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KW 6 – die wichtigsten Neuerscheinungen der Woche

Musik
13.02.2021 06:00

Musik als Lebenselixier - besonders für das Wochenende, wo man hoffentlich auch Zeit dafür hat. Wir haben für euch wieder die besten Alben und Veröffentlichungen der Woche zusammengesammelt. Quer durch alle Genres ist hier garantiert für jeden was dabei. Viel Spaß dabei!

(Bild: kmm)

3.2 - Third Impression
Ob sich diese Band leicht googeln lässt, sei dahingestellt, musikalisch werden Freunde sanfter Rock-Kunst mit Prog-Anleihen jedenfalls vollauf zufrieden sein. 3.2 ist die Nachfolgeband der Band 3, bei der Mastermind Robert Barry mit Carl Palmer und dem verstorbenen Keith Emerson zusammengearbeitet hat. Emersons plötzlicher Tod ruiniert vor knapp sechs Jahren alle fortgeschrittenen Bestrebungen. 3.2 kann also durchaus als Tribut an Emerson gesehen werden - so auch das Zweitwerk „Third Impression“, das rundum gelungen ist. Berry bringt in den AOR-/Prog-Tracks seine eigene Note ein, ohne aber an der mehr als 30 Jahre langen Zusammenarbeit mit Emerson zu kratzen. Huldigung, Tribut, Ehrerbietung - was auch immer, „Third Impression“ ist dringend benötigtes Futter für die Zielgruppe. 7,5/10 Kronen

Abiotic - Ikigai
„Ikigai“ kommt aus dem Japanischen und bedeutet so viel wie Lebensmotto. Das haben sich die Amerikaner von Abiotic auf die Stirn geschrieben, denn ihre Band haben sie in den letzten Jahren viel zu oft außen vorgelassen. Mit dem neuen Streich soll das der Vergangenheit angehören und die Kontinuität Einzug halten. Perfekt konzeptionierten Technical Death Metal, der gerne in die Prog-Richtung ausschlägt, kennt man alten und neuen Größen wie Cynic oder Allegaeon zuhauf, eine wirklich frische Note bringen Abiotic mit diesem semikonzeptionellen Werk auch nicht mehr ins Spiel. Wenn das Gefrickel dem Tempo Platz macht, sind The Black Dahlia Murder Brüder im Geiste, doch deren Rasanz folgen Abiotic bewusst nicht. Ach ja - bei „Souvenier Of Skin“ singt TBDM-Sänger Trevor Strand die Guest Vocals. Warum auch immer. Solide Kost, aber nichts Herausragendes. 5,5/10 Kronen

Aborym - Hostile
Wer sich nicht so ganz von den Klängen des Industrial-Papstes Marilyn Manson trennen möchte, aber aufgrund seiner mehr als prekären Lage nicht mehr wirklich die Möglichkeit sieht, sich mit ihm zu identifizieren, der kann sich an die altgedienten Italiener von Aborym wenden. Deren Industrial ist zwar um Ecken zahnloser und unspannender, aber das wuchtige 66-Minuten-Werk „Hostile“ hat so seine Höhepunkte und die stets an Manson gemahnende Stimmlage von Sänger Fabban aufzuweisen. Die Songs sind im Großen und Ganzen tanzbarer und zugänglicher als in den früheren Jahren, aber auch oft etwas langweiliger und statischer. Wer seinen Industrial Metal lieber mit Druck und Pep will, der lässt Aborym aus. 5/10 Kronen

Abythic - Dominion Of The Wicked
Himmerherrgott, was für eine bleierne Schwere, die sich durch dieses Album zieht. Die aus Nordhein-Westfalen stammenden Abythic spielen auf ihrem Drittwerk „Dominion Of The Wicked“ Death Metal der besonders zähen Sorte, der sich die meiste Zeit schon am Doom Metal orientiert und mit seinen atmosphärischen Schlenkern durchaus am Gestus des Black Metal kratzt. In nur vier Songs erzählen die menschlichen Ambosse Geschichten vom Untergang des Universums und ordnen sich damit grob im Fahrwasser der Größen Asphyx, Hail Of Bullets und - natürlich - Bolt Thrower ein, sind aber doch viel zu eigenständig, um einfach nur bei diesem Vergleich verhaften zu bleiben. Wer seinen Death Metal wie eine Walze durch den Schädel rasseln lassen möchte ist hier sehr gut aufgehoben. Zur Champions League fehlt es Abythic aber schon noch am ausgefeilten Songwriting. 6/10 Kronen

Animated Matter - Selkie
Ins Märchenhafte driften Sängerin Elizabeth Cox und der multisensoriale Künstler David Yann Robert auf ihrem Projekt Animated Matter ab. Sie erzählen in einer knappen halben Stunde auf acht Songs meist instrumental die skandinavisch-schottisch-keltische Sage um Selkie - eine Tragödie um eine unglückliche Land/See-Romanze zwischen einem Mann und einer Formwandlerin zwischen Seehund und Mensch. Das Album haben die beiden Vollblutkünstler über mehrere Jahre hinweg in aktiven Nächten in New York zusammengeschraubt. Inspiriert von der schroffen Rauheit Nordostamerikas ergehen sich die Kompositionen in Ambient-Klängen, die selten mit Melodien flirten, zumeist aber verschiedene elektronische Schichten zusammenführen. Ein träumerisches Werk für den Kachelofen - und die imaginierte wilde See. 7/10 Kronen

Arc Of Life - Arc Of Life
Wenn man schon nicht touren und live spielen kann, dann bleibt umso mehr Zeit fürs Songschreiben und Zusammenfinden. Arc Of Life ist nichts anderes als eine Prog-Rock-Supergroup mit illustren Mitgliedern. Die aktuellen Yes-Mitglieder Jon Davison (voc), Billy Sherwood (bass, voc) und Jay Schellen (dr). Dazu noch ex-Sound Of Contact-Keyboarder Dave Kerzner und der von diversen älteren Yes-Alben bekannte Gitarrist Jimmy Haun. Dementsprechend ausgereift sind auch die Kompositionen, die nur so vor Progressivität, Experimentierfreude und dem Sprengen von Grenzen strotzen, aber manchmal doch etwas in ihrer eigenen Introvertiertheit hängen bleiben. Songs wie „Talking With Siri“, „The Magic Of It All“ oder „Locked Down“ erfinden das Rad eben nicht neu und sind so oder ähnlich schon mal dagewesen. All-Star-Tipp für Genre-Insider. 6,5/10 Kronen

