Sommer vorgenommen, an einem neuen Album zu schreiben. Man wird sehen, ob Konzerte stattfinden oder andere Dinge hereinflattern, aber wir sind inspiriert und sammeln schon Ideen für neue Songs.
Hoffmann: Musikalisch gibt es schon viele Ideen, textlich noch nicht, aber wir sammeln und schauen dann, was wir daraus machen können.

In welchen anderen Projekten oder Bands seid ihr sonst so unterwegs?
Hoffmann:
Ich baue mein eigenes Projekt auf, wo ich noch nicht weiß, wie es heißen soll, aber es wird deutschsprachig sein. Ich habe noch eine zweite deutschsprachige Indie-Band namens Mandarille und als Gitarrist bin ich auch in einer Hochzeitsband tätig. Und ansonsten steht die Prüfung für den Bachelor-Abschluss an der Gitarre an.
Thurner: Ich war vorher bei Hunny Pimp im Backgroundchor, aber da Livespielen momentan schwierig ist, ist das derzeit kein Thema. Ich setze meinen vollen Fokus auf Lamila und auch wenn wir keine Livekonzerte spielen können, ist das ein klarer 40-Stunden-Job. Es hört nie auf und es gibt immer etwas zu tun.

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