Jüngster Bürgermeister

„Der Daumen zeigt immer nach oben“

Vorarlberg
08.02.2021 06:30

Simon Tschann (28) ist der jüngste Bürgermeister im Ländle. Seit drei Monaten ist der Bludenzer im Amt – und beschäftigt sich seither nahezu ausschließlich mit einem Thema.

Herr Tschann, Sie sind der jüngste Bürgermeister Vorarlbergs. Spielt das Alter eine Rolle?

Es macht mich schon ein wenig stolz, der Jüngste in Vorarlberg und österreichweit der Jüngste bei den Städten zu sein. Es zeigt, dass die junge Generation nicht außer Acht zu lassen ist. Das Alter hat nichts damit zu tun, was jemand kann, ob er mit Leidenschaft bei der Sache ist. Mit 28 Jahren stehe ich in der Blüte meines Lebens und bin voller Energie.

Wenn Sie mal auf die 50 zugehen…

(lacht) Jedenfalls bin ich jung und unverbraucht, auch politisch, und versuche, einen neuen, wertschätzenden Stil in die Politik zu bringen. Manchmal denke ich mir, es wäre gut, schon einmal eine Krisensituation als Bürgermeister erlebt zu haben. Aber alles, was im Zusammenhang mit der Pandemie steht – Testungen, Impfungen – da hat niemand Erfahrung, aber ich bin überzeugt, dass wir diese Zeit gemeinsam auch meistern können.

Christian Gantner war 2005 der jüngste Bürgermeister Österreichs.

Ich kenne Christian sehr gut und wir tauschen uns regelmäßig zu verschiedensten aktuellen Themen aus. Er hat mich immer motiviert und angeboten, dass ich ihn kontaktieren kann, weil er viele Probleme aus eigener Erfahrung kennt. Für ihn war es – gerade zu Beginn seiner Amtszeit – nicht einfach in seiner Heimatgemeinde. Er hat alles gut in den Griff bekommen, und jetzt ist er Landesrat.

Das wäre die Frage: Wie hoch wollen Sie hinaus?

Ich hätte nie gedacht, dass ich einen politischen Weg einschlage. Ich habe in Innsbruck Betriebswirtschaft studiert, bin leidenschaftlicher Touristiker und Gastgeber. Vor zwei Jahren haben mich Altbürgermeister Mandi Katzenmayer und der Stadtparteiobmann Peter Ritter in der Traube in Braz besucht und gefragt, ob ich mir vorstellen könnte, Bürgermeister zu werden. Ich habe mir das Angebot knapp zwei Monate überlegt, mit meiner Familie, meinen Freunden und mit politischen Akteuren gesprochen – und jetzt sitzen wir hier.

Was hat für den neuen Job gesprochen?

Es war eine Herausforderung, die ich auf meine Art und Weise, mit meinem Stil angehen konnte. Ich habe einen Fünf-Punkte-Plan definiert, ein Team aufgestellt. Am Ende haben wir zwei Mandate hinzugewonnen, und ich bin jüngster Bürgermeister Vorarlbergs. Aber ich hatte meine politische Karriere nie geplant und bin im Moment mit der Herausforderung und Verantwortung gut eingedeckt. Wir befinden uns in der größten Krise seit dem Zweiten Weltkrieg, und die Konzentration liegt zu 100 Prozent auf meiner Heimatstadt.

Familiäre Verpflichtungen im Gastronomiebetrieb haben Sie nicht?

Ich komme eigentlich aus einer Handwerksfamilie. Bis auf meine Schwester, sie ist Kindergarten-Pädagogin, und mich sind alle Handwerker. Ich habe immer schon einen besonderen Weg eingeschlagen und gerade das Arbeiten mit Menschen im Tourismus habe ich immer mit Leidenschaft gemacht. Nach dem Studium habe ich in der Traube Braz bei Christoph Lorünser begonnen und war dort die rechte Hand der Geschäftsführung. Das war schon eine enorm spannende Zeit und ich durfte viel für meinen jetzigen Job lernen.