Audio88 & Yassin - Todesliste
Die beiden Berliner Rapper Audio88 und Yassin sind alles andere als textliche Leichtgewichte und treten auch auf der „Todesliste“ wieder kräftig aufs Gaspedal. Fast fünf Jahre nach dem letzten gemeinsamen Werk „Halleluja“ legt man sich wieder mit Schwurblern, Verschwörungstheoretikern und unbelehrbaren „früher war alles besser“-Nostalgikern an und nimmt sich dabei gewohnt kein Blatt vor dem Mund. Ohne übergezeichnetes Selbstvertrauen geht das natürlich wieder nicht, aber in Songs wie „Vater Mutter Kind“, „Lauf“ oder „Todi“ sitzen die Rhymes punktgenau. Neben den unverbesserlichen Schwerrechten werden auch alte weiße Männer und diverse Rap-Kollegen gedisst. Kann man so lassen, wirklich aus dem Hocker haut einem die „Todesliste“ aber nicht. 6,5/10 Kronen

Bodies Of Water - Is This What It’s Like
Was so alles auf dem US-Indie-Label Secretly Canadian erscheint, kann man sich für gewöhnlich blind in den Warenkorb legen. Dass es aber auch dort nicht immer nur Underground-Meisterwerke zu verzeichnen gibt, zeigt die neue Scheibe des Los-Angeles-Kollektivs Bodies Of Water. Die einstigen Lieblinge der Online-Indie-Bible „Pitchfork“ versuchen auf ihrem ersten Werk nach mehr als drei Jahren zwar wieder in die ausgetretenen Spuren von Arcade Fire zu schreiten, aber irgendwo auf dem Weg haben David und Meredith Metcalf samt Mitstreiter das Mojo verloren. „Is This What It’s Like“ mäandert unentschlossen zwischen Disco-Glanz, Desert-Rock und Bar-Jazz und kann sich nirgends wirklich nachhaltig festkrallen. Was anfangs wie ein Stilmittel wirkt, erweist sich dann doch als „zu viel wollen“. Das ist schade, denn der Korpus der Songs ist stets vielversprechend. Vielleicht braucht es aber auch einfach nur mehrerer Durchläufe. 6,5/10 Kronen

Buried - Oculus Rot
Im Brutal-Death-Metal-Segment waren Pyaemia für ungefähr zehn Jahre eine absolute Kultband. Obwohl es die Holländer nur auf ein Album brachten, wurden die vier harschen Knüppler zu Stammgästen auf einschlägigen Touren und Festivals. Verletzungsbedingt war vor fast 16 Jahren gezwungenermaßen Schluss, aber drei der vier Ex-Mitglieder tummeln sich mittlerweile bei Buried, die mit „Oculus Rot“ nach weiteren Jahren der Untätigkeit ein Szene-Ausrufezeichen setzen. Das brutale Geschnalze geht eindeutig in Richtung Suffocation und Monstrosity, vergisst aber auch nicht darauf, das eine oder andere modernere Stilmittel einzuweben. Für das etwas lahme Artwork und die offen zur Schau gestellte Gleichförmigkeit gibt’s aber Abzüge in der B-Note. 6,5/10 Kronen

Claud - Super Monster
Bei all den Wirren und Verwirrungen bezüglich der Corona-Pandemie und politischer Umbrüche vergessen auch Musiker derzeit gerne, dass das besonders eindringliche Songwriting meist mit persönlichen Befindlichkeiten zusammenhängt. Auf dem Debütalbum von Claud Mintz verschiebt der amerikanische Bedroom-Pop-Produzent und Teenager Herzschmerz, Trauer, Verlustängste und depressive Schübe in ein überraschend positives Soundkorsett, das auf „Super Monster“ zumindest klanglich für mehr Hoffnung als Angst sorgt. Inwieweit diese Probleme und Erfahrungen persönlich oder zusammenhängend sind, lässt sich nicht eruieren. In den Sog der träumerischen Songs kann man sich aber schnell ziehen lassen. 7/10 Kronen

Crawl Below - 9 Mile Square
Die richtige Klientel wird gleich aufhorchen, denn von depressiv angehauchten Ein-Mann-Atmosphärenbands aus den USA können so einige gar nicht genug kriegen. Trauerkloß Charlie Sad Eyes veröffentlicht mit seinem Lebensprojekt Crawl Below nun die dritte Full-Length in ebensovielen Jahren und liefert erwartungsgemäß den richtigen Soundtrack für düstere Tage der Hoffnungslosigkeit. Der Multiinstrumentalist versucht auf „9 Mile Square“ zwar das Black-Metal-Etikett zu verkaufen, davon ist aber eigentlich nichts zu finden. Vielmehr klingt der Sound nach Type O Negative mit der eindringlichen Stimme von Life Of Agony-Fronter Keith Caputo. Goth-Rock mit Doom-Versatzstücken, der überraschend kurz und kompakt aus den Boxen wabert und sich nicht verstecken muss. Auch wenn produktionstechnisch noch viel Luft nach oben bleibt. 6,5/10 Kronen

Cuffed Up - Cuffed Up EP
Eigentlich besteht das kalifornische Kollektiv Cuffed Up aus vier Mitgliedern, aber schon das Cover der selbstbetitelten Debüt-EP macht klar, dass hier die zwei Frontleute klar im Vordergrund stehen. Die stets mit einem Auge in den Punkrock schielenden Indie-Rock-Klänge fürchten sich weder vor New Wave-, noch vor Alternative-Anleihen und leben vor allem vom vordergründigen Charisma und der Stimme Sapphire Jewells. Die vier knackigen Einstandssongs gehen noch nicht einmal über die 15-Minuten-Marke, zeigen aber schon, dass man dort anschließt, wo die viel zu früh verblichenen Sextile aufgehört haben: bei US-Post-Punk mit luzider Atmosphäre. Bitte mehr davon! Ohne Bewertung

