Heikle Twitter-Debatte

Caritas-Chef: Trump-Sperre „Gefahr für Demokratie“

Medien
09.01.2021 13:45

Der Chef der Wiener Caritas, Klaus Schwertner, hält die Twitter-Sperre von Donald Trump für „grundsätzlich bedenklich und gefährlich“. Schwertner erklärte am Samstag passenderweise via Twitter, es sei sogar „mehr als bedenklich“, wenn große Konzerne wie Facebook oder Twitter Accounts „einfach sperren können ohne nachvollziehbare Kriterien oder Gerichtsurteile“. Die Social-Media-Plattform hatte allerdings ausführlich erläutert, warum der scheidende US-Präsident letztlich verbannt wurde. Schwertner betont auf Nachfrage gegenüber krone.at außerdem, sich keinesfalls mit Donald Trump solidarisieren zu wollen - denn auch er sei tatsächlich gefährlich.

Trump war vorgeworfen worden, schon bei einer Kundgebung indirekt zum Marsch auf das US-Kapitol - der am Ende fünf Menschenleben forderte - aufgerufen zu haben. Nicht zuletzt könnten auch seine Tweets einige seiner 88,7 Millionen Follower ermutigt haben, an der Aktion teilzunehmen oder auch in Zukunft Ähnliches zu planen, fürchtet man bei Twitter. Schließlich sprach man die dauerhafte Sperre aus. Trump sieht darin freilich eine konzertierte Aktion der „radikalen Linken“.

Doch auch der Caritas-Generalsekretär kann der Sperre nichts abgewinnen, hält sie gar für eine „Gefahr für die Demokratie“. Die Äußerung sorgte auf Twitter rasch für Aufsehen, Kritiker erinnerten Schwertner daran, dass die großen Social-Media-Plattformen - wie übrigens auch Tageszeitungen - bei aller politischen Relevanz keine staatlichen, sondern unabhängige Betriebe seien, die gemäß ihrer Richtlinien autonom handeln dürften. Dennoch: Schwertner spricht eines der größten Probleme unserer Zeit an: Die Betreiber sozialer Medien sind zu mächtig.

Schwertner, der selbst als Influencer gilt, musste in der Debatte schließlich mehrfach klarstellen, dass er natürlich auch das Verhalten Trumps für demokratiegefährdend halte. „Willkür“ ortete er bei Twitter unter anderem deshalb, weil die Sperre wohl zu spät kam: „Es sind die Geister, die die Social-Media-Giganten selbst gerufen haben. Mussten erst Menschen sterben?“

„Ist mir auch schon passiert“
Im krone.at-Gespräch erinnert Schwertner daran, dass er selbst einmal zum Opfer einer mutmaßlich willkürlichen Löschung auf Facebook wurde. Anfang 2018 hatte er ein stark beachtetes positives Posting zum (muslimischen) Wiener Neujahrsbaby verfasst, das von Facebook „als Spam erkannt“ und gelöscht worden sei. „Nur Dank der Unterstützung von Max Schrems und Ingrid Brodnig gelang es mir damals, bei Facebook Deutschland zu bewirken, dass das Posting wieder online gestellt wird.“

Lösungen, so Schwertner, wären „anstatt der Löschung von Accounts“ etwa eine zeitversetzte Online-Stellung mit vorangehender Prüfung der Inhalte, oder aber gleich eine Ausweitung der gerichtlichen Kompetenzen auf Social Media (wenn auch beides angesichts der Dimensionen unmöglich umsetzbar scheint, Anm.). „Es wird Zeit, dass auch in der digitalen Parallelgesellschaft analoge und rechtsstaatliche Maßstäbe gelten, dass eine Regulierung dieser Unternehmen von der EU-Kommission weiter entschieden verfolgt wird. Wir brauchen Rechtsstaatlichkeit anstelle von Willkür. Dass Twitter und Co. jetzt für ihren Schritt bejubelt werden, löst das dahinterliegende Problem nicht.“

Aufklärung über den Hintergrund der Sperre gibt unterdessen ARD-Digitalexperte Dennis Horn (siehe Tweet oben). „Es ist bemerkenswert, wie tief Twitter in die Interpretation dieser Tweets geht. Das erinnert mich eher an die Analysen politischer Beobachterinnen und Beobachter in meiner Timeline - und weniger an das bisherige Vorgehen, klare Lügen von Donald Trump zu markieren“, schreibt Horn, merkt aber auch an: „So konsequent dieser Schritt ist und so viel Applaus Twitter dafür nun bekommen mag: Man konnte die Tweets von Donald Trump seit Jahren in genau dieser Form auslegen. Es waren die Jahre, in denen sich das, was wir jetzt erleben, überhaupt erst zusammenbrauen konnte.“

„Richtig, aber hochgradig problematisch“
Auch die „Süddeutsche Zeitung“ urteilte in einer Analyse, dass die Maßnahme „Jahre zu spät“ komme und gleichzeitig „hochgradig problematisch“ sei. „Eine Handvoll Männer bestimmen, was im Netz gesagt werden darf. Kein privates Unternehmen sollte so viel Macht besitzen.“

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