Mehr als nur Gefühl

Einsamkeit löst gleiche Reaktionen aus wie Hunger

Wissenschaft
12.04.2021 06:00

Einsamkeit ist viel mehr als nur ein schlechtes Gefühl. Sie kann zu einem früheren Tod führen, denn: Das Bedürfnis nach sozialen Kontakten ist gleich fundamental wie jenes nach Essen.

Nach mehr als einem Jahr Pandemie ist der Mensch im wahrsten Sinne des Wortes ausgehungert nach Kontakten. Denn das Bedürfnis nach sozialer Interaktion ist „gleich fundamental wie jenes nach Essen“, sagt Livia Tomova. Die Psychologin untersuchte, was im Gehirn passiert, wenn Menschen einsam sind. Die Erkenntnisse sind erstaunlich: „Einsamkeit ist ähnlich zu verstehen wie Hunger“, erklärt sie. Sie wirke wie ein Signal, um den Betroffenen dazu zu bewegen, etwas gegen den Mangel zu unternehmen.

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Aus der Tierforschung wissen wir, dass Einsamkeit durch Essen, Drogen und Alkohol kompensiert wird und so Süchte entstehen.

Psychologin Livia Tomova

Macht man das nicht, kann das schwerwiegende Folgen haben: „Bereits nach zehn Stunden in Isolation haben die Testpersonen mehr negative Emotionen empfunden“, so die Wissenschaftlerin. Das stimme mit anderen Studien überein, die belegen, dass einsame Menschen häufiger psychische, aber auch gesundheitliche Probleme haben.

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Gewollt alleine sein kann auch positive Effekte haben. Umgekehrt kann man sich auch unter Menschen einsam fühlen.

Psychologin Livia Tomova

Einsamkeit löst im Gehirn die gleichen Signale aus wie Hunger, fand Psychologin Livia Tomova (im Bild) in einer durch den FWF unterstützten Studie heraus. (Bild: Michael Rausch-Schott/FWF)
Einsamkeit löst im Gehirn die gleichen Signale aus wie Hunger, fand Psychologin Livia Tomova (im Bild) in einer durch den FWF unterstützten Studie heraus.

Jugendliche gefährdeter, an Einsamkeit zu leiden
Was macht also ein Jahr der Isolation mit uns - und können soziale Medien echte Begegnungen ersetzen? Das ist schwer zu sagen, sagt Tomova. Aktuell wisse man noch wenig darüber, wie sich soziale Medien auf unser Sozialleben auswirken. „Was bisher belegt wurde, ist, dass eine aktive Nutzung - also Austausch durch Telefonate und Texte - positiver ist als eine passive Nutzung. Also das Betrachten von Fotos und Posts.“ Doch gerade Jugendliche leiden besonders unter der Situation. „Sie haben ein ausgeprägtes Bedürfnis nach Kontakt mit Gleichaltrigen“, erklärt die Psychologin. Selbst wenn sie objektiv gleich viele Kontakte wie ältere Personen haben, fühlen sie sich schneller einsam.

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Die Frage in der Pandemie ist, ob es nicht Wege gibt, damit Menschen sich trotzdem sozialisieren können - aber sicher.

Psychologin Livia Tomova

Das deckt sich auch mit Umfragen, in denen zum Teil bis zu 60 Prozent der Jugendlichen angeben, sich aktuell einsam zu fühlen. Welche Folgen all das noch haben wird, sei schwer abzuschätzen, sagt Tomova. Wichtig sei aber, dass Einsamkeit nun sichtbar werde und die Gesellschaft verstehe, „dass soziale Kontakte keine Nebenbeschäftigung, sondern ein elementares Bedürfnis sind“.

Porträt von Anna Haselwanter
Anna Haselwanter
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