Dead Poet Society - -!-
Als ihr „The Exclamation Album“ kann man das Debüt von Dead Poet Society umschreiben. Die Kalifornier folgen dabei den Pfaden erfolgreicher Alt-Rock-Bands mit Punkrockfeeling rund um All Time Low, You Me At Six oder Nothing But Thieves, ohne diese Größen zu offensichtlich zu kopieren. Die durchgehend in lässigem Jugendslang geschrieben Songs wie „.CoDA.“, „.getawayfortheweekend.“ oder „.AmericanBlood.“ werden durch diverse Sprachsamples aufgelockert und erzählen im Grunde eine zusammenhängende Geschichte über Beziehungen, Probleme, das Erwachsenwerden und die nicht immer einfache Gegenwart in den USA. Eine durch und durch landestypische Platte, die aufkommende Reife mit ungestümer Jovialität vermischt und auch nicht auf die sanften Momente vergisst. Das hat Zukunftspotenzial. 7/10 Kronen

Django Django - Glowing In The Dark
In Zeiten wie diesen kann man sich als Band für zwei verschiedene Wege entscheiden. Entweder man erliegt auch im kreativen Sinne der Schwere der Pandemie oder man kämpft aktiv dagegen an. Für Zweiteres entschied sich das britische Art-Rock-Kollektiv Django Django, das noch nie enttäuschte, den großen Durchbruch nach etwas mehr als zehn Jahren aber auch nicht wirklich schaffte. Bei „Glowing In The Dark“ ist der Name Programm. So lebensfroh, bunt und aufmunternd klang die Band noch nie. Da duellieren sich in Songs wie „The Ark“, „Right The Wrongs“ oder „Free From Gravity“ Beatles-Melodien mit Surf-Rock, Fuzz-Anklänge mit Psychedelic-Pop oder Experimentelles mit Eingängigem. David Maclean und Co. haben sich alle Freiheiten gewährt und laufen mit dieser Breitflächigkeit zur Hochform auf - wenn auch ein paar Filler unvermeidlich sind. „Glowing In The Dark“ ist bunt, schrill und vor allem fühlbar. Und solche Alben braucht man gerade jetzt mehr als dringend. 7,5/10 Kronen

Dozer - Vultures
Der gute alte Stoner Rock ist nach einem Überhype in den letzten Jahren ziemlich abgeflacht und in der öffentlichen Wahrnehmung hat sich, wie einst beim Metalcore, längst die Spreu vom Weizen getrennt. Die Schweden von Dozer sind zwar keine besonderen „Big Names“ in der Szene, aber wenn es um das Fahnenhochhalten von Kyuss- oder Karma To Burn-Klängen geht, sind sie vorne dabei. „Vultures“ ist aber kein neues Studioalbum, sondern eine klanglich aufpolierte Kollektion von ca. 15 Jahre alten Demoaufnahmen und einem bislang unveröffentlichten Song, dem Sunride-Cover „Vinegar Fly“. Erstaunlich ist vor allem, wie zeitlos und frisch die einzelnen Songs noch heute erklingen. Stoner Rock unterwirft sich eben keinen Trends - gut so! Ohne Bewertung

Durbin - The Beast Awakens
Der Kalifornier James Durbin brachte vor exakt zehn Jahren den Heavy Metal zur Castingshow „American Idol“ und erreichte dort den respektablen vierten Platz. Es folgte ein Zwei-Jahres-Engagement als Sänger von Quiet Riot, ein paar Auftritte beim Castingfinale mit den Heavy-Metal-Legenden Judas Priest und Zusammenarbeiten mit Kapazundern wie Stevie Wonder, Zakk Wylde oder Sheryl Crow. „The Beast Awakens“ ist nun sein viertes Studioalbum und das erste, das auch weltweit erhältlich ist. Überraschungen bleiben natürlich aus, denn die Songs mäandern zwischen 80er-Jahre-Judas-Priest, Dio, Black Sabbath und klassischen US-Heavy-Bands wie Lizzy Borden oder Jag Panzer. Handwerklich freilich gut gemacht, aber auch nicht sonderlich spannend oder neuartig. Für Fans genannter Legenden ist der Griff zu „The Beast Awakens“ aber ratsam. 6,5/10 Kronen

Emptiness - Vide
Vergleiche anzustellen gehört freilich zu den wichtigsten Marketingaufgaben einer Plattenfirma, aber sowohl Portishead als auch Massive Attack oder die Sisters Of Mercy würden sich garantiert mit einem Schaudern abwenden, würden sie mit Emptiness in einen Topf geworfen. Wie die Belgier seit mittlerweile sechs Alben über Wasser schwimmen können, bleibt auch beim „Genuss“ von „Vide“ mehr als rätselhaft. Trance-artige, paralysierende Klänge, monotone Elektronik und eine meist zart gehauchte Stimme klingen nur auf dem Papier nach spannendem Shoegaze oder luzider Klangkatharsis. In der Realität langweilt die Platte spätestens ab dem zweiten Song mit enervierender Redundanz und durchgehender Zähflüssigkeit. Die ursprünglich aus dem Extreme Metal stammenden Westeuropäer hätten wohl bei ihren Leisten bleiben soll. Das ist eher nichts. 3/10 Kronen

Evil - Possessed By Evil
Hach, da springt das Herz des geübten Nostalgikers. Schon allein Bandname und Albumtitel der Japaner verraten, dass man einen feuchten Furz auf Innovation gibt, sondern lieber altbekannte Formeln in die Gegenwart transferiert. Und fürwahr - alles, was zwischen Motörhead, Venom, Bulldozer oder Nifelheim rattert, sich im Fahrwasser von kompromisslosem Rock’n’Roll, schäbigem Black/Thrash und wildem Rumpelpoltern befindet, wird hier in einer guten halben Stunde bis zum Exzess exerziert. Evil rattern dermaßen unbeeindruckt von modernen Strömungen im Extreme Metal durch die Botanik, dass nur die Produktion darauf hindeutet, dass wir uns nicht im Jahr 1987 befinden. Das muss man mögen, wenn dem aber so ist, dann wird man hier glückselig. 7,5/10 Kronen