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Und am Ende des Tages geht es immer um unsere Stadt, egal, von welcher Fraktion ein guter Vorschlag kommt.

Bürgermeister Simon Tschann

Warum haben Sie sich für die ÖVP entschieden?

Ich habe die Kurz-Bewegung aus der Ferne mitverfolgt, war damals aber noch nicht Mitglied der Volkspartei. Als gelernter Betriebswirt sind mir die Wirtschaftsthemen wichtig, ebenso die christlich-sozialen Aspekte. Es gab die Überlegung, eine komplett neue Bewegung zu starten, aber das wollte ich nicht, da ich eigentlich für die Bludenzer Volkspartei stehe. Und am Ende des Tages geht es immer um unsere Stadt, egal, von welcher Fraktion ein guter Vorschlag kommt.

Wie christlich-sozial ist denn eine ÖVP, die Kinder abschiebt, keine Flüchtlinge aufnimmt?

Ich betrachte das immer aus der Bludenzer Sicht. Wir haben seit 2015 viele Flüchtlinge aufgenommen und helfen, wo wir können. Wenn das erneut von uns gefordert wird, werden wir das auf alle Fälle tun.

Haben Sie ein politisches Vorbild?

Sebastian Kurz hat in seinen jungen Jahren schon sehr viel erreicht und weitergebracht. Das war und ist für mich natürlich sehr motivierend. Eine lehrreiche Zeit im Bregenzerwald bei Familie Metzler und im speziellen beim Wirtschaftskammerpräsidenten Hans Peter Metzler hat mich zu dem gemacht, was ich heute bin.

Welcher Gegenstand ist als erstes ins Büro eingezogen?

Ein großer Daumen aus Holz. Ich hatte ja im Wahlkampf nach alternativen Werbemöglichkeiten gesucht. Im Brunnenfeld standen zwei Figuren aus Heuballen, bekleidet mit Getzner-Abfallstoffen und mit zwei hochgehobenen Daunen, die zwei Kollegen aus Bings und Braz angefertigt haben. In der Mitte war der Schriftzug „Simon Tschann Bürgermeister für Bludenz“. zu lesen. Neben einem Foto von mir und meiner Freundin ist das der einzige private Gegenstand. Und der Daumen zeigt immer nach oben, etwas anderes gibt es in meinem Büro nicht.

Wie waren die ersten drei Monate im Amt?

Es waren spannende Tage. Ich habe keine Abendveranstaltungen, verbringe viel Zeit im Rathaus und beschäftige mich Tag für Tag mit Corona. Das ist nicht mit viel Spaß und Freude verbunden, aber ich bin eigentlich sehr stolz auf die ersten hundert Tage – insbesondere auf meine Mitarbeiter und mein ganzes Team, das mich Tag für Tag unterstützt. Zudem wurde gerade erst das Budget einstimmig beschlossen.

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Für mich als junger Mensch ist die Umwelt ein großes Thema.

Bürgermeister Simon Tschann

Welche sind denn die Ziele, die Sie erreichen wollen?

Die vier großen Themen sind Bildung, Digitalisierung, Umwelt und Sport. Mit über 18 Millionen Euro ist der Anbau der Volksschule Mitte ein Riesen-Projekt. Es wird eine Digitalisierungsoffensive geben. Zudem ist für mich als junger Mensch die Umwelt ein großes Thema. Die Stadtbusflotte wurde auf Hybrid umgestellt, Radwege werden ausgebaut. Wir müssen uns als Sportstadt klar positionieren und entsprechend auftreten. Vieles wird sich nicht in fünf Jahren stemmen lassen. Da braucht es mindestens zwei Perioden.

Sie kandidieren also 2025?

Nicht, dass ich etwas vorwegnehmen möchte. Aber große Projekte brauchen wirklich Zeit. Zudem ist die finanzielle Lage im Moment schwierig. Wir müssen uns darauf konzentrieren, mehr Einnahmen zu lukrieren. Durch mehr Einwohner, da steigen die Ertragsanteile. Und mehr Betriebe, da steigt die Kommunalsteuer.

Das Interview führte Sonja Schlingensiepen

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