Florida Georgia Line - Life Rolls On
Tyler Hubbard und Brian Kelley hatten es auch scho einmal leichter. Nach einer 6-Track-EP letzten Mai verdichteten sich die Trennungsgerüchte des erfolgreichen Country-Duos aus dem Zwei-Staaten-Eck, dann hat sich Hubbard im Jänner auch noch Corona eingefangen, das Virus aber den Umständen entsprechend gut überstanden. Ein deutliches Ausrufezeichen gegen alle Gerüchte setzt das 16 Songs starke „Life Rolls On“, eine Stetson-tragende Ode an die Liebe, die Freundschaft und das Leben, die sich mit Leidenschaft und Präzision im uramerikanischen Gitarrensound suhlt und den Fans genau das liefert, was auch erwartet wird. Das ist freilich nichts Negatives, nur an der Quantität hätten die Burschen auch sparen können. Songs wie „Long Live“, „Life Looks Good“ oder „New Truck“ wissen durchaus zu überzeugen. Dass Pathos á la „I Love My Country“ bei den Kumpel nicht fehlen darf - geschenkt. „Life Rolls On“ - wohl das beste und prägnanteste Motto zur Gegenwart. 6,5/10 Kronen

God Is An Astronaut - Ghost Tapes #10
Instrumentalmusik kann gewaltig in die Hose gehen - oder auch nicht, wenn man God Is An Astronaut heißt. Die Iren brillieren seit mittlerweile fast 20 Jahren in der Post-Rock-Szene, die sie einst mit ihren hypnotischen und repetitiven Songs mitbegründet haben und konnten sich, mit seltenen Qualitätsschwankern, für gewöhnlich souverän am Thron behaupten. „Ghost Tapes #10“ ist im Gegensatz zum direkten Vorgänger „Epitaph“ deutlich positiver und rockiger ausgefallen, was wohl auch an der wiedererstarkten Besetzung liegt, die sich die beiden Kinsella-Brüder Torsten und Niels installiert haben. Von den Black-Metal-Anleihen der Vergangenheit hat man sich fast ganz emanzipiert, stattdessen schwelgt man lieber in kathartischen Soundozeanen. Die deutlich vorwärts gerichtete Kompositionskunst tut der Band jedenfalls sehr gut. 7,5/10 Kronen

Joel Hoekstra’s 13 - Running Games
Whitesnake- und Trans-Siberian Orchestra-Gitarrist Joel Hoekstra hat derzeit natürlich auch mehr Zeit denn je und diese genutzt, um sein zweites Soloalbum einzuspielen. „Running Games“ dreht sich konzeptionell um die Themenbereiche Verlust und Eskapismus und werden trotz der gebotenen Ernsthaftigkeit gewohnt spielerisch und freudig widergegeben. Hoekstras Gitarrenarbeit ist einmal mehr herausragend und mit Symphony-X-Sänger Russell Allen hat er auch eine der allerbesten Stimmen der Hard-Rock-Gegenwart an Bord. Ansonsten tummeln sich Big Names wie Tony Franklin, Derek Sherinian, Vinny Appice und Jeff Scott Soto auf einem Werk, das quasi durchgehend Melodic-/AOR-Rock-Hits aufweist und jeden Hoekstra- und Hard-Rock-Fans zu begeistern weiß. Auch wenn zwei, drei Songs weniger auch keinem wehgetan hätten. 7,5/10 Kronen

Inglorious - We Will Ride
Gleich an drei Positionen haben Sänger Nathan James und Drummer Phil Beaver die Schrauben gedreht und den Lockdown 2020 somit nicht nur zum Musizieren, sondern auch zur Generalüberholung genutzt. Das bekommt Inglorious weniger schlecht als zu befürchten war, denn die Qualität bleibt auch auf Rundling Nummer vier gewohnt hoch. Eingespielt und strengsten Hygiene- und Abstandsmaßnahmen in Cardiff erklingt „We Will Ride“ einmal mehr wie ein frisches und gleichermaßen zeitgemäßes Classic-Rock-Werk, das den etwas handzahmen letzten Alben von Alter Bridge durchaus die Schneid abkaufen kann. Songs wie „Messiah“ oder „He Will Provide“ beweisen, dass man sich noch mehr aus dem übermächtigen Schatten von Deep Purple bewegt hat, was den Briten guttut. „We Will Ride“ ist ein weiterer Volltreffer einer viel zu wenig beachteten, jungen Rockband. 7,5/10 Kronen

Kjeld - Ôfstân
Man kann dem Black Metal per se völlig zurecht viel Negatives nachsagen, aber wenn es darum geht, Altherkömmliches oder Mythisches in die Gegenwart zu transferieren, ist dieses Genre noch immer federführend. Etwa in Form der Niederländer von Kjelt, die sich in ihrer Musik nicht nur inhaltlich um Sagen, Mythen und Geschichten ihrer Heimat Friesland kümmern, sondern auch die friesische Lokalsprache verwenden, die am ehesten dem Englischen nahekommt. Die Songs auf „Ôfstân“ (zu Deutsch: Abstand) entstanden zwischen 2017 und 2019, sind druckvoll produziert und holzen meist in Hochgeschwindigkeitstempo voran, ohne aber die Atmosphäre in Form einer leidenden Leadgitarre zu vernachlässigen. Im Titeltrack kommt man gar der klanglichen Wucht von Mgla nahe. Diese Truppe sollte man in Augenschein behalten - großartiges Werk! 8/10 Kronen

Kreek - Kreek
Das auf dem Cover-Artwork abgebildete Tor zur Himmelspforte erscheint doch gar etwas theatralisch, aber die Beweggründe dahinter sollen wohl anderes aussagen. Etwa, dass das Debütalbum von Kreek himmlischen Hard Rock vermitteln soll. Nun ja, das wäre wohl doch übertrieben, aber die neue Spielwiese von ex-Bigfoot-Frontmann Antony Ellis hat schon seinen lichten Momente. Vor allem in Songs wie „Missiles“ oder dem Gotteskracher „Meet Your Maker“, die Härte und Geschwindigkeit nach oben schrauben und richtiggehend dreckig aus dem Äther bretzeln. Wie so oft bei solch ambitionierten Hard-Rock-Projekten geht der Drive zur Albummitte aber verloren und der Rest des Materials ist eher Füllmaterial. Da ist für die Zukunft aber dennoch einiges drin. 6,5/10 Kronen

Christian Leave - Heavy Hitting Hurts My Head EP
Ein klein wenig muss man an Kanadas Pop-Enfant-Terrible Justin Bieber denken, wenn man sich Christian Leaves Fotos im Netz anschaut, doch weit gefehlt - der erst 20-Jährige aus Oklahoma beschreitet seine aufstrebenden Karrierewege wesentlich ruhiger und musikalisch völlig anders geartet. Auf seiner superben 5-Track-EP „Heavy Hitting Hurts My Head“ reflektiert er seinen Ongoing-Reifeprozess vom Teenager zum Jungerwachsenen und lässt seine zahlreicher werdenden Fans in seine Gefühlswelten eintauchen. Neben der melancholischen Halbballade „Hard Wad Body“ changiert der Youngster geschickt zwischen Indie-Rock, Conan Gray, John Mayer und den Imagine Dragons in subtilerem Sinne. Vormerken - von ihm werden wir noch viel hören! Ohne Bewertung

Love And Death - Perfectly Preserved
Wer die Biografie und den Werdegang des Korn-Gitarrist Brian „Head“ Welch verfolgt hat weiß - Jesus und die christliche Religion nehmen mehr als nur einen großen Stellenwert in seinem Dasein und Wirken ein. Sein Nebenprojekt Love And Death hat er - wohl auch wegen permanente Korn-Liveaktivitäten - gut acht Jahre ruhen lassen, aber das nun veröffentlichte Zweitwerk „Perfectly Preserved“ schließt nahtlos ans Debüt an. Statt Jesus-Huldigung geht es inhaltlich doch meist um persönliche Indifferenzen, Depressionen und alltägliche Probleme, die Head schon seit jeher begleiten. Breaking Benjamin-Gitarrist Jasen Rauch besorgt die fetten Riffs, die in Songs wie „Tragedy“, „Down“ oder „Affliction“ weder weit von Korn, noch vom Millenniums-Nu-Metal weggehen. Das Justin Bieber-Cover „Let Me Love You“ ist dann doch sehr eigenwillig. Love And Death haben die Zeit knapp 20 Jahre angehalten. Das gefällt vor allem Nostalgikern. 6,5/10 Kronen

Nathr - Beinahrúga EP
Der modernen Technik sei Dank, kann sich in Zeiten einer Pandemie auch eine Band mit Mitgliedern aus Italien, Norwegen und den Niederlanden formen und musizieren. Daraus entstand das Underground-„All-Star“-Projekt Nathr, das auf seiner Debüt-EP „Beinahrúga“ dem konservativen Black Metal der Protagonisten abschwört und vielmehr auf stampfenden Funeral Doom mit Ambient-Klängen und klirrend kalter Atmosphäre setzt. Klangende Vocals, tief geschraubte Gitarren und eine durchgehend triste Stimmung vernebeln die letzten Hoffnungsschimmer, was den drei Mitgliedern offensichtlich durchaus genehm ist. 24 Minuten ohne Trost, Licht und Aussicht auf ein schönes Leben. Diese EP sollte man sich nur in der richtigen Stimmung zu Gemüte führen. Ohne Bewertung

The Nova Hawks - Redemption
Rockduos sind nicht erst seit den White Stripes wieder salonfähig. Doch im Mann/Frau-Segment gibt es zugegeben auch Spannenderes zu bestaunen als die britischen Nova Hawks, bestehend aus Heather Leoni und Rex Whitehall. „Redemption“ hat man fast rundum im Alleingang erledigt und im Direktvergleich mit ähnlich gearteten Bands wie etwa den Kills gehen die Nova Hawks wesentlich melodischer und souliger ans Werk. Dadurch vermischen sich sonniges Kalifornien-Feeling mit der Arbeiterklasse von New York und hemdsärmeliger Hafenarbeit á la Großbritannien zu einem Gebräu, das aber auf Langstrecke an Spannung verliert. Mit „Voodoo“ oder „Dusty Hearts“ gibt’s starke Ohrwürmer, zu den Großen dieses Genres fehlt es den Nova Hawks aber noch an Stringenz. Weitermachen! 6,5/10 Kronen

Ordo Cultum Serpentis - Derej Najash EP
Zweimal jeweils 13 Minuten schwer okkultes Gebolze, das sich neben seinem orthodoxen Erscheinungsbild mit großer Liebe in zähflüssigem Doom wohlfühlt - das ist in der Kurzzusammenfassung das Tun des südkoreanisch/mexikanischen Duos Ordo Cultum Serpentis, das, wie so viele ähnlich geartete Vertreter ihrer Zunft, doch mehr Wert auf Geheimniskrämerei und Mummenschanz denn auf die Kompositionen selbst legt. Auf „Derej Najash“ gibt es Rituale mit schlangengiftversetzten Oblaten und einem Kelch, der direkt das Blut Christi beherbergt. Death-, Black- und Doom-Metal halten sich prinzipiell die Waage, live wird man dieses Schauspiel wohl am besten bei kompletter Dunkelheit genießen werden. Die Zielgruppe weiß Bescheid. Ohne Bewertung

Pale Waves - Who Am I?
Im Fahrwasser der gehypten The 1975 kamen vor drei Jahren auch die Pale Waves aus Manchester an die Pop-Oberfläche. „My Mind Makes Noises“ sorgte in UK für Aufregung und Charthöhen, hierzulande begeisterte die Band bei einem intimen Konzert im Wiener Chelsea. Heather Baron-Gracie und ihre immer mehr in den Hintergrund gedrängte Band ruht sich aber nicht auf den 80s-Pop-Lorbeeren aus, sondern schlägt auf dem Nachfolger „Who Am I?“ eine andere Richtung ein. Schon der Opener „Change“ klingt wie eine Blaupause von Avril Lavigne, auch „Easy“ oder „You Don’t Own Me“ befinden sich im Fahrwasser der 2000er-Teenie-Film-Hits. Das hat natürlich unverändert hohe Ohrwurmqualitäten, aber etwas mehr Spannung und Kanten hätten gutgetan. Baron-Gracie wäre gerne eine „Gothic Taylor Swift“, wie sie selbst sagt. Der Weg ist richtig, aber da geht noch mehr. 7/10 Kronen

Pestis Cultus - Pestis Cultus
Und noch einmal Kult, dieses Mal aber ganz und gar unorthodox. Hinter Pestis Cultus stecken drei australische Kumpel, die sich schon in diversen anderen Projekten (u.a. Snorri) ausgetobt haben und bei Underground-Feinschmeckern längst Kultstatus genießen. Das Debüt ihres brandneuen Projekts hält nichts von Geisteratmosphäre oder sakralem Satansgebete, sondern wühlt sich in besonders roher und ursprünglicher Manier durch ranzige Sümpfe des Verderbens. Abartige Keif-Vocals, redundante, eiskalte Riffs und ein meist simples, aber immens druckvolles Drumming sorgen für die nötige „Norwegen anno 1992“-Atmosphäre, die hier immer wieder durchscheint. Wunderschön übrigens auch die Selbstbezeichnung: „Putrid-satanic-necro-terrorizing-black-death-metal“. Man muss sie doch einfach liebhaben. 7/10 Kronen

The Pretty Reckless - Death By Rock’n’Roll
Taylor Momsen gelang freilich ein super Promoschlag, als sie justament wenige Tage vor Veröffentlichung des neuen Pretty-Reckless-Albums „Death By Rock’n’Roll“ von ihrer brutalen psychischen Abwärtsspirale erzählte. Das Album braucht diese Promo dringend, so wie wohl auch die nackt räkelnde Sängerin am Cover, denn musikalisch ist der Rock‘n‘Roll nicht unbedingt lebendig. Vor allem die erste Albumhälfte, für gewöhnlich bewusst mit Hits und Highlights gespickt, ergeht sich in Klischees und matten Ideen. Mit Fortdauer des Albums glänzt Momsen zwar mit hervorragender Stimme, aber wenn die flotten Rockideen sich endgültig dem Ende zuneigen, wirft die Künstlerin den Blues- und Country-Wurlitzer an. Das ist zwar gut gemeint, aber leider etwas medioker ausgeführt. Dass Freunde wie RATM-Gitarrist Tom Morello oder das kultige Soundgarden-Duo Kim Thayil und Matt Cameron zu hören sind, ist nett, holt die Kohlen aber auch nicht aus dem Feuer. Dass Momsen ihre Seele nach außen kehrt und diesen Sound wirklich liebt und lebt, das verdient Respekt. Aber nach viereinhalb Jahren Wartezeit hätte man etwas mehr erwarten dürfen. 6/10 Kronen

Riverside - Out Of Myself
Dass man in einem doch schon sehr ausgetretenen Genre wie dem Prog-Rock als neugegründete Band nach dem Millennium noch einmal wirklich frischen Wind in die Szene bringen könnte, hielt man lange nicht für möglich. Die noch heute aktiven Polen von Riverside gehören aber längst zu den Genre-Aushängeschildern und ihr 2003 entstandenes und nun neu aufgelegtes Debüt „Out Of Myself“ hat auch knapp 20 Jahre später nichts von seiner zwingenden Stringenz eingebüßt. Riverside hatten schon damals das untrügliche Talent, ihre Kompositionen nicht unnötig zu verkomplizieren und Melodie und Hook-Gewalt stets in den Vordergrund zu stellen. Natürlich ist es Geschmackssache, aber so gut und zugänglich wie auf „Out Of Myself“ waren sie nie wieder. Auch wenn das neue Mastering von Dan Swanö irgendwie sinnlos erscheint - großartiges Werk! Ohne Bewertung

Luna Shadows - Digital Pacific
Als Popstar Dua Lipa vor gut drei Jahren Luna Shadows Version ihres Songs „Be The One“ hörte, war sie begeistert - und ein neues Pop-Sternchen war geboren. Die Kalifornierin beweist auf dem wundervoll „Digital Pacific“ betitelten Werk, dass die vor allem in den USA breit gestreuten Vorschusslorbeeren mehr als gerechtfertigt sind. Das Debütalbum strotzt nur so vor guten Popideen, die mal gen Mainstream und dann wieder in die Indie-Bereich schielen. In dunkleren Momenten ist Luna Lana Del Rey und Angel Olsen unerwartet nahe, wenn der Sound in anderen Momenten breiter ertönt, sind auch die großen Namen des weiblichen Bubblegum-Pop als Referenz heranzuziehen. „Digital Pacific“ ist spannend, frisch und allumfassend - ein kleines Juwel. 7,5/10 Kronen

Shape Of Water - Lockdown On Mars EP
Dystopische Texte, atmosphärisch aufgeladene Klangwelten und dazu eine untrügliche Aktualität im modernen Electro-Art-Rock-Sound: das in Manchester ansässige Italo-Duo Shape Of Water hat letztes Jahr mit dem Debütalbum „Great Illusions“ für Fans von 30 Seconds Of Mars und Co. für erstmalige Aufregung gesorgt. Da ein Albumnachfolger ohne dazugehörige Tour Perlen vor die Säue bedeuten würde, hat man für den Beginn von 2021 einfach ein paar Songs akustisch oder neu aufgenommen, teilweise umgedichtet und noch das eher gewöhnliche Nine Inch Nails-Cover von „Hurt“ draufgepackt. Die EP „Lockdown On Mars“ dient wohl vorwiegend dazu, im Gespräch zu bleiben. Aber wer kann es ihnen verübeln? Good Luck weiterhin. Ohne Bewertung

Simulacrum - Genesis
Progressive Metal made in Finnland kommt uns in Form des Konzeptwerks Simulacrum entgegen und für Fans dieser technischen versierten Spielart sei gleich zu Beginn angemerkt, hier wird meist in Eunuchen-Hoch gesungen. Wer sich daran nicht stört, der wird mit „Genesis“ aber sicher Freude haben, denn von der glasklaren Produktion über fein herausgearbeitete Instrumente bis hin zu kompaktem Songwriting ist alles da, was man sich so aus diesen Gefilden erhofft und erwartet. Das kundige Septett mäandert zwischen herkömmlichen und traditionellen Instrumenten, will manchmal aber zu viel in einen Song packen und verliert dabei oft die Spur und Nachvollziehbarkeit. Im Prog-Metal-Sektor gibt’s auch Besseres als Simulacrum, so ehrlich muss man sein. 5,5/10 Kronen

Sirenia - Riddles, Ruins & Revelations
Wenn einem die musikalischen Ideen und das Kompositionsgeschick zusehends ausgehen, dann muss man eben mit Alliterationen spielen. So machen es die Norweger Sirenia auf „Riddles, Ruins & Revelations“ bereits zum dritten Mal und liefern ansonsten die altbekannte Genrekost aus feengleichem Trällergesang, überproduziertem Symphonic-Bombastmetal und märchenhafter Sagenkunde, die bei der Harry-Potter- und Dunkelwald-Rollenspiel-Klientel auch nach dem x-ten Aufstoßen wie Watte durch die Gehörgänge gleitet. Nirgendwo hat ein Terminus wie „solide“ so gut gepasst wie auf dieses mittlerweile zehnte Werk rund um die Truppe von Komponist Morten Veland. Mehr Durchschnittlichkeit geht einfach nicht. 5/10 Kronen

Solar Fake - Enjoy Dystopia
Was soll man auch anderes machen, als die Dystopie zu genießen? Das ist derzeit zumindest das geringste Übel für jeden persönlich, wenn man es ganz profan und streng sagen will. Die deutsche Synthiepop-/Gothic-Combo Solar Fake hat diese Art von „Zwangsfreude“ in ein neues Album gegossen und schert dabei noch nicht einmal millimeterbreit aus ihrem bisherigen Korsett aus. Das ist natürlich legitim, wenn man sich damit eine treue Fanklientel aufgebaut hat und diese zuverlässig bedienen möchte. Wie so oft steigt der Fremdschämfaktor leider immer dann, wenn man die industriellen Songs auf Deutsch („Es geht dich nichts an“). Ansonsten eine solide, aber auch nicht wirklich hervorstechende Platte für Genre-Aficionados. 6/10 Kronen

The Soviet Machines - The Soviet Machines
Elf Jahre lang hatten sich die beiden einstigen Freunde Jack Swagger und Marcus Jones eher wenig zu sagen, doch kurz vor der eintretenden Quarantäne fanden die beiden US-Punkrocker wieder zusammen, rekrutierten Bassist Rich Salsbury und holten sich Nirvana- und Soundgarden-Produzenten Jack Endino ins Comeback-Boot, um an einem neuen Album zu feilen. Sieben Songs auf gut 21 Minuten sind eigentlich nicht viel mehr als eine EP, aber angesichts der flotten und stets an die Misfits oder Replacements angelehnten Songs kann man schon froh sein, überhaupt wieder Material hören zu können. Die Jugendlichkeit und Edgyness haben sich die Jungs über all die Jahre bewahrt und mit „Get Your Kicks“ und „Two Shots (To The Back Of The Head)“ sind auch zwei echte Schimmer vorhanden. Als reine 90s-Nostalgie gibt’s ansonsten aber auch feurigere Musik zu bestaunen. 6/10 Kronen

Sports - Get A Good Look Pt. 1 EP
Bei manchen Bands passt einfach das Gesamtpaket. Oder man merkt schnell, dass sich hier eines perfekt zum anderen fügt. Sports sind ein Zwei-Mann-Duo aus Oklahoma, dessen Sound tatsächlich an schlohweiße 70er-Jahre-Tenniskleidung und viel Stil bei der Aftershowparty erinnert. Leichtfüßig, träumerisch, aber auch futuristisch und ins Morgen gerichtet hauchen uns die Dream-Popper Cale Chronister und Christian Theriot Hymnen wie „The Look“ oder „Never Know“ vor die Füße, die dermaßen sexy und funky sind, dass man sich geistig in der nächsten Rollschuhdisko wähnt. Funk, Disco, Indie-Pop und Psychedelic ergänzen sich hier so gut wie kaum wo und das Tanzbein schwingt, ob es will oder nicht. Play that funky sexy music! Zum Glück gibt es bald einen zweiten Teil dieser EP. Ohne Bewertung

Steiner und Madlaina - Wünsch mir Glück
Der Hype um das Schweizer Duo Steiner und Madleina zieht sich in Indiekreisen schon seit längerer Zeit kongruent durch. Auf „Wünsch mir Glück“ mussten die Fans nun aufgrund von Presswerksproblemen auch noch zwei Wochen länger warten als geplant, aber Vorfreude ist bekanntlich die schönste Freude. Nora Steiner und Madlaina Pollina konzentrieren sich am Zweitwerk nur mehr auf die deutsche Sprache und reiht Gesellschaftskritik („Es geht mir gut“, „Heile Welt“), geschlechtliche Schieflagen („Wünsch mir Glück“, „Wenn ich ein Junge wäre“) und ein überraschendes und wohl sarkastisches Happy End („Casanova“) mühelos aneinander und changiert dabei zwischen Indie-Pop, progressiven Schlager und NDW. Kantige, aber prägnante Texte, selbstbewusstes Auftreten, spannende musikalische Umsetzung - das Duo (Madlaina ist übrigens die Schwester von Faber) weiß genau, was es macht. Und es macht alles sehr gut. 8/10 Kronen

Teenage Wrist - Earth Is A Black Hole
Los Angeles, Epizentrum der Rockmusik, bringt auch in der Gegenwart noch immer Hoffnungen auf eine fruchtbare Gitarrenzukunft hervor. Teenage Wrist sind schon vor drei Jahren mit dem kongenial betitelten „Chrome Neon Jesus“ auf der Bildfläche aufgetaucht, am Nachfolger „Earth Is A Black Hole“ lassen sie am Cover Kinder fröhlich vor dem Untergang im Kreis tanzen. Dem Untergang war auch die junge Band nahe, denn vor zwei Jahre ging der Sänger flöten, weshalb Gitarrist Marshall Gallagher nun auch diesen Job übernahm. Was für viele Bands zu einem Husarenritt verkommen kann, gelingt hier ganz adäquat. Die Mischung aus Punkrock, Alternative-Rock, leichten Papa-Roach-Zitaten und einer Shoegaze-Melancholie haben sich die überraschend reifen Burschen behalten, Songs wie „Yellowbelly“ oder „Wasting Time“ sind manchmal aber doch zu weich geraten. Doch wie schon unser Kanzler zu sagen pflegt: die Richtung stimmt. 7/10 Kronen

Robin Thicke - On Earth, And In Heaven
Jahrelang schwebte R&B-Star Robin Thicke auf einer Erfolgswelle - gekrönt vom Erfolgshit “Blurred Lines“ mit Pharrell Williams. Dass man nun seit fast sieben Jahren kaum mehr etwas von ihm gehört hat, hatte seine Gründe. Es folge einer tödlicher Kreislauf aus Plagiatsvorwürfen, seinem verstorbenen Vater, eine in die Brüche gegangene Ehe samt Missbrauchsvorwürfen, Suff und Drogenmissbrauch - die volle Palette. Kurz vor seinem 44. Geburtstag versucht der weithin geschaßte Künstler nun mit „On Earth, And In Heaven“ einen späten Turnaround, der wohl auch sein letzter Karriereanker ist. Die Rückbesinnung findet auch musikalisch statt. Anstatt auf die Hitparaden zu schielen geht er back to the roots und feiert in Songs wie „Lucky Star“, „The Things You Do To Me“ oder „Look Easy“ leichtfüßigen Soul mit viel R&B und partiellen Bossa-Nova-Anleihen. Sicherlich kein Meisterwerk, aber eine respektable und in dieser Form nicht mehr erwartete Rückkehr. Und jetzt bitte stabil bleiben! 7/10 Kronen

Tragedy In Hope - Sleep Paralysis
Ach du meine Güte - sind wir in einer Zeitschleife gefangen? Solche oder ähnliche Gedanken tauchen unweigerlich auf, wenn man sich Tragedy In Hopes Debütalbum „Sleep Paralysis“ zu Gemüte führt. Das Projekt aus dem russischen St. Petersburg ist ein Alleingang eines gewissen Sasha Giller, der nicht nur alle Instrumente spielt, sondern auch das Gekeife übernimmt. Wer nach den ersten Songs unweigerlich an Cradle Of Filth denkt, hat Recht - teilweise sind die Kompositionen deckungsgleich mit der einst so populären 90s-Symphonic-Black-Metal-Legende, nur dass dem Russen Eigenständigkeit und Innovationskraft fehlen. Wenn man die Songs dann auch noch „Winter Wedding Ceremony“ oder „The Mistress Of Dark Art“ nennt… naja. Eh okay. 5,5/10 Kronen

Vestindien - Null
Vestindien war der Sage nach das letzte Bordell im norwegischen Bergen und zudem Namensgeber für eine lokale Hardcore-Band. Die strich 2012 nach nur einer EP aber wieder die Segel, umso überraschender nun die Rückkehr ins Rampenlicht. Doch von Hardcore und dicker Attitüde keine Spur mehr - auf dem offiziellen Debütalbum „Null“ erklingt eine ganz andere Welt. Nach einem atmosphärischen Intro mit Marilyn-Manson-Geisterstimmung schlägt der Sound schnell Haken Richtung alte Bathory, Nifelheim oder Darkthrone. Damit erklärt sich auch, warum Vestinien in der Prä-Pandemiewelt schon einmal den örtlichen Black-Metal-König Hoest und Taake supporteten. „Null“ ist ein feines, aber auch etwas wunderliches Teil einer historisch schwer fassbaren Band. Interessantes Underground-Projekt, dessen nächste Schritte spannend zu verfolgen sein werden. 7/10 Kronen

The White Stripes - Greatest Hits
Das good old Jack White tatsächlich einmal ein offizielles „Greatest Hits“-Album seiner unsterblichen White Stripes veröffentlichen würde, hätte sich wohl niemand gedacht. Am Wenigsten White selbst, der die Veröffentlichung des 26 Songs starken Posthum-Karrierekapitels aber als bewussten Gegenpol gegen die Streaming-Ära sieht. Derart altertümliche Gedanken sind zwar lieb, aber wohl kaum lohnenswert. Dennoch kann man sich die Garage-Rock-Kultband mit dem markanten Schmäh nicht oft genug durch die Gehörgänge rutschen lassen. Von „The Hardest Button To Button“ über „Let’s Shake Hands“, von „Hello Operator“ über „Hotel Yorba“, von „Icky Thump“ bis zum Stadionsmasher „Seven Nation Army“ - es ist alles da und es ist alles immer noch unverändert gut. Braucht man zwar nicht, aber ruft einen diesen berechtigten Kult in Erinnerung. Ohne Bewertung

Virginia Wing - Private Life
Es ist eine Schande, dass das Elektropop-Duo Virginia Wing aus dem fruchtbaren Manchester hierzulande ein nahezu unscheinbares Nischendasein fristet. Die fein ziselierten, mal gen Ambient und mal gen Experimental-Pop schielenden Songs sind nicht immer leichtfüßig, aber bei genauerem Hinhören mehr als lohnend. Auf dem Viertwerk „Private Life“ glänzt neben der feenhaften Stimme von Alice Merida Richard vor allem die zeitgemäße Vertonung, die die Depression von 2020 mit der beständigen Unsicherheit von 2021 verbindet. Futuristische Synthies treffen auf bodenständige Soundlandschaften und verzaubern in sperriger Art und Weise. „Private Life“ klingt stellenweise ein bisschen allzu durchdacht und verquer, aber wer modernen Pop mit Anspruch und Innovationskraft schätzt, wird hier mit Sicherheit glücklich werden. 7,5/10 Kronen

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